Paris zu verlassen, fällt uns nicht leicht. Wir hatten eine wirklich schöne Zeit an der Seine, haben so viel gesehen, dass es klar ist: Wir kommen wieder. Und das nächste Mal bleiben wir einen Monat. Oder zwei.
Das Appartement in der Avenue Ménilmontant 13 ist schnell aufgeklart: Ein paar Klamotten, alles noch mal gecheckt, letzter Abwasch nach Kaffee & Croissant – und los. Die letzten Métro-Tickets verbraten wir bis Nation, von dort zu Fuß in die Parkgarage. Das Auto ist im selben Zustand, in dem wir es verlassen haben. Zurück zum Appartement, Schlüssel im Café Père Lachaise abgeben, einladen – au revoir.
Unser nächstes Ziel, das Schloss Versailles, steuern wir ohne Autobahn an. Das ist für Juan zwar ein bisschen stressig an diesem Sonnabend, aber wir kriegen noch viel zu sehen von unserem wunderbaren Paris.
Als Gegenprogramm zum Appartement bohémien haben wir uns in ein schnödes Ibis eingebucht, das quasi direkt am Schloss liegt und vor allem eine Parkgarage hat. Der Check-in geht fix. Während wir uns einen Moment ausruhen, sehen wir in den Nachrichten, dass in Paris und in anderen Städten heftige Demonstrationen unterwegs sind. Es brennt, die Gelbwesten meinen es wieder einmal ernst.
Wir machen uns auf den kurzen Weg zum Schloss Versailles. Es gibt an diesem Sonnabendnachmittag keine Schlangen vor den Eingängen, aber eine Überraschung an der Kasse: Auf Nachfrage lassen sie uns per Presseausweis kostenlos ins Schloss inklusive aller Dépendancen. Das freut uns und erspart 27 Euro pro Nase.
Versailles ist für normale Verhältnisse wirklich leer. Klar, wir treffen auf verschiedene Gruppen, aber es gibt keinen Raum, kein Gemälde, das wir nicht in aller Ruhe ansehen könnten. Sogar der phantastische Spiegelsaal ist sehr gut zu durchwandern.
Da das Wetter nicht doll ist, gucken wir nur kurz in die Gärten, in denen Louis XIV und seine Entourage gelustwandelt sind, bevor Dezennien später die französische Revolution dem Prunk und Protz einen Riegel vorgeschoben hat. Dass ausgerechnet Napoleon mit seiner Josephine hier später auf Kaiserpaar gemacht haben, ist ein Aperçu der Geschichte.
Irgendwie ist es ja so, dass Versailles für Marie-Antoinnette sowas war wie Demerthin für mich: Feines Schloss, aber Pech mit dem Besitz. Gut, gut: Mich hat’s ja nicht den Kopf gekostet…
Irgendwann haben wir genug von Schloss und Domestiken und verziehen uns kurz aufs Zimmer: Nicht schön, was Gillets jaunes und Polizei veranstalten: An vielen der Plätze, an denen wir gerade waren, brennt es jetzt lichterloh.
Wir gucken auf google maps in die Nachbarschaft und finden fast nebenan eine Pizzabude, die uns heute bekommt. Pizza und Kalbsteak sind teuer und gut. Allerdings sehen wir schwarz für den Fortbestand dieser aufstrebenden Gastronomie: Sie sind zu doof, richtige Rechnungen zu addieren. Auf dem Weg ins Hotel stellen wir fest, dass die sich um ungefähr 20 Prozent verrechnet haben. Zu ihren Ungunsten. So wird das nichts…
Im Ibis treffen wir hinter der Bar Franco, einen jungen Mexikaner aztekischer Abstammung. Bei einem Cognac und einem Gläschen Bordeaux hören wir seine Lebensgeschichte. Seine Frau, deren Eltern aus Thailand nach Frankreich eingewandert waren, hat ihn quasi aus Mexiko mitgebracht. Heute haben die beiden zwei Söhne, leben friedlich in Versailles und fahren alle zwei Jahre zwei Monate nach Mexiko. Franco fehlt das Licht, die Sonne, die Fröhlichkeit. Gerade wurde in seiner Heimat „el dia de los muertos“ gefeiert, der Tag der Toten. Da gedenkt man drei Tage lang der Verstorbenen. Die spanischen Konquistadoren konnten den Azteken vieles nehmen, nicht aber ihre Traditionen. Und jetzt lebt dieser junge Mexikaner im Schatten des Schlosses Versailles und ist eben diesen Traditionen stark verbunden. Sehr interessant. Auch, dass dieser junge Mensch vor Jahren erschrocken war, als ihn hier an der Bar Spanier nach seinem Namen Franco befragt hatten. Generalisimo? Davon hatte unser neuer Freund, der so gern Bier und Tequila trinkt, aber sich mit Rotwein nicht anfreunden kann, noch nie gehört. Buenas noches,amigo!