Quer durch Spanien

Wir wachen in dem fiesen Hotel in Saint-Jean-de-Luz auf, werfen einen Blick aus dem Fenster – und schlagartig verdunkelt sich mit den Wolken auch die Laune. Es regnet cats & dogs, das Seebad muss ohne uns sehen, wie es weiterkommt.
Das ist eigentlich schade, denn wir hätten gern noch einen Blick aufs Meer und/oder auf die schöne Markthalle geworfen. Aber nicht bei diesem Wetter.
Also Frühstück und los. Teilweise regnet es so sehr, dass man kaum die Hand vor Augen sehen kann. Ich schlage vor, einfach am nächsten Parkplatz stehen zu bleiben und langsam bis eine Milliarde zu zählen. Damit komme ich aber nicht durch.
Somit bleibt auch Pamplona für uns nur ein flüchtiger Moment. Ohne Hemingway und seine „Fiesta“ würde sich ohnehin kein Mensch um diesen Ort kümmern, vermute ich mal. Allerdings: Er ist grösser, als ich dachte. Und die hohe Stadtmauer zeigt schon ein interessantes Stück Geschichte. Aber in die Altstadt gehen wir nicht, s. o., und wir wollen auch keinem verirrten Stier begegnen.
Weiter in das Land, in dem der Wein in Strömen fliesst: La Rioja. Ohne mich ständig wiederholen zu wollen, nur ein Stichwort – strömen…
Auf dem Weg in die Hauptstadt dieser Weinbauregion, nach Logroño, werden wir über eine Bergstrasse umgeleitet, von der die Aussichten sicherlich sensationell sind, würde man sie doch nur sehen. Aber wir fahren durch die Wolken.
Logroño selbst ist vor allem voll. An diesem Sonnabend drängelt sich das Volk in der Stadt; es findet offenbar ein Chorfestival statt. Sollten sie doch alle singen – wir wollen sowieso lieber Laguardia ansehen.
Das mittelalterliche Städtchen Laguardia mit etwas über 2500 Einwohnern liegt, umgeben von einer Stadtmauer auf einer Anhöhe in grünen Weinbergen. Es spielt ein bisschen San Gimignano, aber der Vergleich entspricht ungefähr dem Vergleich einer Opernaufführung an der Mailänder Scala und, sagen wir mal, in Lübeck… Aber alt es der Ort sehr wohl: Schon 1164 erhielt er durch den König von Navarra Stadtrechte und wurde als Grenzort zu Kastilien ordentlich befestigt. Einige Jahrhunderte später muss die Wache = La guardia geschlafen haben, und so fiel die Stadt doch an das Königreich von Kastilien. Durch die Stadtmauern führen fünf Stadttore in die Altstadt, die ihren mittelalterlichen Charakter bewahrt und vielleicht schon etwas zu touristisch herausgeputzt ist.
Laguardia lebt vom Weinbau, im Ort haben 60 Bodegas ihren Sitz. Große Teile der Altstadt sind mit Kellern untertunnelt, in denen Wein produziert, reift und gelagert wird. Einige davon können besichtigt werden. Die meisten Touristen kommen allerdings, um direkt vor Ort einen guten Tropfen zu trinken. Wir haben Mühe, einen Laden zu finden, der einfach nur einen Kaffee verkauft.
Und weiter geht es nach Elcielo. Das Hotel Marqués de Riscal befindet sich in diesem 1000-Seelen-Weindorf und bildet den Kern der „Stadt des Weines“, die von dem seit 1858 existierenden Weingut Herederos del Marqués de Riscal im Jahr 2000 in Angriff und von Architekt Frank O. Gehry meisterlich umgesetzt wurde. Hier befindet sich übrigens auch der famose Weinkeller “La Catedral” in dem Weinflaschen aller Jahrgänge seit 1862 bis heute aufbewahrt werden. Für die Entstehung des Hotels schwebte dem Weingut ein modernes Gebäude vor, das starke Emotionen hervorrufen würde. Um diese Wirkung zu erzielen, wurde dann einer der berühmtesten Baumeister, nämlich Frank O. Gehry, auserkoren. Bei einem Glas Wein aus dem Jahr 1929 (dem Geburtsjahr des Architekten) stellte das Team die Idee für das Projekt vor. Die Geschichte ist sicher falsch, aber hübsch. Herrn Gehry jedenfalls reizte die Herausforderung, ein Hotel im Herzen eines Weinkellers zu entwerfen – so etwas hatte er noch nie gemacht.
Das luxuriöse Haus umfasst nun zwei Restaurants, eine Dachlounge mit Blick auf das Dorf Elciego, eine Weinbar, ein Weingeschäft, Tagungs- und Bankettbereiche sowie 43 Zimmern und 10 Suiten in zwei Gebäudeteilen (der Gehry-Flügel und der Spa-Flügel), die durch eine glasüberdachte Brücke verbunden sind. Zimmer gibt es am 300 Euro. Ohne Frühstück.
Wie in Gehrys erster Arbeit in Spanien, dem Guggenheim-Museum in Bilbao, die 130 Kilometer entfernt liegt, ist auch das Hotel mit Titan und Edelstahl verkleidet. Dabei integrierte der Architekt allerdings die Farben des Weingutes: Rosa wie roter Wein, Gold, wie das Netz um die Flaschen von Marqués de Riscal Reserva, und Silber, wie die Flaschenkapseln. Wir sind beeindruckt, schliessen uns aber keiner Tour durch die Bodega an.
Natürlich regnet es auch wieder, deshalb hauen wir ab in Richtung Sonne.
Auf dem Weg nach Osten kreuzen wir mehrfach den Jakobsweg und treffen Dutzende von Pilgern auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Ich mache mir einen Knoten ins Taschentuch, weil ich Hape Kerkelings Buch noch immer nicht gelesen habe, aber überzeugt bin, dass er eine Art Popstar dieser Wanderung ist. Was Boris Becker und Steffi Graf fürs Tennis waren, war Kerpeking definitiv für den Jakobsweg.
Kurz vor Saragossa sehen wir dann endlich ein handtuchgrosses Stück blauen Himmel und das Thermometer steigt von zeitweise 13 auf 20 Grad. Das macht Hoffnung. Aber erst einmal checken wir am Rand der Stadt ins Hotel Real ein und lassen den Tag gut sein. Das Hotel hätten wir fast nicht gefunden. Wer Trucks und Trucker richtig, richtig lieb hat, ist hier zu Hause. Vielleicht stammen die vier Sterne des Hotels daher, dass jemand in dieser zwielichtigen Gegend ein ordentliches Jackvoll gekriegt hat und vier… Nee, das Hotel ist für 50 Euro super. Und wer Lastwagen mag, hat vor der Tür die Messe seiner Träume… Wir essen im Restaurant jeder ein Menü für 19 euro inkl. vino und unterschreiben eine Gesamtrechnung von 28 Euro. Hä? Morgen wissen wir mehr.
Dann haben wir auch wieder etwas Unbestimmtes vor: Mal gucken, wohin uns der Wind weht…

4 Kommentare zu „Quer durch Spanien“

  1. Also den Harpe musst Du Dir reinziehen, mein Tipp jedoch, als Hörbuch, gut für weite Strecken…. ich bin sicher Schnabbel und Gert werden auch Euch ans Herz wachsen….

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