Noch ein Blick aufs Mittelmeer und in alle Ecken unseres Apartments in Canet-en-Roussillon, schon sind wir bei bedenklich grauem Himmel auf der Landstrasse.
Je näher wir unserem nur knapp 80 Kilometer entfernten Ziel kommen, desto dichter fällt der Regen. Auf dem Parkplatz des Golfclubs Sainte Rose Narbonne prasselt es richtig.
Müssen wir uns das antun? Oder gleich Gas geben? Wir schieben die Entscheidung noch etwas auf.
Es ist Sonntag, deshalb drehen wir zumindest mal eine Autorunde durch Narbonne. Macht einen ganz guten Eindruck. Lust auf Weiterfahrt haben wir auch nicht, also buchen wir das Le Monica, eine kleine Wohnung mitten in der Stadt mit einem Parkplatz vor der Tür. Ich ruf mal eben bei der Vermieterin ein, sie schickt den Code für die Bude fast umgegend.
Derweil haben wir uns schon mal auf den Weg zur spektakulären Markthalle gemacht, die auch heute bis 14 Uhr geöffnet ist. Hier schlägt der Puls der Stadt. Les Halles befinden sich in einem Metall-Bauwerk im Baltard-Stil, das innen wie außen sehenswert ist. Es wurde von André Gabelle und dem Architekten Léopold Carlier erbaut und ist seit dem 1. Januar 1901 für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Kombination aus Stahl und Glas macht dieses prachtvolle Gebäude zu einem bemerkenswerten Einkaufsort und Erlebnisort für Einheimische und Urlauber. Zwischen Ständen mit Austern aus dem nahen Étang de Bages, umfangreichen Käse- und Charcuterieangeboten, feinsten Weinen und Eaux, buntem Gemüse und duftenden Oliven gibt es unzählige Fressstände mit regionalen, nationalen und internationalen Spezialitäten. Es duftet, es vibriert, man lacht und geniesst. Mehr geht kaum.
Wieder stellen wir uns die Frage, warum man soetwas in Hamburg nicht hinbekommt. Hannover ist ja schon ganz gut, aber Narbonne – grandios! Natürlich laufen wir trotzdem noch weiter, anschliessend ins historische Viertel.
Narbonne verschmilzt 2000 Jahre Geschichte nahtlos mit dem entspannten Lebensstil des französischen Südens. Als erste römische Kolonie außerhalb Italiens gegründet, trägt die Stadt am Canal de la Robine ihr Erbe bemerkenswert gelassen.
Unser erster Halt ist der Place de l’Hôtel de Ville, wo mitten auf dem Platz ein Stück der antiken Via Domitia – der römischen Straße, die mal Spanien mit Italien verband – freigelegt wurde.
Nicht weit entfernt ragt die unvollendete Kathedrale Saint-Just-et-Saint-Pasteur in den Himmel. Mit 41 Metern verfügt sie über eines der höchsten Kirchenschiffe Frankreichs. Sie sollte noch größer werden. Aber Geld und Bevölkerungsschwund im 14. Jahrhundert setzten dem ehrgeizigen Projekt ein Ende. Die gotischen Fenster mit ihren grossartigen Bildern, das massige Kirchenschiff, die kaum noch wahrnehmbaren Fresken – ganz toll.
Weiter geht es entlang des Canal de la Robine, der als Teil des UNESCO-Welterbes Canal du Midi geschützt ist. Platanen säumen die Ufer in Dreierreihe. Heute kaum vorstellbar, aber der Schatten ist im Hochsommer Gold wert.
Nach dem Besuch des imposanten Erzbischofspalastes, der heute ein Kunstmuseum beherbergt, gönnen wir uns einen Snack, ein Glas Wein und besichtigen dann unser winziges Apartment im 5. Stock mit Blick auf den Kanal und seine Hausboote in allen Grössen.
Narbonne offenbart sich vielleicht nicht auf den ersten Blick. Es ist eine Stadt, die man langsam entdecken muss, Schicht für Schicht, wie die Jahrtausende ihrer Geschichte. Fernab vom Massentourismus der Côte d’Azur hat sich hier ein authentisches Stück Südfrankreich bewahrt.
Wr hätten uns schwarz geärgert, wenn wir wegen des bisschen Regens gleich Gas gegeben und diese Stadt versäumt hätten.