Kaum sechs und wir sind hellwach, gucken online ein bisschen Weltgeschehen und sind kurz nach sieben mit der aufgehenden Sonne am Strand von Berck. Fast ganz allein, toll, toll, toll! Wir laufen ein Stündchen und freuen uns des Lebens, bevor es unter die Dusche und zum Frühstück geht.
Wir wollen weiter nach Süden, können in diesem Hotel in Berck auch nicht bleiben, weil es heute ausgebucht ist. Oder doch nicht, denn beim check-out frage ich noch einmal und erfahre, dass jemand abgesagt hat. Zu spät für uns, wir haben die Klamotten schon im Auto und fahren bei leicht bedecktem Himmel und 22 Grad südwärts. St. Valérie sur Somme ist ganz niedlich, aber uns zieht es nach Le Tréport. Die Stadt liegt an der Küste des Ärmelkanals, an der Mündung der Bresle in einer Lücke der Felsenküste, stellenweise eingezwängt zwischen Meer und Felsen. Hier will Juan mal mit Wilfried und Coco hingesegelt sein, deshalb kommt es mir auch so bekannt vor. Schon von weitem sieht man die mächtige Kirche, die über dem Küstenstädtchen thront: Saint-Jacques, deren Ursprünge ins 14. Jahrhundert zurückgehen.
Zwei Minuten später ist klar, dass Juan hier nie mit einem Boot angelegt hat. Wir waren auf unserem letzten Auto-Törn in die Bretagne hier, erkennen wir vom Parkplatz aus. Der Ort ist relativ voll, an der Pier reihen sich Marktstände – überwiegend mit Chinaschrott – aneinander. Aber im Gegensatz zu unserem ersten Besuch ist die Fischmarkthalle geöffnet – spektakulär!
Wir laufen ein Stündchen herum, dann wird es ernst. Nachdem wir Le Tréport „wiederentdeckt“ haben, kommt die dunkle Erinnerung: Fécamp, eigentlich unser nächstes Ziel, kennen wir auch…
Also verlassen wir die Normandie, überqueren die Bretagne am östlichen Rand und nehmen Kurs auf La Rochelle. Die gute Entscheidung, wenn auch 25 Euro teuer: Wir nehmen die Autobahn südwärts. Die gehört uns an diesem Sonnabend quasi allein. Entspanntes Fahren, entspanntes Ankommen an unserem Etappenziel, Le Mans. Brumm, brumm, 24 Stunden Rennen. Und sonst?
Erst einmal checken wir im Hotel Charleston in Bahnhofsnähe ein. Klein, praktisch, Zimmer gehen von einem Patio ab. Mit 57 Euro auch kommod im Preis. Das Auto ist geparkt, wir fahren mit der Strassenbahn in die City und sind wirklich beeindruckt: Wir laufen durch eine malerische Altstadt mit schiefen Häuschen und Kopfsteinpflaster. Uns faszinieren die gallo-römische Stadtmauer, die gegen Ende des 3. Jahrhunderts gebaut wurde und bemerkenswert gut erhalten ist, sowie die romanisch-gotische Kathedrale Saint-Julien.
Natürlich gibt es in den alten Häusern unzählige Restaurants. Da wir an diesem Sonnabend keine Reservierung haben, haben wir ein Problem(chen), denn das meiste ist ausgebucht. Schliesslich landen wir am letzten Tisch im Kellergewölbe eines offenbar angesagten Etablissements mit gutem Essen und gutem Service: L’Auberge des 7 Plats. Bemerkenswert finden wir, dass hier bereits siebenjährige Knirpse beim Genuss von Gänsestopfleber lustvoll die Augen verdrehen. Juans Kabeljaufilet ist ebenfalls bemerkenswert, genauso mein dünn aufgeschnittener und dann kurzgebratener Rinderbraten. Der Wein aus Bordeaux rundet ein nettes Dîner ab. Der Tag war lang, deshalb gehen wir die halbe Stunde ins Hotel auch nicht zu Fuss, sondern schnappen eine Strassenbahn. Erstaunlich schön, diese Rennstadt Le Mans.