Sevilla – Marathon durch 1000 Jahre Geschichte

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Die beste Entscheidung des gestrigen Abends beim eisgekühlten Hierbas: die Verlängerung in Sevilla um einen Tag. Uns wäre wirklich einiges entgangen!

 

Wir frühstücken in einer Bar, die der Bar namens Bar im römischen Trastevere verdächtig ähnlich ist. Irgendwie zieht es uns immer wieder in diese wunderbaren Kneipen. Juan trinkt einen Kaffee und isst mit Messer und Gabel ein klebriges Croissant (das liegt am Honig-Guss), ich entscheide mich für heisse Schokolade mit Churros, diese fettgebackenen Teilchen. Grober Fehler, viel zu schwer. Aber das rennen wir alles bald schon wieder ab.

 

Kurz nach elf betreten wir die grösste gotische Kathedrale der Welt, die Heilige Kirche von Sevilla. Ja, wir haben Eintritt für die Kirche bezahlt, vier Euro pro Person als Senioren – das war aber jeden Cent wert. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Grösse des 1000-jährigen Baus, der auf einer Moschee entstand, ist wahnsinnig. Dann die Kunstwerke, die mehr als 60 Kapellen zieren. Gold und Edelsteiner, Silber und Prunk…

 

Dazu passt gut die Spiegel-Meldung von heute morgen: Im Vatikan wird mit dem Geld aus Opferstöcken ordentlich geaast. Die Kurie investiert in schicke Appartements und Luxusschlitten. Das führt bei den armen Katholiken zu Gemurre. Naja, anderes Thema.

 

Kurz vor der Genickstarre sind wir nun so beseelt von der Pracht dieses Sakralbaus, dass wir uns sogar an den Aufstieg auf den Giralda, den 100 Meter hohen Glockenturm der Kathedrale, machen. Wir lernen es ja doch nicht mehr. Es gibt zwar keine Treppe, sondern 35 Rampen, aber die ziehen sich. Und ziehen sich… Sie sind breit genug, dass der Sultan im 12. Jahrhundert mit seinem Pferd hinaufreiten konnte. Heisst es. Aber wir haben ja leider kein Pferd. Also weiter. Irgendwann sprinten ein paar Schulklassen vorbei – egal, wir kommen ja auch an. Erschwerend kommt hinzu, dass wir wohl die letzten mit Winterjacken sind. Bei 20 Grad tät’s auch ein leichtes Jäckchen. Aber trotz des schwierigen Aufstiegs lohnt sich der Weg: Die Aussicht ist atemberaubend.

 

Allerdings kommt uns auch ein Alptraum in den Kopf: Sevilla im Sommer bei 40 Grad und mit vielleicht hundertmal so vielen Touristen wie im Moment… Ganz klar: Im Leben wären wir nicht auf den Giralda geklettert!

 

Natürlich ist das Kathedralen-Ensemble längst (seit 1987) Weltkulturerbe, seit neun Jahren sogar „Kulturgut von ausserordentlichem universellem Wert“. Von so viel Wissen erholen wir uns erst einmal in einem Café. Das ist auch toll in Sevilla: Cafés, Bars, Kneipen gibt es an jeder Ecke. Wir trinken einen Café americano, essen dazu je eine „Flaute“, die spanische Entsprechung der französischen Flute: ein dünnes Körnerbaguette mit Schinken/Käse, bwz. Guacamole/Frischkäse.

 

Weiter geht es mit dem heutigen Marathon durch 1000 Jahre Kunstgeschichte: Der Alcazar von Sevilla (wir sind diesmal mit 3 Euro pro Nase dabei) gilt als eines der komplexesten und prächtigsten Gebäude der Welt. Wir schleichen durch Labyrinthe, sehen die kunstvollen Kachelwände an, die maurischen Stukkaturen und den liebevoll angelegten Park im Renaissance-Stil. Hier schnappten schon al-Mutamud, Ferdinand III, Peter der Gerechte, Isabella von Kastilien und Kaiser Karl I  Luft. Und nun eben wir, gemeinsam mit einem ordentlichen Schwung Chinesen, der später in die Zweispänner vor der Tür klettern wird.

 

Unsere Erschöpfung lohnt sich; es wäre wirklich schade gewesen, dieser Schätze Sevillas links liegen zu lassen. Wir schleppen uns bei sonnigen 20 Grad ins Hotel und legen erst einmal die Füsse hoch.

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