Rosie, wo bleibt das Niveau?

Sechs Uhr morgens, wir sind puppenlustig. Müssen wir auch sein, denn es liegt einiges an. Als Erstes mal einen Termin mit Aram in North Vancouver machen – das Auto soll in die Inspektion. Es wird heute geschehen, versichert der Mechaniker, wann genau, möge ich aber bitte um zwei erfragen. Gut, gut…

Nach einem schnellen Nachrichtenüberblick (Macron in allen Medien) und Frühstück erst einmal der grosse Moment: die Bettkonstruktion, also die bed frames, müssen in Rosie passen. Der Einbau ist noch relativ schnell gemacht, aber wir trauen unseren Augen nicht: Rosie, die Schlampe, hat überhaupt kein Niveau! Wir hatten bereits ein Gefälle von hinten nach vorn von zwei, maximal drei Zentimetern erwartet, aber was sich The Beast tatsächlich leistet, ist ein starkes Stück. 9 Zentimeter. Da ist nichts mehr mit Teppich-Rumschubsen oder Holz-Keilchen-Schummel: die Lage ist ernst. Juan rechnet, zeichnet, denkt nach, ich steh‘ vor allem nicht im Weg. Aber wie so oft nützt ja alles nichts – die Beine der Bank sind ganz einfach zu kurz, das Bett-Sofateil kann an zwei Beinen verlängert werden, damit das Fräulein an Niveau gewinnt.

Also wieder auf Achse. Doch alles der Reihe nach. Erst einmal haben wir ein Rendezvous mit Harald, der einen zweiflammigen Coleman-Gaskocher via Craigslist anbietet. Der Mann wohnt im Westend, einer mit Hamburg-Eppendorf vergleichbaren Gegend. Aber wer hat schon Zeit für Sightseeing? Wir nicht! Harald sieht ein bisschen aus wie Steve Jobs in seiner späteren Phase, pendelt zwischen dem Westend und seinem Apartment und Richmond und seinem Boot. Den Kocher braucht er nicht mehr, weil er sich einen richtigen Stove ins Boot gebaut hat. Wir schnacken ein bisschen, berappen 60 Kanadische, leiern Harald noch eine Gasflasche und ein feines, langes Feuerzeug aus dem Kreuz und verabschieden uns fröhlich.

Weiter geht’s Richtung Richmond. Aus zuverlässiger Internetquelle wissen wir, dass es hier einen absolut einzigartigen Schaumstoffhändler gibt. Ein Matratzen-Guru, sozusagen. Das passt auch insoweit gut, als wir mal wieder in Little India gelandet sich. Wunderschöne Menschen, die Frauen in bunten Saris, ihre Sikh-Männer mit kunstvoll geschlungenen Turbanen in leuchtenden Farben. Leider haben wir keine Zeit. Jon, the Guru, macht uns sofort Spass, versteht auch auf der Stelle, worum es geht. Gemütlich sollen die Matratzenteile sein. Und ein paar Monate halten. Er kramt ein Stück Schaumstoff unter Bergen von Bettauflagen hervor, wirft es auf ein Bettgestell und besteht darauf, dass ich mich niederlege. Auf die Seite! Nur so könne man die Qualität einer Schlafstatt beurteilen. Aha. Gekauft. Bezüge werden auch genäht, Mittwoch ab 15 Uhr abzuholen: Wenn Du mich rechtzeitig anrufst, beziehe ich Dir auch noch den Schaumstoff. Sehr gut. 230 Dollar und die Entscheidung, die Matratzen bordeauxrot beziehen zu lassen (Alternative: Jägergrün, Schwarz oder empfindliches Ivory, Navy ist aus) später stehen wir wieder auf der Fraser Street.

Gerade noch rechtzeitig kriege ich mit, was auf dem Schild des Mannes steht, den ich nach dem nächsten Home Depot fragen will: homeless, need money… Vielleicht nicht direkt der richtige Ansprechpartner fürs Home Depot. Also muss Uschi ran, die Juan schon in Hamburg auf Eventualitäten dieser Art programmiert hat. Wir verlassen die Sikhs und tauchen in China wieder auf. In den Autos neben uns, auf den Strassen, Beschriftungen, im Home Depot – alles chinesisch.

Zack, zack lassen wir uns neues Holz zusägen. Leider macht dieser Typ hier keine kleinen Präzisionsschnitte. Es wird noch eine Säge angeschafft, fertig. Anruf beim Schrauber Aram: Wir können um drei vorbeikommen.

Also hetzen wir einmal quer durch die Stadt, liefern Rosie beim Iraner in North Vancouver ab, haben plötzlich zwei Stunden Zeit und latschen über die Strasse zu einer Shopping Mall. Genau unsere Welt, denn Canadian Tire, ein technisches Kaufhaus, beherrscht das Center. Aber erst einmal müssen wir dringend etwas essen: Burger in einem irischen Pub.

Kurz nach fünf sind wir wieder bei Rosie. Diagnose: ganz ok. Vorderrreifen und Vorderbremsen 1a, hinten geht so. Was die Ursache für das Licht ist, bleibt weiter unklar, aber es ist aus. Solange Rosie keine Zicken macht, sollten wir die Situation gelassen betrachten. Sehr gern!

Wir drei fahren auf der Stelle nach Hause und Juan bringt lovely Rosie mit neuen Beinchen und geschraubten Unterlegklötzchen in die Balance. Pebbles guckt kurz vorbei, sie ist bester Laune und auf dem Weg zur Bandprobe. Sie spielt leidenschaftlich gern Bass und singt ein bisschen background. Das, was Juan hier gebaut hat, findet sie einfach nur grossartig. Recht hat sie. Es wird schon alles. Probeliegen ist auf jeden Fall schon mal lustig.

Gegen halb neun machen wir ein Bier auf, gucken ein bisschen The Voice of Canada und sehen in den Nachrichten Bilder von den Katastrophengebieten im Osten von BC, in Alberta bis Montreal. Gesprengte Schneebretter, Schlammlawinen, unterspülte Strassen, Evakuierungen… Oh, oh, das sieht ja im Moment düster aus.

Zeit fürs Dinner: hartgekochte Eier, Avocados, Tomaten, Toast. Und vielleicht noch ein Bierchen. Juan fallen die Augen zu, ich gebe vor, auf dem Quivive zu sein. Langsam sind wir urlaubsreif!

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