Sanary. Toutes directions.

Der letzte Blick von der Dachterrasse ist ein bisschen unwirklich. Aber weil die Bauarbeiter zu unseren Füssen ausgerechnet heute so einen Lärm veranstalten, hält sich der Abschiedsschmerz in Grenzen. So. Noch einmal mit dem feuchten Lappen für Ordnung sorgen, Rucksack schultern und los.

 

Das erste Ziel liegt nordwestlich von Marseille, Saint-Remy-de-Provence. Aber der Weg dahin! Einfach grandios. Nur über Land- und kleinere Strassen schieben wir uns durch zauberhafte Platanenalleen, halten die Luft an bei grandiosen Aussichten auf Felsmassive, sind beeindruckt von der Rhone, dem mächtigen Kerlchen, in dessen Maul, der Bouche, wir gerade herumkreuzen. Hat man schon so grosse Weinplantagen gesehen? Oder dermassen intensiv leuchtenden Mohn? Einziger Störenfried: Ab Aubagne wird der Himmel dunkler. Viel dunkler.

 

Wir wollen das Wetter einfach mal ignorieren und parken bald in St. Remy de Provence. Niedlich. Das trifft es wohl. Aufwändige Galerien, putzige Boutiquen, viele deutsche Touristen. Überhaupt alles für Touristen. Was es zu sehen gibt, haben wir bald im Griff. Das van Gogh-Museum bleibt verschlossen. Montag eben. Van Gogh hat mehrere Jahre hier gelebt und gemalt. Bildung am Rande.

 

Mit scheelem Blick nach oben machen wir uns bald wieder auf den Weg. Das nächste Ziel ist Uzès, ein weiteres Kleinod der Provence. Dessen grösstes Highlight, den Samstagsmarkt, der als schönster der Provence gilt,  bekommen wir ohnehin nicht vors Auge, aber auch sonst sieht es trübe aus. Es regnet wie aus Eimern. Trotzdem geniessen wir den Weg, luschern auf Höhen und in Tiefen. In Uzès kramt Juan einen maroden Schirm heraus, um uns vorm Gröbsten zu schützen. Aber es nützt ja nichts: Doof! Wir finden nach längerer Suche eine entzückende Karibin, die Sandwiches schmiert. Wir kauern uns auf klamme Stühlchen und nagen am Brot. Parallel dazu checken wir die Hotelsituation. Auch nicht sexy. Und was machen wir hier, wenn nicht herumlaufen? Schmerzloser Abschied: Wir fliehen mit dem Auto.

 

Wo ist das Wetter am wenigsten mies? Nîmes oder Alès? Wir entscheiden uns für den südöstlichen Zipfel der Cevennen, für Alès. Wieder schönes Land, viel Natur, viel Regen. Viel Knurren.

 

Alès, das sehen wir auf den ersten Blick, hat was vom gut verborgenen Charme von Castrop-Rauxel. Plattenbauten mit Schmutzfassaden. Was um Himmels Willen tun wir hier denn? Wenigstens regnet es nicht mehr in dieser ehemaligen Bergarbeiterstadt, die nicht mal mehr den Bergbau hat. Wir suchen ein Hotel, atmen kurz mal durch und streifen dann durch den Ort, dessen Charme weiter tief unter der Decke bleibt. Wie alle, alle anderen essen wir höchst mittelmässig im Restaurant des Hotels und schliessen mit dem Tag doch noch einem Lächeln ab. Einfach so, weil es uns ja gut geht. Morgen geht es in die Cevennen. Wahrscheinlich.

 

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