Früh morgens, in unserem wunderschönen Zimmer im Estrela no mar in der erwähnten Traumbucht, erreicht uns die Nachricht, dass unser lieber Freund Horst mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus liegt. Zum Glück geht es ihm schon wieder besser, er beflirtet garantiert das gesamte weibliche Krankenhauspersonal und soll in sieben Tagen wieder zu Hause sein. Wir drücken ihn und die Daumen.
Nach dem Superwetter gestern, mit dem sich die Bucht von uns verabschiedet hat, ist es heute wieder eher grau und trotz der 22 Grad wegen des Windes relativ kühl. Kurz nach 9 sind wir on the road again. Das erste Ziel liegt knapp zwei Autostunden südlich auf dem Festland: Praia da Rosa. Diese Bucht wurde von internationalen Travellern zu einer der zehn schönsten weltweit gewählt. Da sind wir aber mal gespannt. Der Weg zum Meer ist schon mal gruselig. Es ruckelt und zuckelt, tiefe Schlaglöcher und üble Untiefen. Auf einem Parkplatz halten wir kurz, weil wir noch nicht entschieden haben, ob wir den fiesen Weg wirklich weiterfahren wollen. Dort treffen wir auf ein paar Holländer, die zu einer Hochzeit nach Brasilien gekommen sind und mit Tränen im Auge nur knapp zwei Wochen bleiben können. Die Tränchen verstehen wir, als wir über einen Holzsteg durch ein Stück Regenwald an den Strand laufen. Toll! Ganz weiß, ganz weit, ganz leer. Ein paar Strandläufer, ein paar Surfer… Sehr idyllisch. Zurück auf dem Parkplatz sehen wir die Dächer einiger schöner Häuser und beschließen, dorthin zu schuckeln. Zum Glück! Zunächst halten wir an einem Hotel namens Mirador so Sul – ein Träumchen, das bei booking.com 9,7 Punkte hat. Ich gucke mich ein bisschen um, halte die Luft an auch wegen der beiden Yogamatten, die paradiesisch zum Meer ausgerichtet sind. Mensch, Mensch, das ist aber wirklich ein feines Plätzchen. Nicht so ursprünglich wie „unsere“ Bucht mit ihrem Fischerdorf, eher eine Hippiekolonie, allerdings mindestens mit der Goldkarte. Einige Villen sind luxuriös, Lage und Blick sind aber mit Gold kaum aufzuwiegen. Am Ende des Weges liegt das “ Radical“, ein Restaurant, wie es besser nicht liegen kann. Unverbaubarer Blick auf die Bucht, die Surfer im Auge – und ein Publikum, das sicher auch schon mal nach Punta Del Este oder St. Tropez reist.
Ganz kurz denken wir darüber nach, ein Strandhaus zu mieten und einfach ein paar Wochen hierzubleiben. Ganz easy in der Hängematte das Kommen und Gehen des Wassers beobachten… Wir entscheiden uns dagegen und rumpeln zurück in die Wirklichkeit. Die Huckelpiste zieht sich über ein paar Kilometer und ist nervig. Das ist uns in Brasilien ja schon häufig aufgefallen: mondäne Orte, aber miese Strassenverhältnisse.
Über die autobahnähnliche Schnellstraße geht es weiter nach Süden Richtung Torres, weil wir am Meer übernachten wollen, bevor es morgen querfeldein in die Berge geht. Der Süden Brasiliens ist eine wohlhabende Gegend: viel Holz- und Textilwirtschaft, keramische Betriebe und Ziegeleien. Auch in der südlichsten Provinz – wir verlassen Santa Catarina und fahren nach Rio Grande Do Sul – ist der Wohlstand sichtbar und spürbar. Gegen vier biegen wir Richtung Torres ab und erschrecken heftig, als wir die Skyline mit ihren dicht gebauten Hochhäusern sehen. Nee, nee, nicht mit uns! In letzter Sekunde springen wir auf die Autostrada do Sul, um ein hübsches Plätzchen am Atlantik zu finden. Schwerer Fehler! In Torres hätte es Hotels und Restaurants gegeben, in den folgenden Badeorten: nichts. Alles geschlossen, alles düster, alles trostlos. Kilometer um Kilometer gucken wir, finden nichts, sind ziemlich frustriert, weil es mittlerweile auch schon dunkel wird. In Capao do Canoa muss es doch etwas geben… Auch hier: ein Ding nach dem anderen geschlossen. Wir landen schließlich im Xangrila Praia Hotel, das so belanglos ist, dass wir es morgen Mittag hoffentlich wieder vergessen haben. Aber es ist offen. Kostet keine 30 Dollar. Und es liegt am Ende der Welt. Wir haben Hunger und Durst, und damit geht das Problem los. Was immer in nächster Nähe sein mag – es ist geschlossen. Also laufen wir los. Und laufen. Und laufen. Sieben, acht Kilometer nördlich unseres Hotels finden wir ein offenes Restaurant, in dem sich fünf Kellner langweilen. Es gibt Platz für über 100 Menschen; außer uns sind gerade noch vier weitere da. Der Kellner kommt aus Uruguay und ist entzückend. Wahrscheinlich ist er ähnlich froh wie wir, endlich mal wieder spanisch zu sprechen. Jedenfalls versorgt er und nicht nur mit Fleisch, Salat und Bier, sondern auch mit Informationen über die Provinz. Und schließlich ruft er uns auch noch ein Taxi. Leider, leider trauen wir uns nicht, den Fahrer zu fotografieren, wie er an seiner Mate-Bombilla nuckelt, den breitkrempigen Hut tief ins Gesicht gezogen. Morricone hat wahrscheinlich beim Anblick solcher Typen komponiert…