Sanary. Mai am Meer.

Wir haben uns in diesem Jahr an verschiedenen Orten viel Zeit gelassen. Und spätestens in den sechs Wochen in Thailand den Charme des längeren Verweilens entdeckt. Ob es diese Entdeckung war oder die unbändige Lust aufs Mittelmeer, die uns bereits in Laos dazu verleitet haben, in Sanary-sur-mer quasi einen ganzen Monat zu verbringen und auch sofort zu buchen, können wir nicht mehr rekonstruieren. Irgendwas hat uns bewogen, unbedingt mal wieder nach Frankreich zu wollen. Schwer zu sagen, was es genau war, aber wir hatten denselben Gedanken.

 

Fast noch schwerer zu kapieren, dass dieser Monat am Mittelmeer nun auch schon wieder rum ist. Was haben wir in diesem eher winzigen Hafendorf eigentlich getrieben? Uns wohlgefühlt in unserer Bude mit Terrasse und unverbaubarem Blick auf die Pointus, die bunten Fischerboote. Und das Gewusel vor der Tür und im Wasser. Geächzt und gestöhnt wegen der engen Treppen, ohne die wir den Blick aus unserer Wohnung nicht gehabt hätten. Aber auch tiriliert, wenn die Sonne schien (was sie überwiegend tat) und am Anfang des Monats geklappert, weil es noch so kalt war (und die Heizung angeworfen).

 

Sanary. Das ist für uns wieder einmal ein Seelenstreichler, das sind die besten Baguettes und Croissants in der Boulangerie du Port, das ist sicher auch der täglich stattfindende Markt unter den Plantanen hinterm Tourist office. An dem übrigens eine Gedenktafel über viele der Emigranten nachzulesen ist, die hierher vor Hitler und seinen Nazis geflohen sind. Thomas Mann. Heinrich Mann. Klaus Mann. Erika Mann. Erich Maria Remarque war da, dazu viele andere Dichter und Denker. Ich schweife mal wieder ab.

 

Schon sofort nach der Ankunft haben wir eine tägliche Routine entwickelt. Jeden Morgen vorbei an der riesigen, staubigen Baustelle über den gesamten Quai zum Bäcker, dann auf den Markt, im Super U alles einkaufen, was sonst noch fehlt. Immer nur winzige Mengen, denn das Ritual wiederholt sich ja täglich. Auf dem Rückweg irgendwo in eine Bar gelümmelt und einen Allongé getrunken, einen mit heissem Wasser verlängerten Espresso. Machmal gab es dazu ein Croissant, manchmal ein Pain au chocolat. Reine Sünden. Wunderbar.

 

Nach einem späten Frühstück hat sich jeder irgendwohin verkrümelt und gelesen. Erst gegen vier, fünf wieder an den Hafen: Das Abend-Baguette kaufen und in einer Bar einen Wein („deux blancs du pays“, manchmal rosé, nie rot vor Sonnenuntergang) trinken.

 

Dieser Apéro ist pure Schaulust. Denn vorbei an den Cafés muss jeder. Eilige Muttis, zottelige Rentner, die Herren mit den Boule-Säckchen, die Damen mit dem Glitzerschmuck, die strahlenden Kinder und die mauligen Teens. Wohl nur an der Côte d‘Azur (so man Sanary als äussersten Westposten dazuzählt, was Touristiker tun) gibt es so viele Männer aller Altersklassen in allen erdenklichen Rosatönen. Pinkfarbene Hosen, dazu gekrempeltes Hemd in Pastellpink, kräftiges Rot im um die Schulter geschlungenen Pullover. Und alle, alle Varianten dazu. Das Complet gibt es auch noch in Orange, Grasgrün, Yves-Klein-Blau oder sonst wie farbenfroh. An Ost – oder Nordsee mit den zurückhaltenden Beigenuancen fast schon skandalös, hier einfach nur fröhlich. So auch die Klamotten der meisten Frauen. Luftige Boho-Kleider, flatternde Hemden, enge oder ganz weite Hosen, lange oder ganz kurze Röcke, Shorts zu jeder Art von Po (immer in den ungünstigsten Fällen mit bauchfreiem Top), ziemlich viel Schmuck, ziemlich viel Glitzer. Pflicht sind Sonnenbrille und Hut, alles andere kann improvisiert werden.

 

Unser Auto steht safe and sound in der Tiefgarage, Ausflüge machen wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit dem Zug nach Marseille (wir müssen dort unbedingt mal länger bleiben!), mit dem Bus nach Toulon (der marché provençal ist einfach zauberhaft) oder in die Nebenbucht nach Bandol zum Frühstück und neugierigem Boutiquenbummel (ich habe jetzt wirklich goldfarbene Schuhe!).

 

Zu Fuss sind wir schon mal nach Six Fours an den breiten Strand getapert, aber eigentlich mit Ausnahme von Ausflügen fast immer in einem Radius von 500 Metern um unsere Hütte geblieben. Langeweile? Nie. Heute haben wir bemerkt, dass wir in der ganzen Zeit  nur ein einziges Mal in einem Restaurant gegessen haben, nämlich mitten in Marseille. Sonst wurde einfach zuhause gekocht (deutlich mehr von Juan).

 

Heute ist ein merkwürdiger und auch ein bisschen wehmütiger Tag, denn wir müssen die Klamotten zusammenwerfen und packen. Ab Morgen ist es dann erst einmal vorbei mit dem Charme des längeren Verweilens. Es zieht uns nach Westen. On the road again.

2 Kommentare zu „Sanary. Mai am Meer.“

  1. Deine/Eure Liebe zu Frankreich, Sanary und die Cote offenbart sich in diesem liebevollen Text.
    Sehr schön, kann ich gut mitfühlen.. sofern Krokos fühlen können..

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