Kaum wach, hören wir schon vom Terror-Anschlag in Hanau. Sogar die New York Times berichtet über die elf Toten. Schrecklich!
Bei Sonne und 6 Grad rappeln wir uns auf, um durch Barcelona zu schlendern. Nach einem Kaffee zum Croissant in einem Straßencafé steht unser erstes Ziel fest: der Markt auf den Ramblas. Bevor wir da ankommen, ziehen wir durch Born, das gotische Viertel, das sich trotz des Tourismus einen fast ländlichen Charakter erhalten hat. Überall flattert Wäsche über die Straße und von den Balkons, im Müll schleichen Katzen herum, durch die Gassen Ömchen mit ihren Einkaufsnetzen, alte Männer mit der Zeitung oder auch nicht.
Dazwischen Wandernde aus allen sieben Kontinenten, die die besondere Luft dieses Viertels einatmen. Wir machen halt in der Kirche Santa Maria del Mar, deren gotische Architektur auch von innen beeindruckend ist, zumal wir ja gerade in einen Roman in der Zeit ihrer Entstehung im frühen 14. Jahrhundert eingetaucht sind.
Irgendwo im Gewirr der schmalen Straßen fällt uns eine Frau auf, die vor der Tür ihres kleinen Friseurgeschäfts mit einer Nachbarin plaudert. Weil Juan schon wieder über seine vielen Haare greint, deren Wachstum man fast beobachten kann, platzen wir kurzentschlossen ins Gespräch. Einmal schneiden, bitte. Die Friseurin mit lila Bob wurde in Barcelona geboren (geschätzt vor 40 Jahren), kennt ihre Katalanen und deren Geschäftstüchtigkeit, weiß viel über ihre Stadt und hält die Augen offen.
Während sie Juan höchst professionell die Haare schneidet, erfahren wir, dass kürzlich direkt unter ihrem Salon eine Kapelle aus dem Mittelalter entdeckt wurde, die sogar gut erhalten ist. „Egal, wo du hier gräbst, überall findet man etwas.“ Sie schimpft charmant über die Politik, referiert über Vor- und Nachteile des Tourismus und schneidet und schnattert. Wir erfahren von ihr, dass eine große, internationale Mobilfunkmesse wegen des Coronavirus abgesagt wurde. Aus diesem Grund verschleudern 5-Sterne-Hotels gerade ihre Zimmer: die Asiaten, Amerikaner, Europäer – Tausende haben ihre Zimmer gecancelt. Sehr kurzweilig, was sie alles erzählt. Außerdem gibt sie uns den Tipp, auch den Markt von Santa Caterina zu besuchen, der querab der Kathedrale liegt und lange nicht so überlaufen ist wie der Ramblas-Markt.
Weil sie so schön erzählt, lasse ich auch meine Haare ein Stück kürzen, bevor wir doch noch weiterkommen. Mit der Warnung der Friseurin vor Taschendieben: Sie sind überall auf Raubzug, wo viele Touristen zu finden sind. Wir werden die Augen offen halten und bemerken auch, dass alle Einheimischen ihre Taschen fest unterm Arm oder vor der Brust halten, während Touristen eher sorglos mit Kameras, Schmuck, Taschen und Geldbörsen durchs Getümmel streifen. Fast einladend…
Der bunte Markt bei den Ramblas ist voll, malerisch und fröhlich: eine attraktive Halle mit allem, was Meer und Land hergeben. Aber man kommt in der Menschenmenge kaum vorwärts.
Ganz anders bei Santa Caterina: Fast nur Einheimische, an einem Ende ein Restaurant, in dem es genau ein Menü gibt. Wir kriegen schnell einen Tisch und stärken uns mit Huhn und Lammkeule, denn vor uns liegt ein längerer Spaziergang.
Es geht zunächst zur Sagrada Família – erwartungsgemäß ist Gaudís nie fertig werdendes Meisterwerk von Touristen umlagert. Die lange Schlange vor der Ticketbude und die 30 Euro Eintritt schenken wir uns. Ich bin ohnehin kein großer Gaudí-Fan.
Auch ein von ihm gebautes Haus ein paar Straßen weiter überzeugt mich nicht, hingegen gefällt mir das auf der Gracia schon besser. Auch hier wollen sie 25 Euro Eintritt sehen – nein!
Wir laufen an internationalen Boutiquen vorbei, verdauen Gaudí mit Cartier, Dior und Hermès und laufen und laufen. Mal gibt es einen Kaffee, später ein Glas Wein. Mal eine Kirche, dann ein Kloster. Hinterhöfe, Prachtstraßen, Parks und Penner – nach fast 17 Kilometern legen wir im Hotel einen Moment die Füße hoch. Die Tagesschau und ein Brennpunkt befassen sich mit Hanau, versuchen, Hintergründe aufzuklären. Der Generalbundesanwalt hat übernommen, weil von einem terroristischen Anschlag durch einen Rechtsextremen ausgegangen wird. Wovon auch sonst?
Gegen zehn fürchtet Juan nächtlichen Hunger, also nochmal ab in die Altstadt. Ein Sandwich für jeden, ein Bier – Feierabend. Fast hätten wir heute die 20-Kilometer-Marke geknackt. Gut, dass wir gern laufen: Es gibt einfach furchtbar viel zu sehen in Barcelona!