Facetten einer Weltstadt

Wir haben einen Freund, der entführt seine Frau schon mal auf eine zauberhafte Malediven-Insel oder in den Orient. Oder einen anderen, der die Seine für die beste Weißwurst der Welt 800 Kilometer weit kutschiert. Meiner zeigt mir einen, ja, wie soll ich sagen: Schrottplatz… Meine Schwägerin Ana kommt aus dem Lachen nicht mehr raus, als sie von diesem Ausflug hört. Wir treiben uns den ganzen Vormittag in Auto-Ersatzteilshops, Werkstätten und Abschmierläden rum. Denn wir suchen eine Art Korb als Dachgepäckträger. Da sollen dann Kanister, Kästen, alles mögliche untergebracht werden. Sowas gibt es nicht von der Stange (jedenfalls nicht für unseren 15 Jahre alten Pathfinder), kann aber angefertigt werden. Das dauert eine Woche. Dazu müssen dann noch Kisten angeschafft werden, Staubplanen, Sicherheitsvorkehrungen, Pipapo. Unterm Strich mal wieder ein schrecklicher Aufwand, dem wir aber entgehen werden. Wir kaufen uns einen Dachkoffer. Oder wie heißt das Ding, in dem auch Skier und wohl auch mal Schwiegermütter transportiert werden?

Zunächst machen wir uns mal sachkundig. Es ist unglaublich, wie viele Formen und Größen es gibt. Schließlich gefällt uns eine Kiste, die 360 Liter Inhalt hat. Platz genug, um uns das Auto innen halbwegs freizuhalten. Dadurch haben wir dann auch ohne Bauvorhaben die Möglichkeit, im Falle eines Falles eine Schlafstätte zu improvisieren. Montag morgen, wenn wir aus Uruguay wieder da sind, werden wir so eine Kiste besorgen und montieren lassen. Kostet alles in allem um die 220 Euro – günstiger wäre die Ursprungsidee auch nicht geworden. Hier haben wir aber etwas Solideres.

Völlig ermattet fallen wir mittags in ein typisches Restaurant in Villa Crespo ein, bestellen Milanesas de Pollo – Hähnchenschnitzel – und folgen dem Rat des Kellners, nur eines zu bestellen. Ich habe keine Ahnung, wie es den Köchen hier gelingt, aus einem Hühnerbein ein elefantenohrgrosses Schnitzel zu zaubern. Wir schaffen die eine Portion nicht einmal zu zweit.

Es ist auch schon wieder recht warm geworden, um die 20 Grad, in der Sonne richtig heiß. Wir fahren erst mal wieder ermattet nach Hause. Ich stürze aber gleich wieder aus dem Haus, weil ich zum Friseur will. Hier im Apartment gibt es keinen Fön, also lasse ich in die Haare waschen und trocknen. Ich habe mich allerdings nicht getraut, in der Bude ein Foto zu machen 🙂 Mein lieber Dirk Bär mit seinem schicken Salon würde definitiv ohnmächtig werden. Die hiesige Fachkraft wäscht mir den Kopf ausgesprochen robust, trocknet dann mit den Fingern unterm Fön. Eine Bürste sehe ich weit und breit nicht. Na gut, erledigt, 50 Pesos. Waschen und trocknen 3 Euro. Weitere 6 investiere ich in die Wäscherei, hole unser Zeug dort wieder ab.

Nun sind wir theoretisch wieder stadtfein und vorzeigbar. Soeben ruft Federico an; wir werden einen Kaffee zusammen trinken und ein bisschen Geld wechseln. Alles sehr aufregend. Heute Abend bleiben wir zuhause, packen unsere Rucksäcke für den Ausflug und machen ansonsten – nichts! Sehr schön. Es wird langsam Zeit, dass wir auf die Straße kommen. Oder mal was Gezieltes in Buenos Aires machen, das nichts mit dem Auto zu tun hat. Zwar sind wir fast eine Woche unterwegs, man kann aber nicht behaupten, dass wir schon mal Luft geholt hätten.

Federico ist nicht nur gekommen, um Kaffee zu trinken und Dollars zu wechseln, sondern auch, um uns die Versicherungspolice fürs Auto zu bringen. Genau die hat er nun leider im Auto vergessen, das auf halber Strecke zwischen dem Centrum und San Martin parkt. Nun fahren die Brüder gemeinsam mit dem Zug, und irgendwann wird Juan Carlos auch wieder hier eintrudeln. Ich hoffe, sie vergessen nicht über all ihre Gespräche, warum der Meine mit im Zug sitzt 🙂

2 Kommentare zu „Facetten einer Weltstadt“

  1. wer will schon auf eine Insel entführt werden oder zur besten Weißwurst der westlichen Hemisphäre wenn man nach stundenlangem schrottplatzstreunen auf der ausgerollten Matratze neben dem Benzinkanister schlummern darf, während der Held noch versucht die rotweinflasche ohne Korkenzieher am baum zu öffnen.
    ich vermisse die reisen auf der „pritsche“. genießt es !!

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