Der Himmel ist ein bisschen bedeckt, das Thermometer gibt bei 22 Grad auf. Unsere Golfbags liegen bisher unberührt seit fast 4000 Kilometern auf der Rückbank des Autos. Und hier, in der Gegend um Estepona, gibt es mehr Golfplätze als, sagen wir mal: Bäcker. Es wird also höchste Zeit!
Juan zirkelt das Auto aus der Tiefgarage – wer immer das sich hier ausgedacht hat, fühle sich geohrfeigt – und wir gucken mal.
Huch! Was ist das denn? Drei Golfplätze, quasi auf Baustellen. Wir sind architektonisch hoch privilegiert in unserem Hang-Komplex, wenn man mal kurz ins Hinterland guckt. Wie Bienenwaben kleben da die Apartments an den Hügeln, dekoriert von Kränen und Baulärm. Mittendrin entdecken wir ein Paar, das hinterm Bauzahn versucht, einzulochen. Das also ist Golfplatz Nr. 1. Der nächste ist – wie übrigens auch der übernächste – vergleichbar. Dagegen ist sogar unser Club in Moorfleet Luxus. Lässt sich ja nicht ändern: Die bags bleiben, wo sie sind.
Aber wir nicht. Wir brauchen – wie Rennpferde (auch: Rennmäuse) – Auslauf und fahren die zehn Kilometer nordwärts nach Estepona, also in die Stadt. Geparkt wird fast direkt am Hafen. Schöne Yachten, feine Boote, eine gut ausgebaute Promenade am breiten, sandigen Strand. Kaum Leute und inzwischen 25 Grad – das ist schon sehr gemütlich. Nach ein paar Kilometern zu Fuss an der Küste sehen wir mit langem Hals einen Kirchturm. Warum uns diese Bauwerke magisch anziehen – wer weiss? Aber zum Glück laufen wir in die Altstadt.
Hach! Liebevoll restaurierte Häuserzeilen mit blühenden Blumen, vor der Tür sitzende Omas und Handy bearbeitende Enkel. Das alles passt gut zusammen und versöhnt uns schockartig mit der ganzen Gegend. Müsste man sich aus irgendeinem Grund in dieser Gegend niederlassen, dann sicher in der Altstadt von Estepona und keineswegs in den Urbanizationes. Häuser zu kaufen oder mieten gibt es en masse.
Eigentlich wollen wir noch eine zweite Kirche besichtigen, nachdem die erste schon geschlossen war, aber davor findet gerade eine Hochzeit statt. Die Gesellschaft hat sich fein gemacht. Ausladende Hüte, putzige Fascinators, Damen in lang, Herren in weissen Anzügen zu Espadrilles. Es kreisen die Freixenet-Flaschen, aber wir ziehen weiter. Es wäre wirklich blöd gewesen, hier nicht durch die Gassen zu laufen!
Nach unserem Erkundungstrip landen wir wieder auf der Promenade, versöhnt mit der Moderne, weil das Traditionelle erhalten geblieben ist. Um nicht zu dehydrieren gibt es ein kühles Bier in einer Bar mit den Füssen im Sand. Noch ist alles frei, aber in ein paar Wochen wird auch an dieser schönen Bucht die Hölle los sein. Wir geniessen die Ruhe…
Bevor wir wieder in unseren „room with a view“ zurückkehren, gibt es einen Stop chez Lidl: Wir brauchen Wein und dies und das, finden dazu frische Garnelen fürs Abendessen. Eine Pause auf dem Balkon, dann wird aus viel, viel Knoblauch, gewürztem Salz und Chili die Badewanne für die Garnelen gebastelt. Dazu gibt es einfach einen bunten Salat, frisches Brot und eiskalten Weissen.
Unterm fast vollen Mond sehen wir die ISS vorbeihuschen, gegenüber die Feuer von Afrika, vor uns ein paar tramp ships auf Reede und hören zu, wie das Geräusch des Meeres langsam den der Autovia übertönt. Dazu spielen wir über Amazon music in einer Endlosschleife eine der faszinierendsten CDs von Paolo Conte. Noch viel mehr „hach!“ statt „huch!“…
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