Maria Amalia Lacroze de Fortabat ist für Argentinien soetwas wie „Mörtel“ Lugner für Österreich: Beide haben ihr Geld mit Zement verdient. Viel Geld. Während der olle Wiener neureich damit prasst und halbseidene Stars und Girls im Alter seiner Urenkel zur Eigendekoration zum Opernball lädt, hat die Dame Fortabat vor bestem familiären Hintergrund Grösseres im Sinn: Sie hat in Kunst investiert und grosse Teile ihrer bedeutenden Sammlung im eigenen Museum zur Ausstellung gebracht.
Unter dem von Rafael Viñoli, einem berühmten uruguayischen Architekten mit Sitz in New York, gebauten Dach eines zweistöckigen Hauses findet sich Beeindruckendes. Zeichnungen von Klimt, Gemälde von den Breughels, Magritte vielen anderen.
Was die Kollektion aber wirklich besonders macht, ist die Sammlung argentinischer Künstler aus mehreren Epochen, die vielleicht einmalig auf der Welt ist. Mir haben die Werke aus den 20er und 30er Jahren am besten gefallen, weil mir der Kubismus, aber auch die Art déco liegen. Ganz klar erkennbar ist in den frühen Werken des letzten Jahrhunderts die Lust der Maler, vor allem in Paris zu leben und zu arbeiten. Damals ging es Argentinien zwar finanziell noch gut, aber das hat den jungen Künstlern wenig gebracht. Wie es sich gehört, lebten sie von Pastis und der Hand in den Mund. Erst heute werden ihre Werke bei Christie’s und Sotheby’s hochpreisig weltweit verkauft.
Ob das mit der zeitgenössischen Art auch so klappen wird, bleibt abzuwarten. Wie so oft habe ich zu Installationen und Skulpturen selten einen Zugang. Da man im Museum nicht fotografieren darf, muss ich mir den quietschfarbenen, pinken Kunststoffsack mit zugeklebtem schwarzen Kopfteil in knapp drei Meter Höhe einfach merken. Vielleicht wird der ja was… Der Herr in kurzen Hosen, der den Kopf begeistert schief hält, um das Kunstwerk besser beurteilen zu können, hat wohl schon etwas entdeckt, was mir Banausen verborgen geblieben ist.
Das Museum ist für sehr wenig Geld – zwischen 100 und 200 Pesos Eintritt, Rentner zahlen nicht einmal den Euro – von Donnerstag bis Sonntag ab Mittag geöffnet. Natürlich gilt auch hier Maskenpflicht und obwohl man nichts anfassen soll/darf, findet man überall Desinfektionsgel.
Der attraktive Bau mit halbrundem Dach liegt eingebettet ganz am Anfang des Puerto Madero; aus dem Fenster sieht man auf die längst zu schickem Wohnraum umgebauten Docks und den Yachthafen. Uns schwirrt der Kopf nach der zum Glück gut klimatisierten Kunst, also gönnen wir uns bei Apérol Spritz, der auch Argentinien erobert hat, eine Pause vor den Segelyachten. Zwar kann man unser Hochhaus am Horizont von hier aus schon sehen, aber wir haben keine Lust zu wandern. Taxis gibt es ja überall für sehr, sehr wenig Geld. Das gönnen wir uns, zumal wir den Hinweg maskiert im Bus zurückgelegt haben.
Die Großstadt ist einfach anstrengend. Es gibt so viel zu tun und zu sehen, dass es manchmal einfach gut ist, nur die Füsse hochzulegen. Das tun wir zuhause. Und während nebenbei im Fernsehen ein Golfturnier auf Hawaii läuft, stromern wir durchs Internet. Denn ein Problem muss noch gelöst werden.
Annas Geburtstagsfest in der nächsten Woche, das auf den 15. verlegt wird, damit auch alle kommen können. Was am 11., dem tatsächlichen 70. meiner Schwägerin, geschehen wird, ist unklar, aber auch nicht ganz so dramatisch. Es gilt, für Sonnabend ein Restaurant zu finden, vorzugsweise eine Parrilla, was unzulänglich mit Steakhaus übersetzt werden könnte. Das Problem Nummer eins: Es gibt einfach zu viele. Problem Nummer zwei: Viele sind dicht – Hauptferienzeit und/oder Corona.
Einige Lokale sind also schon raus. Zwei weitere folgen heute: Ohne Hinweis auf ihren jeweiligen Websites sind sie dicht. Das hat sicher nichts mit dem Drei-Könige-Tag zu tun. Sondern mit Womit-auch-immer. Na toll.
Uns bleibt das nächste Ziel an diesem Abend gegen halb zehn: La Babieca. Taxi und los. Das Restaurant liegt auf einer Ecke in San Telmo und gefällt uns auf Anhieb. Gediegene Tradition, dunkles Holz, aufmerksame Kellner, gestärkte weiße Tischtücher und Servietten, polierte Gläser, viel Platz auch für ein Dutzend Leute an einem grossen Tisch. Einer ist gerade von einer Grossfamilie besetzt – sieht gut aus.
Und das Essen? Wir können unmöglich schon wieder grosse Mengen Fleisch verputzen, also bestellen wir zunächst zur guten Flasche Malbec und Wasser einen Karotten-Ei-Salat. Dem folgen zwei im Ofen gebräunte Empanadas. Das Fleisch darin ist kein schnödes Hack, sondern mit dem Löffel (!) zerteiltes Rindfleisch. Das ist genauso zart, wie es sich anhört. Zu den Spezialitäten des Hauses gehören neben Grillfleisch aller Art selbstgemachte Pasta. Juan bestellt Ravioli mit Spinat-Huhnfüllung, ich Spaghetti amatriciana (auf meinen Sonderwunsch, der sofort erfüllt wird). Perfekt, perfekt, perfekt. Ich drehe ein kleines Video und schicke es an Ana. Gut für ihr Fest? Sie ist begeistert, und während wir mit letzter Kraft hervorragende Crêpes mit Dulce de leche auf die Hüfte werfen, kommt auch schon das OK von Fede. Alle glücklich – und ich erst!
Nachdem ich gehört habe, dass Ana heute nachmittag zuerst mutterseelenallein, dann unterstützt vom grossen Bruder Federico auf der Suche nach einer Parrilla durch Villa Crespo gegeistert ist… Um dann unverrichteter Dinge wieder in den Zug gen Heimat zu klettern! Nun hat das alles ein Ende und wird bestimmt toll. Die Leute vom Babieca werden einen Tag vor dem Fest anrufen – nur für den Fall, dass wir mehr oder weniger werden. Alles nett, alles professionell.
Wir beschließen den Abend mit einem Lächeln, zu dem unsere Rechnung noch wesentlich beiträgt. Unser Dinner hat mit allem drum und dran 4400 Pesos gekostet. Western Union und dem dollen Wechselkurs sei Dank: Das sind 22 Dollar. Übrigens wäre es sogar zum offiziellen Umrechnungskurs mit 44 Dollar noch ein Geschenk…
Das Einzige, das uns ficht: Wir haben keinen dringend benötigten Cognac im Haus. Das wird uns morgen wohl ins armenische Viertel der Stadt treiben. Es lockt der Ararat…