Der Plan für heute steht fest. Nach dem Frühstück im Prunksaal des Hotels gehen wir den Bund entlang Richtung Süden, schnappen uns am Ende eine U-Bahn und fahren in den Zoo. Pandas und Tiger gucken. Dagegen sprechen drei Tatsachen: 1. Es ist warm. 2. Es ist Sonntag und ganz China will die Tierchen sehen. 3. Wir finden beide Zoos eigentlich völlig unangemessen und mögen überhaupt nicht eingesperrte Tiere sehen. Also nicht in den Zoo. Ebenfalls im Süden, auf beiden Ufern des Huangpo, erstreckt sich das Gelände der Expo 2010. Das ist sicherlich auch einen Rundgang wert. Fast eine Woche sind wir jetzt in Shanghai und immerzu unterwegs. Aber tatsächlich kennen wir wenig von dieser riesigen Stadt. Dennoch: es fällt eine Entscheidung. Es kommt natürlich alles wieder ganz anders… Wir gucken uns mal den neuen Nord-Bund an. Zu Fuß, versteht sich. Ziel ist dann letztlich das Shanghai Jewish Refugees Museum. Aber davor reiht sich Baustelle an Baustelle, mittendrin immer noch alte Viertel, in denen man keine Ahnung von dem zu haben scheint, was draußen vor sich geht. Wir sind sicher: Bereits in zwei Jahren würden wir die Stadt hier rund um den Bund nicht mehr wiedererkennen. So, wie die Bauten hier hochgezogen werden, hätte Hamburg bereits seit Jahren eine Elbphilharmonie, wenn man sich für einen chinesischen Bauunternehmer entschieden hätte. Stadtplanerisch setzt sich durch, was modern ist. Das hat natürlich zur Folge, dass die alten Viertel nur dann eine Überlebenschance haben, wenn man sie zu historischem Gut erklärt. Wir werden mal im Auge behalten, wie lange das gut geht. Zunächst aber treibt es uns noch durch die Gassen und Straßen. Eigentlich ist es ein Wunder, dass uns noch niemand Prügel angedroht hat. So frech, wie wir uns hier bewegen Nach einem langen, langen Marsch durch sehr staubige Viertel sehen wir endlich hinter einem Bauzahn die Spitze der alten Synagoge. Als wir nach einigem Verlaufen endlich davor stehen, entpuppt sich der Bau als ehemaliges Krankenhaus für Seeleute. Auch schön… Das gesuchte Museum, erklärt uns eine junge Frau, sei noch 200 Meter weiter nördlich. Die Chinesen und ihre Distanzangaben! Wir fallen wieder drauf rein, aber zwei, drei Kilometer später stehen wir dann tatsächlich vor dem Museum, das aus der alten Synagoge, zwei Ausstellungsräumen und einem Café besteht. Erzählt wird hier die Geschichte der rund 18 000 Juden, die sich vor den Nazis nach Shanghai retten konnten. „Klein-Wien“ hat man dieses Viertel rundherum genannt, aber es ist nicht viel übrig geblieben von dem, was sich die überwiegend österreichischen Juden hier als Lebensraum aufgebaut hatten. Die Häuser werden längst von Chinesen bewohnt – bis die Abrissbirne kommt. Aber für uns ist es natürlich wieder höchst spannend, uns hier umzusehen. Auch wenn ich langsam, ehrlich gesagt, gar nicht mehr laufen kann. Und auch nicht mag. Wir machen uns bei Gluthitze auf den Rückweg. Und irgendwann glaube ich an eine Fatamorgana: Direkt vor uns erhebt sich die Werbung einen uralten bayrischen Bierhauses. Oktoberfest. Nicht ohne uns
Wir trinken ein Bier und essen richtige Bratwürstchen mit Brot, sind nicht sicher, ob wie lachen oder weinen sollen, weil das Personal in Dirndl und Krachledernen antritt und kichern, als der Geschäftsführer (groß, dick, deutsch) an unseren Tisch kommt und auf unsere vorsichtig gestellte Frage „Deutsch?“ antwortet „Bayrisch!“ Haben wir das auch geklärt. Ein Stündchen später laufen wir im Hotel ein und tun wirklich nichts mehr. Ich lese online, dass Frau Ferres Herrn Maschmeyer geheiratet hat. Das interessiert mich genauso wenig, wie die Hochzeit von Herrn Clooney. Heute ist unser letzter Tag in Shanghai. Morgen geht es nach Hangzhou. Das bedeutet Trolley packen und on the road again. Wieder was Neues! Aber jetzt singt auf Spotify noch hier im Astor House der großartige Paolo Conte: „It’s Wonderful!“ Besser kann man es nicht sagen.