Haus-Arbeit

Juan Carlos ist schon kurz vor 10 unterwegs, um beim Colegio de los escribanos, den Notaren, noch einen weiteren Stempel für unsere Autopapiere zu besorgen. Langsam beginnen wir zu begreifen, weshalb viele ihre Autos aus Europa mitbringen (auch wenn es beim Import manchmal ebenfalls sehr sportlich zugeht). Derweil genieße ich einen kleinen Spaziergang durch unsere sonnige Calle und bringe zwei Tütchen in die Wäscherei. Soll morgen Nachmittag alles fertig sein. Vielleicht ja, vielleicht nein.

Da um elf die Putzfrau kommen soll, frühstücke ich zuhause, schnipple eine Banane in meinen Joghurt. Leider gibt es nicht einmal in den ganz großen Supermärkten Quark, aber wenigstens dort – und nur dort! – Naturjoghurt. Zwar wird hier viel Joghurt gegessen, aber immer schön mit naturidentischen (…) Aromastoffen verfeinert. Allein von der Geschmacksrichtung Vanille habe ich vierzehn verschiedene Sorten/Hersteller gezählt.

Theoretisch müsste es heute endlich mal ein ruhiger Tag werden. Das Auto ist noch nicht vermessen, wir müssen mit Gustavo, dem Garagenmanager, sprechen, weil die Franzosen deshalb so billig (10 Dollar/Tag) in La Recoleta parken, weil die Kiste wochenlang nicht bewegt wurde und deshalb irgendwo in Reihe drei ganz hinten steht. Samstag soll dann ja der Prinz kommen und den Nissan wachküssen. Das Auto weiß noch nicht, dass es nicht mehr Ralph heißen wird. So haben ihn die Franzosen nach einer comicfigur getauft:-) Nun wird Ralph wohl namenlos bleiben. Oder hat (etwa) jemand einen Vorschlag für einen Namen?!?

In diesem Moment erreicht mich die Eilmeldung der New York Times, dass in Österreich in einem Kühlwagen die Leichen von 50 Flüchtlingen gefunden wurden. Wo will diese Welt eigentlich hin? Natürlich verfolgen wir die dramatischen Ereignisse auch von hier aus. Es ist richtig, richtig furchtbar, was geschieht!

Es ist kurz vor elf und Juanca ist schon wieder da. Der gestempelte Zettel braucht seine Zeit 🙂 Wir fahren gegen eins gemeinsam wieder hin, um ihn abzuholen, gehen vorher in ein Deli gegenüber, um die Putzfee in Ruhe wirken zu lassen.

Mit dem Bus geht es dann zum Coleman. Wieder Schlange stehen, aber es klappt wenigstens: Ein enorm amtlich aussehendes Dokument vervollständigt nun unsere Unterlagen. Das Colegio ist ganz in der Nähe der Garage, also nehmen wir den Zollstock in die Hand und vermessen im Schein einen Taschenlampen-Funzelbeleuchtung alles. Von einer Sekunde zur nächsten ändern wir unsere Pläne: Wir werden das Auto nicht mit einer Koje versehen. Basta. Wenn wir unbedingt einmal darin schlafen müssen, werden wir das improvisieren, ansonsten haben wir ein Zelt, cabañas, Hostels und Hotels. Es ist ein bisschen wie ein Befreiungsschlag. Sollten wir zu viel Gerümpel im Gepäck haben – so what! Wir parken es bei Ana oder Federico. Oder versenken es im Rio de La Plata 🙂

Zu Fuß machen wir uns ganz beschwingt und bei herrlichen Frühlingstemperaturen auf den Weg zum Friedhof La Recoleta, Evita besuchen… In dieser Gegend stelle ich wieder einmal fest, wie sehr die wohlhabenden Argentinierinnen den Französinnen vergangener Zeiten ähneln. Viele sind sehr, sehr klein, wiegen kaum ein paar Kilo und sind höchst kokett. Ein perfektes Make-up ist eine Selbstverständlichkeit, ein inniges Verhältnis zu einem hervorragenden plastischen Chirurgen eine andere. Chanel aus allen Epochen wird getragen, aber auch ein bisschen Pucci und Valentino. Nur manchmal wird das Bild dadurch gestört, dass sich die Püppchen zwischen 20 und 95 Jahren brikettartige Schuhe mit zehn Zentimeter-Plateaus antun. Das mag ein langes Bein machen, sieht beim Gehen aber nach einem schweren orthopädischen Problem aus.

Übrigens gibt es hier auch sehr schicke Männer in feinsten Anzügen, handgenähten Schuhen oder auch mal Slippern ohne Socken. Der leichte Kaschmirpullover gehört ebenso zum Outfit wie Krawatte oder Tuch, jedenfalls Hermès.

Bei so viel elegantem Leben zieht es uns mal zu denen, die der hier flanierenden Generation das alles ermöglicht hat: zu den Verstorbenen mit den großen Namen, die auf dem Friedhof von La Recoleta ihre letzte Ruhe gefunden haben. Ich finde viele Namen wieder, die ich kenne, denn nach den ganz Reichen, ganz Mächtigen, manchmal sogar ganz Honorigen wurden die großen Avenuen benannt. Inmitten der Pracht gibt es auch einige Grabstätten, die völlig vernachlässigt wirken. Und natürlich die Duartes, deren berühmtestes Mitglied für immer Evita bleiben wird. Zwei Amerikaner stehen vor der Grabstätte, aber der nächste Touristenstrom ist längst im Anmarsch. Um Evitas Grab auf dem großen Friedhof zu finden, muss man eigentlich nur dem Strom der Touristen folgen.

Wir haben es plötzlich eilig, den Toten zu entkommen, springen ins Taxi und fahren in die Stadtmitte, um Federico auf ein Käffchen in einer Bar zu treffen. Schnacken ein bisschen, erzählen von unseren Behörden-Abenteuern, knabbern empanadas und gehen wieder getrennter Wege. Unserer führt direkt in die knallvolle U-Bahn und damit zurück nach Hause. Heute Abend haben wir, man glaubt es kaum, nix vor. Wahrscheinlich läuft das auf Pizza, Wein und Fernsehen hinaus 🙂

4 Kommentare zu „Haus-Arbeit“

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