Durch Wälder und Auen

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Pärnu ist ein wirklich angenehmer Ort: Schöner Strand, reizvolle Altstadt, weitläufige Parks. Wir haben es keinen Moment bereut, hier fast eine Woche verbracht zu haben. Und vor allem sind wir wieder ziemlich fit.

 

Und weiter geht’s durchs wilde Estland. Theoretisch könnte man sofort auf die relativ gut ausgebaute Straße nach Tallinn (vergleichbar mit der B73) springen und schnurschnacks in die Hauptstadt fahren. 130 oder so Kilometer – keine Entfernung.

 

Aber wir wollen noch ein bisschen vom Land und von der Westküste sehen, haben uns Haapsalu als Etappenziel ausgeguckt. Ein altes Seebad.

 

Um den Weg dahin ein bisschen abenteuerlicher zu gestalten, quälen wir das Auto wieder über Schotter und Steine. So eine neue Hinterachse muss ja auch darstellen können, was sie drauf hat…

 

Hätten wir nicht den Weg über Töstamaa, Varbla, Kinksy und viele andere Winzorte gemacht, wären wir nie durch eine bezaubernde Seenplatte gekommen, hätten weder Reiher noch Kraniche beobachtet, die riesigen, goldenen Kornfelder versäumt und in dichten Wäldern nicht Ausschau gehalten nach auf Warnschildern angekündigten Elchen. Wirklich schön, dieses Estland, fast ein bisschen unwirklich…

 

Und wir treffen auf die Kneipe „Birgit“ (!), in der es sehr guten Kaffee und Pfannkuchen mit Erdbeermarmelade gibt. Die Kneipe, ein echtes Blockhaus, ist nicht nur wegen ihres Namens erwähnenswert, sondern vor allem wegen ihrer Existenz: Es gibt soetwas nirgendwo. In Estland kannst du außerhalb der größeren Orte stehenden Fusses verhungern: Zwar überall ein Koop, aber nirgendwo eine Gaststätte. Auch rund um die beliebten Ausflugsziele wie Nationalparks oder Ostseestrände sucht man vergebens: keine Bar, kein Café, kein Kiosk – nichts. Besser, man hat bei Temperaturen um 26 Grad ein Fläschchen Wasser dabei…

 

Dann Haapsalu. Hier wären wir eine Nacht geblieben, wäre es bloß ein bisschen hübscher gewesen. Ein Yachthafen, der irgendwie schlampig wirkt, viele, zum Teil auch sehr alte Holzhäuser, ein Handvoll Hotels, die vor allem eines gemein hat: Gemeinschaftsbad. Das teilt man sich dann für 80 Euro die Nacht mit dem ganzen Flur.

 

Wir entscheiden kurzentschlossen: Tallinn. Das sind noch knapp 100 Kilometer auf einer Landstrasse, also los…

 

Kurz hinter dem vokalreichen Badeort treffen wir auf richtig viel Verkehr: Weekender, die von der Insel Saarema zurück nach Tallinn wollen. Der Weg schleppt sich ein bisschen und wird dann nervig, wenn mal wieder einer fast an die Stoßstange  heranfährt, um ein halsbrecherisches Überholmanöver einzuleiten. Damit haben sie hier einen Knall: Entweder wird in Kurven überholt oder dann, wenn man fast schon das Weiße im Auge des Entgegenkommenden sieht. Gruselig! Manchmal haben wir auch das Gefühl, dass unser deutsches Kennzeichen zu nie erreichten Höchstleistungen anspornt.

 

Aber irgendwann kommen wir dann doch save & sound in Tallinn an. Wie alle fast Vorstädte ist auch die der estnischen Hauptstadt gesichtslos: Wohnblocks, shoppings, etwas Grün. Unser Ziel ist erst einmal die Innenstadt, um uns ein bisschen zu orientieren. Genau gegenüber der Altstadt sind Hafen- und Fähranlagen: Hier geht’s nach Finnland. Aber wir bleiben erst einmal. Online haben wir schon das Hestia Hotel Europa gesehen, direkt davor halten wir mehr oder minder zufällig. Das 4-Sterne-Haus kostet 50 Euro inkl. Frühstück plus 15 fürs Auto – wir checken mal für drei Tage ein. Das Zimmer im 6. Stock ist erfreulich groß, erfreulich hell, erfreulich bequem, unerfreulich klimatisiert. Ein Telefonat mit der Rezeption bringt uns nicht weiter: die Klimaanlage wird zentral gesteuert, lässt sich offenbar nicht regeln. Mal sehen. Zumindest lassen sich die Fenster öffnen…

 

Wir bleiben nur einen Moment, richten uns ein bisschen ein, werfen Wäsche ins Becken, weil es offenbar nicht mal in Tallinn einen Laundromat gibt. Auch egal. Noch haben wir „Rei in der Tube“.

 

Einmal über die Straße, schon sind wir in der Altstadt. Altstadt? Alles, was wir sehen, ist nietnagelneu und nur zum Teil Altem nachempfunden. Das werden wir morgen mal in Ruhe untersuchen. Erst einmal essen wir erstaunlich mittelmäßig bei einem Asia Fusion Laden (eigentlich schon klar…). Und wollen dann im Sonnenuntergang noch ein Bier auf der Hotelterrasse zischen. Dauert einen Moment, bis wir begreifen, dass wir es uns selbst holen müssen. Ab 20 Uhr nur noch Self-service. Habe ich erwähnt, dass es ein 4-Sterne-Hotel ist? Hab ich wohl…

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