Es ist grau und kalt und bäh am Atlantik. Wir sind so genervt auf dieses Capoa-Do-irgendwas, dass wir nicht mal mehr an den Strand schauen. Abhauen! Das tun wir nach dem Frühstück Richtung Ruta do Sol und damit Richtung Berge.
Während wir so auf über 800 Höhenmeter in die Serra Gaúcha hochkraxeln, ändert sich die Natur dramatisch. Hatten wir in Ozeannähe viele Reisfelder und manchmal das Gefühl, in China zu sein, wird es jetzt eher alpin – mit einem Schlag Regenwald. Große Viehherden, Felder, vor allem Wälder links und rechts, bis wir Richtung Sao Francisco da Paula abbiegen. Über eine holprige Straße nähern wir uns einem urdeutschen Siedlergebiet. Hier wird, so heißt es, noch Hunsrück’sch aus dem 19. Jahrhundert gesprochen. Auch Bayrisch, Pommersch und Westfälisch soll im Angebot sein. davon hören wir zwar nichts. Aber: Mir bleibt die Luft weg bei all den deutschen Namen, die ich hier lese. Je tiefer wir in die Ruta romantica, die Romantische Straße, vordringen, umso deutscher oder deutschtümeliger wird es. Mit über 180 Kilometer Länge ist die brasilianische Romantikstrasse natürlich auch deutlich länger als ihr deutsches Vorbild. Wie alles in Brasilien mindestens zehnfach größer ist, so scheint es uns.
Es drängt mich wie Schmidts Katze: abhauen, nichts wie weg. Natürlich ist für Landschaft auf dem Hochplateau der Serra Gaúcha großartig, aber die Häuser mit echter oder angeklebter Fachwerkimpression – das muss man mögen. Orte wie Novo Persopolis fliegen an uns vorbei. In einem Kaff entgehen wir gerade noch Opas Terrassenkaffee, weil es geschlossen ist. Stattdessen mümmeln wir mittags in einer Confiteria irgendeinen Blödsinn. Die Ausmaße von Novo Hamburgo lassen uns erschaudern: Wir mögen das Original, das hier, das mal gleich mit dem Motel Bavaria aufzutrumpfen versucht, lässt uns kalt. Das Wetter ist zwar sensationell schön geworden, die Gegend ist oft bildschön, aber uns hält hier nichts.
Um bloß nicht wieder in so einer Mistbutze wie in der Nacht zuvor zu landen, beschließen wir, direkt weiter nach Porto Alegre zu fahren. In der Großstadt wird es ja wohl eine vernünftige Bude geben…
Wir landen für kurz über 40 Euro inkl. Frühstück und Garage in der Eco Residence in der historischen Altstadt. Modern. Zweckmäßig. Aus. Liegt aber gut, denn zu Fuß kommen wir noch ziemlich schnell zur Markthalle, dem mercado publico. Ach, diese Märkte sind doch immer schön! Auch dieser, der ungefähr 140 Jahre alt ist. Wir schlendern durch die Gänge, genießen die Aromen von Kaffee und Tee, beobachten die Schlachter, Fisch- und Obstverkäufer. So ganz nach unserem Geschmack! Genau gegenüber gibt es ein Restaurant, auf dessen Terrasse wir richtig gut essen und eiskaltes Bier trinken. Dazu gibt es auch noch Livemusik und viel, viel Lokalkolorit. Zurück ins Hotel geht’s dem Rat unseres Concierges folgend mit dem Taxi: Die Gegend hier ist ein bisschen düster und auch nicht so ganz sicher.
Aber wir werden unversehrt abgeliefert und schlagen uns nun mit einer wichtigen Frage herum: Wohin des Wegs? Geplant ist die Küste Uruguays, dann mal wieder nach Buenos Aires. Aber im frühen Frühjahr, das wir hier ja haben, ist es noch recht frisch. Vielleicht doch quer durch Brasilien nach Argentinien und dann hoch in den Norden Richtung Salta, Bolivien und/oder Chile? Das sind Fragen, die uns bewegen. Antworten haben wir heute noch nicht…