60. Jahrestag der Befreiung Hanois von den Franzosen durch die Kommunisten – die Hauptstadt hat sich zum 10.10. aufgerüscht: Lampions und Ornamente, Blumenschmuck und stilisierte Lilien, die rote Fahne mit dem gelben Stern überall – voilà. Wir fragen mal an der Rezeption nach, was es denn so an Veranstaltungen geben wird, aber da ist nichts zu berichten. Dafür erfahren wir en passant, dass das Ho Chi Minh Mausoleum bis November wegen Renovierung geschlossen bleibt. Man kann aber den Park besichtigen. Und die Fische, die Onkel Ho immer gefüttert hat. Und die einsäulige Pagode. Alternativ sei aber das französische Viertel sehr schön. Das passt ja prima
Zunächst haben wir noch einen kleinen Waschtag im Zimmer und dann müssen wir uns ja auch um unsere Zukunft kümmern. Zunächst einmal werden wir am 12. einen Tagesausflug in die Halong Bucht machen. Das wird mit 12, 14 Stunden zwar ein stressiger Tag, aber wir haben noch weniger Lust, mit dem ganzen Gerümpel für zwei Nächte auf irgendeinen Seelenverkäufer, alternativ einen irrsinnig teuren Luxuskahn zu ziehen. Wir wollen die Bucht mit den 3000 Karstinseln mal sehen, aber wir kennen ja schon den Li River mit dem terrestrischen Gegenstück. Außerdem wollen wir weder eine Perlenfabrik besichtigen, noch Gewebtes von Minoritäten erstehen – also vier Stunden durch die Bucht tuckern und retour nach Hanoi. Dort machen wir es uns dann noch am 13. gemütlich (das kann ja was werden) und fahren am 14. mit dem Zug in knapp 13 Stunden nach Süden, nach Hue, in die alte Kaiserstadt. Da haben wir uns dann ein feines Hotel mit großem Pool ausgesucht und planen, halbtags die Stadt anzugucken, halbtags am Pool rumzugammeln.
Und genau deshalb sind wir jetzt los ins französische Viertel; hier soll es englische Bücher geben. Der Verkehr, die ganzen Roller – regt uns alles nicht auf. Wir schlendern drauflos und lachen, dass es überhaupt ein französisches Viertel gibt – die ganze Altstadt ist doch très français! Aber gut: es gibt dort, östlich vom See, Cafés, die Lautrec heißen und ein Restaurant im Institut français, das Fast Food serviert… Das schöne Opernhaus ist von vorn kaum zu sehen, dort wird gerade eine Bühne aufgebaut. Doch noch Libération? Wir finden auf jeden Fall einige Buchläden, ich kaufe mir ein paar Thriller für Bus, Zug und Pool, gegen drei sind wir zur Siesta im Hotel. Jetzt wäre ein Pool schön!!!!!!! Geht aber auch ohne, und heute Abend sind wir sowieso wieder auf der Straße. Freitags und samstags gibt es in Hanoi einen Nachtmarkt. Nicht ohne uns!
Sie haben die Straßen rund um den See abgesperrt, dazu wichtige Hauptstrassen an Knotenpunkten. Überall Militär und Polizei. Wir hätten es ahnen und auf dem Absatz kehrtmachen müssen. Haben wir aber nicht und sind so in einer unvorstellbaren Menschenmenge gelandet. Ganz Hanoi hat sich auf den Weg gemacht, um am See dann doch noch die Befreiung von den Franzosen zu feiern. Der Menschenstrom reißt keine Sekunde ab. Alte, Junge, Greise, Säuglinge – alle unterwegs. Und mittendrin wir mit leicht aufkommender Panik. Klar, am See würden wir nicht mitdrängeln, aber wohin? Wir entscheiden und, Richtung Oper zu gehen – gegen den Strom. Und es war anstrengend ! Gelandet sind wir schliesslich im Café Lautrec im feinen Hotel L’Opéra. Uns ist inzwischen alles egal. Koste es, was es wolle, nur weg von der Menge und hinein in einen klimatisierten Raum. Natürlich ist es für vietnamesische Verhältnisse wirklich teuer hier und die Portionen sind an die Nouvelle Cuisine angelehnt, also winzig. Es gibt Goldbrasse an irgendwas für Juan, gefüllte Hühnerbrust an irgendwas anderem für mich. Das Brot vorab ist frisch, die Knoblauchbutter köstlich, das Dessert – Crêpe mit Vanilleeis in einer Dulce de leche Sauce – belanglos. Faszinierend ist aber der Menschenstrom vor den großen Fenstern, der einfach nicht abreißt. Wir sitzen kühl und geschützt und beobachten die sich sammelnde Menge. Punkt neun beginnt unter Riesenjubel ein Feuerwerk, das exakt 15 Minuten später endet. Die Menschen vor unserem Fenster ändern sofort ihre Gehrichtung um 180 Grad – es ist schwarz vor den Fenstern. Natürlich müssen sie zurück zu ihren Rollern, in die Busse, zu Fuß nach Hause. Wir geben ihnen ein wenig Zeit, doch viel zu wenig und landen mittendrin im Chaos. Die Straßensperren sind aufgehoben, der Verkehr bis zum Stillstand zusammengebrochen. Plötzlich Polizeisirenen: eine Kolonne biegt in die knallvolle Straße ein. Der erste Wagen macht den Lärm, aus den Fenstern beugt sich Militär mit einsatzbereiten Schlagstöcken in der Hand. Für den Fall, dass jemand nicht sofort zur Seite springt. Gefolgt wird dieser Einsatzwagen von einigen Limousinen und Kleinbussen – die Bonzen fahren nach Hause. Ab durch die Mitte. Wie sonst? Erstmalig erleben wir hautnah, dass wir uns hier eben nicht in einer Demokratie befinden. Wir schlagen Haken, suchen Auswege, landen in Sackgassen, hechten wieder zurück. Im Hotel angekommen sind wir in Schweiss gebadet, was nicht nur an den 30 Grad Außentemperatur liegt, und fix und fertig. Vielleicht hätte man sich im Lautrec einfach langsam betrinken sollen…
Hanoi „Liberation“
Hanoi ist ja der Hammer, street – food vom Feinsten. Gefällt mir suppä. Da möchte ich niemals hin – ha noi! (schwäbisch)
In Wirklichkeit ist es unbeschreiblich. Heute wäre ich fast über ein Huhn gestolpert, das dämlich vor einer Autowerkstatt brütet. Ist einfach irre: du drehst den Kopf um 5 Grad – und schon wieder etwas ganz Neues. Dazu die Gerüche! Mannomann! Heute haben wir eine Abkürzung genommen und sind in einer Knoblauchgasse gelandet. Die heißt so, weil da Knoblauch verkauft wird
und zwar von jedem der 20, 30 Händler.
Gut ist auch: morgens kommst du an einem Laden (naja…) vorbei, da liegt ein gerupftes Huhn. Paar Stunden später liegt es wieder da. Gekocht. Und abends geröstet. Dazu putzt ein Ömchen Gemüse… Ach, 1000 Sachen, jede Sekunde. Aber das Gehupe, das macht einen manchmal meschugge…