Manchmal stellen wir uns vor, wir würden andando verfolgen. Wären wir nicht längst genervt vom xten Markt, davon, dass Asien einfach super ist, würden wir nicht am Heizungsthermostat drehen und mit den Augen rollen, weil es den Klitzings mal wieder zu heiß ist? Vielleicht ja, vielleicht nein…
Grundsätzlich hat sich auch heute nichts geändert. Es ist heiß, so um die 35 Grad, und waschküchig. Nach dem großen Regen gestern sind wir abends nur kurz um die Ecke gegangen und in einem französischen Restaurant gelandet. Natürlich weit und breit keine Welschen in Sicht. Eigentlich sollten wir im ersten Stock dinieren, doch da war nicht nur alles dunkel, der Koch schlief auch fest auf den Stühlchen. Also wieder runter. Bestellt haben wir eine Paté de porc, Juan die kleinste vorstellbare Entenbrust à l’Orange, ich irgendein Filet mit Knoblauch, dazu jeweils Kartoffelpüree. Winzige Portionen, also anschließend Crêpe mit Nutella. Dazu gab es natürlich Bier, weil Wein hier importiert und teuer oder lokal und grässlich ist. Das ganze hat dann etwas unter 20 Euro gekostet und wird ein einmaliges Erlebnis bleiben. Dennoch haben wir gut geschlafen, aber uns dann wieder irgendwie vertrödelt. Das ist auch der Grund für das Taxi, das uns nach einigen Umwegen wg. doof oder gerissen vor dem Wiedervereinigungspalast absetzt. Gerade noch rechtzeitig, denn von 11 bis 13 Uhr ist der Ticketschalter geschlossen. Wer allerdings drin ist, kann auch bleiben. Dieser Palast ist höchst geschichtsträchtig, wovon die Panzer-Replika im Park erzählen: Am 30. April 1975 sind die Nordvietnamesen hier vorgefahren, niemand hat sich die Mühe gemacht, dazu die Tore zu öffnen. Für Präsident Thieu und die Amerikaner war’s das damit: Die Yankees flogen nach Hause und haben den verheerenden Krieg verloren. Den Präsidenten und weitere Verbündete nahmen sie gleich mit, noch bevor die Fahne des Nordens wurde gehisst.
Da natürlich Hanoi und nicht Saigon gemeinsame Hauptstadt blieb, war der 1962 gebaute Palast als Regierungssitz überflüssig. Man ließ ihn dennoch genauso stehen, wie er war, besserte Bombenschäden aus und entschloss sich 2009, ihn als historisches nationales Relikt der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Also uns. Design und Architektur sind komplett 1960er, also interessant anzusehen. Die Wirkungsstätten des Präsidenten und seines seinerzeitigen Parlaments sind ebenso anzusehen wie der Schutzbunker, in dem ich auf der Stelle Beklemmungen bekomme. Es hat alles ein bisschen was vom Palast der Republik in der ehemaligen DDR, was ja auch nicht so ganz verwunderlich ist. Im Park begegnen wir beim Hinausgehen noch einer jungen dänischen Reisegruppe. Zwei Stunden zuvor sind die Kids aus Kambodscha kommend in Saigon eingetrudelt und schon wieder auf dem Pfad. Wieder einmal sind wir höchst dankbar dafür dass wir mit der Zeit umgehen können, wie wir wollen.
Wir schlendern erst mal wieder Richtung Notre Dame. Wieder zu. Soll sie uns doch… Der nächste kulturelle Schritt beschränkt sich auf einen Kaffee und eine Eisschokolade in einem Café mit südkalifornischen Wurzeln. Aber danach geht es wieder zurück nach Vietnam: Ein Markt ist das Ziel. Ja, wieder ein Markt ! Wir kriegen einfach nicht genug davon. Also tapern wir mal wieder Kilometer um Kilometer durch die Stadt. An manchen Kreuzungen bleibt uns zugegebenermaßen manchmal das Herz stehen. Wollen wir da wirklich rüber? Trotz der 300, 400 Motorbikes, die genau auf uns zusteuern? Und trotz der Renegades, die gegen den Verkehr irgendwo herkommen? Gut, schlafen sollte man nicht, wenn man überquert. Und auch nicht zögern. Ganz schlecht ist umkehren. Man muss sich vorstellen, dass die Flut der Bikes einen sozusagen umspült. Augenkontakt, dann klappt das schon. Wir achten allerdings darauf, dass es eine Autolücke gibt. Wohin sollten die Autos auf ihren fünfspurigen Straßen ausweichen? Also: immer schön alles im Blick haben und los.
Das Wasser läuft uns in die Augen, den Nacken hinunter, aber das macht letztlich nichts: Wir finden unseren Markt, sind wieder neugierig und irgendwie auch froh, dass uns niemand etwas übern Kopf zieht. In den Gegenden, in denen wir uns herumtreiben, ist weit und breit keine westliche Seele zu entdecken. Und ja: Wir passen auf und gehen keine großen Risiken ein. Zwischendurch waren wir übrigens auf noch auf der Dachterrasse des legendäre Hotels Rex. Hier hat Graham Greene vor sich hingeschrieben, hier haben sich während des Vietnam-Kriegs die Berichterstatter zusammengetan, denn die US Army hatte das ganze Hotel als Kommunikationsbasis übernommen. Heute ist vom alten Schick noch ein Hauch geblieben, aber statt mit Zigaretten und Schnaps wird in der Lobby nun bei Cartier gedealt. Alles fein und elegant. Ganz anders als die Strassenkneipe, in der wir nach unserem Rundgang völlig ermattet ein Bier zischen. An uns vorbei ziehen Einheimische und vor allem Touristen, die zweimal hingucken, damit sie glauben, was sie da sehen: zwei vergnügte Leute, die auf den niedrigen Plastikstühlchen sitzend den lieben Gott einen guten Mann sein lassen…
El antiguo Palacio
Um Eure Frage im Eingang des Textes zu beantworten: Nö, das wird keinesfalls langweilig. Aber die Heizung drehe ich trotzdem höher 🙂
Besitos
Keep warm! Und gewogen!
sinte nixxe genervt
Gut.