Silvester im Doppelpack

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Ein Tag ohne Plan, damit wir um Mitternacht noch ein Auge offen haben… Denn normalerweise schlafen wir da längst! Silvester soll das anders sein. Wie anstrengend!

 

Kleines Frühstück, unbedeutend wie die Bar, in der wir es einnehmen, dann ab zum Einkaufen chez Lidl. Am letzten Tag des Jahres wird es eine Lauchtorte aus dem Ofen geben. Alles schnell eingekauft, aber an den Kassen muss man warten. Ganz anders als in Deutschland halten die Kassiererinnen hier gern mal ein Schwätzchen, lachen und scherzen mit ihren Kunden, auch wenn diese minutenlang nach ihrem Portemonnaie wühlen. Das nimmt hier niemand übel, man bleibt entspannt. Wir sind ja nun auch schon über einen Monat in Lagos und ebenfalls entsprechend aufgeräumt.

 

Zwar verbringen wir den Nachmittag lesend zuhause – Juan Dostojewski, ich Archer -, gegen vier aber sticht uns der Hafer. Weinchen zum Sonnenuntergang? Die Praia do Mos ist voll, aus dem „Antonio“ kommt uns der letzte Kellner mit dem Schlüssel in der Hand entgegen. Weiter nach Luz, da ist man ja in zehn Minuten. Auch hier viele Menschen und ein gut besuchtes „Paraiso“. Viele, viele Menschen. Und  ja, wir bekommen unseren Weisswein noch: Zuhause auf dem Balkon zum atemberaubenden Farbenspiel der untergehenden Sonne.

 

In unserer deutschsprachigen Fernsehkiste läuft überall „Dinner for one“, alternativ Ekel Alfred. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir es wirklich nicht mehr sehen können und wollen. Also lege ich ein paar elektronische Patiencen, während sich Juan um die Lauchtorte kümmert. Als Vorspeise gibt es einfach nur eine Avocado – ganz wunderbar. 

 

Je später es wird, desto mehr rechnen wir mit Krach rund ums Haus. Nichts. Hier werden auch nirgendwo Böller und Ähnliches verkauft – sehr löblich. Traditionen zu Silvester in Portugal: um zwölf isst man mit jedem Gongschlag eine Rosine, hält ein Geldstück in der Hand und trägt frische Wäsche. Zwölf Monate Glück, immer gut bei Kasse und sauber durchs Jahr – alles fein.

 

Da wie zu Deutschland eine Stunde Zeitunterschied haben, feiern wir unser erstes Silvester vor dem Brandenburger Tor, freuen uns über die Musik der Gypsy Kings und kichern, weil sich Andrea Kiewel keinen Künstlernamen merken kann, daneben Johannes B. Kerner der Charme einer defekten Waschmaschine versprüht. Um Mitternacht in Berlin stossen wir mit bestem Tinto an, bevor wir uns langsam auf den Weg in den Ort machen.

 

Das Ziel ist klar – wir folgen einfach all den Menschen, die mit uns Silvester in Lagos feiern wollen. Übrigens haben wir ein Mäntelchen hervorgekramt: Mit 8 Grad ist es recht frisch in der Nacht. Auf dem grossen Platz vor der Kirche ist die Hölle los: Ganz Lagos, Jung und Alt, hottet zur Musik einer live-Band, die sich mit einer abenteuerlichen Lichtershow inszeniert. So voll es auch ist: niemand rempelt und schubst, man kann problemlos herumlaufen. Juan besorgt uns aus einer englischen Bar ein paar Caipirinhas, dann sind wir wieder beim Konzert. Natürlich wird auch hier die letzte Minute des Jahres heruntergezählt.

 

Punkt Mitternacht wird auf der anderen Seite des Flusses das offizielle, also örtliche Feuerwerk gezündet. Unter vielen „Ahs“ und „Ohs“ und völlig ungefährlich für die Zuschauer erleben wir ein wirklich schönes Himmelsspektakel. Obwohl wir Feuerwerkskörper nicht ausstehen können, können wir es hier geniessen. Die Portugiesen haben ihre Hunde zuhause gelassen, werfen etwas Konfetti in die Luft oder sich in lustige Hütchen, geniessen das Feuerwerk. Erstaunlicherweise recht emotionslos: Hier fallen sich die Leute nicht um Mitternacht um den Hals und wünschen allen ein frohes neues Jahr, hier trinkt man ein Schlückchen vom Mitgebrachten, guckt, lächelt zaghaft oder auch nicht und geht dann wieder nach Hause. Die jüngere Generation tobt sich noch ein bisschen vor der live show aus, aber es geht alles sehr gesittet zu.

 

Der Barkeeper bei den Engländern erkennt Juan sofort und erinnert sich, dass wir Caipirinhas wollen; mit denen gehen wir noch mal auf den grossen Platz und dann langsam nach Hause. Wie alle anderen werfen wir unterwegs die leeren Becher in Mülleimer und nicht einfach auf die Strasse. Was für eine schöne, gemütliche Silvesternacht!

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