Das Thermometer zeigt 33,9 Grad an. Trotzdem scheint es wirklich angenehm zu sein an diesem Morgen in Saigon. Wie man sich täuschen kann: Kaum fünf Minuten auf der Straße, sind wir schon wieder wie aus dem Wasser gezogen. Fast 90 Prozent Luftfeuchtigkeit… Zuviel zum Wandern, gut fürs Kulturprogramm.
Als erstes stehen wir nach einem Bummel durch den Central Park der Stadt vor verschlossenen Türen des Regierungspalastes von vor 1975. Der Doorman unseres Hotels hat uns zwar von Taschen- und Handtaschendieben besonders in dieser Gegend gewarnt (Handtasche für mich kein Problem, ich habe baggy Shorts und trage alles wie Harpo Marx bei mir), aber von besonderen Öffnungszeiten war keine Rede. Selber schuld, hätten wir ja nachgucken können. Gut, dann gucken wir uns eben Notre Dame an, ein Vermächtnis der französischen Kolonialzeit. Auch zu… Zum Glück ist wenigstens die beeindruckende alte Post gegenüber geöffnet. Groß wie eine Kathedrale, bestens erhalten. Pfiffig finden wir die Idee, aus den alten Telefonkabinen ATMs zu machen. Aber irgendwann ist auch die Post angeguckt. Was machen wir? Richtig: eine Pause. Gleich um die Ecke ist das Café Propaganda, in dem wir ganz zufällig landen. Ein bisschen wie im Quartier Latin… So auch das Publikum. Viele Expats, zahlreiche wohlhabende Vietnamesen, die sich direkt vors Café fahren lassen und somit von Klima- zu Klimaanlage springen. Hier ist es très chic, ein Grund, ein bisschen zu verweilen und zu gucken. Stylisches Ladys auf schwindelerregend hohen Absätze, Herren in handgenähtem Hemden und Budapester Schuhen und dem Flanell…
Den frühen Nachmittag wollen wir dann aber doch im Kriegsmuseum verbringen, wohl eines der wichtigsten im ganzen Land mit über 500 000 Besuchern im Jahr. Das ist auch nicht sonderlich weit entfernt, also machen wir uns auf den Weg. Wir kommen ungefähr 100 Meter weit, bevor es anfängt zu regnen. Sprint ins nächste Café…
Das Wetter verbessert sich nicht wesentlich, deshalb nehmen wir ein Taxi zum „War Remnants Museum“. Der Fahrer kann zwar kein englisch, aber er versteht den Plan und ahmt zur Bestätigung Maschinengewehr-Feuer nach. Für 15 000 Dong, also 75 Cent, kaufen wir die Eintrittskarte in die Vergangenheit, in die grauenhafte Geschichte des Vietnam-Krieges. Draußen stehen amerikanische Flugzeuge, Panzer und Geschütze, im Inneren des Museums erwarten uns bildliche Darstellungen des Krieges, darunter eine umfangreiche Sammlung von Fotos der Kriegsberichterstatter aus Vietnam und aller Welt, die in diesem Krieg gestorben sind. Natürlich sind die berühmten Life-Reportagen zu sehen, aber auch Fotos, die wohl nie an die große Weltöffentlichkeit gelangt sind. Ich beobachte eine Frau um die 70, augenscheinlich eine Amerikanerin, die beim Anblick der Bilder einen Siegelring an ihrer rechten Hand küsst. Für sie haben die Erinnerungen an diesen Krieg ganz offenbar noch eine ganz andere Bedeutung.
Eigentlich hieß das dreistöckige Haus einmal „Museum der amerikanischen Kriegsverbrechen“, aber seit den 90er Jahren haben sich Vietnam und die USA wieder lieb und man hat den Namen geändert. Wenn noch einmal bildlich in Erinnerung gerufen wird, was sich im Vietnam-Krieg abgespielt hat, ist es verwunderlich, dass sich überhaupt irgendein Westler in dieses Land wagen darf. Natürlich sind die Folgen der chemischen Waffen, inkl. Agent Orange, ein großes Thema, die bis heute zu Fehlbildungen bei Neugeborenen führen. Aber es scheint wirklich so zu sein, dass Kultur und Religion der Vietnamesen das Leben im Jetzt zelebrieren, die Vergangenheit ruhen lassen. Anders wäre ein Miteinander wie wir es hier erleben nicht möglich.
Der Regen hat aufgehört, wir werfen noch einen Blick in die grauenvollen Verliese, Folterkammern und Tiger Cages. Wozu Menschen fähig sind…
Kaum sind wir im Hotel, fängt es wieder ordentlich an zu regnen. Eine erholsame Regelmäßigkeit.
Vietnam: American Holocaust
Que cierto es lo que decís, pero el ser humano sempre mira al futuro, por suerte!!. Pero no hay que perder la memoria