Ein Stress ist das immer! Halb zehn haben wir einen Werkstatt-Termin für die Inspektion von Grauchen, aber natürlich haben wir wieder getrödelt und stecken in der morgendlichen Rush Hour. Juan fährt weltmeisterlich, ich halte die Luft an. Spurwechsel, Mopeds von allen Seiten, zwischendurch mal ein Fussgänger, Busse, Taxis – und alle irre. Bevor ich blau anlaufe, sind wir 12 Kilometer später dann doch in der Werkstatt, geben das Auto ab und machen uns zu Fuß auf den Weg Richtung Stadt.
Heute gibt es zur Abwechslung mal einen Tag mit schwarz-weiß-Fotos. Weil die Fassaden zum Teil so schön morbid sind, weil die Stadt dadurch ganz anders aussieht, weil ich einfach Lust dazu habe. Schon bevor wir in Belgrano ankommen, habe ich ein paar schöne Motive. Wir besuchen eine sehr schöne Kirche, die Rotunda, streifen durch Parks und Gassen. Und wir frühstücken in einer der zahlreichen Bars an einer Ecke – klassisch schwarzen Kaffee und Medialunas, Argentiniens Antwort auf das Croissant.
Für den Fall, dass wir doch ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen wollen, laden wir unsere Karte bei einem Kiosk auf. Aber weil der Tag schön ist und die Temperaturen es ebenfalls gut mit uns meinen, spazieren wir einfach drauf los. Belgrano ist eine beliebte Wohngegend mit schönen Avenidas, eleganten Seitenstraßen, viel Grün und viel Leben. Auf der ewig langen Avenida de los Incas stehen noch ein paar englische Häuser herum, sehr pintoresk.
Irgendwann, nach Stunden auf der Straße, landen wir in China Town. Nicht zu vergleichen mit New York oder San Francisco, aber auch ganz putzig. Wenn Chinesen spanisch sprechen, muss ich zweimal hinhören und hingucken. Besonders, weil die jüngere Generation beide Sprachen zauberhaft mixt. Es kommt natürlich, wie es kommen muss: Eines der Restaurants kriegt uns. Nach kleinen Frühlingsrollen gibt es Reis mit Huhn und Ei – einfach und gut. Auch die richtige Stärkung für unsere nächsten Wege, die über Avenidas und Strässchen einfach immer weiter führen. Es gibt so viel zu gucken! Mal ein Gesicht, dann wieder eine Fassade, ein besonderer Kiosk, ein Dach – ach, manchmal vergisst man vor Staunen auch einfach, durch den Sucher zu sehen.
Irgendwann, so nach sechs, sieben Stunden, sind die Füße dann so rund, dass wir doch in eine U-Bahn springen und erst an der Kathedrale wieder aussteigen. In der machen wir noch ein Päuschen, gucken uns Kirche und Gedenkstätte für San Martin – bewacht von zwei Soldaten – an, werfen draußen noch einen Blick auf Frau Kirchners Hütte, die Casa Rosada, und gegenüber auf den Cabildo, quasi die Geburtsstätte dieser riesigen Stadt. Irgendjemand hat vor Jahren zugestimmt, einen Teil dieses historischen Gebäudes zu opfern, um Platz für eine großzügige Avenida zu schaffen. Auf dieser, der Avenida de Mayo, beschleicht einen schon einmal das Gefühl, in Frankreich zu sein. Das liegt vor allem daran, dass französische Planer und Architekten hier für die Grundstruktur zuständig waren.
Wir schlendern weiter in unser Viertel, nach San Telmo. Direkt neben dem pompösen Bankenviertel, fast angrenzend an die Regierungspaläste hat sich dieser Barrio einen fast dörflichen Charakter bewahrt. Kleine Geschäfte, die chinesischen Supermärkte, die aus Buenos Aires gar nicht mehr wegzudenken sind, Menschen aller Generationen und Hautfarben – es ist mal wieder schön hier.
Alledings sind unsere Füße mittlerweile so platt, dass wir eine Pause im Hotel machen, einen Mate trinken und überlegen, ob wir heute Abend noch ins Kino gehen. James Bond hat auch hier heute Premiere…