Unser marodes Grandhotel des Anglais in Sanremo ist irgendwie ein Gespensterbude. Zwar haben wir aus dem Fenster einen schönen Blick aufs Mittelmeer, aber alles andere ist auf merkwürdige Weise nicht ganz durchsichtig. Das hängt sicher nicht mit den riesigen Reisegruppen aus Rumänien zusammen (wir waren ja plietsch genug, zu fragen, wann die frühstücken und haben uns erst danach ans Buffet gestürzt), sondern eher damit, dass dem Laden ein Konzept und natürlich auch ein paar Milliönchen fehlen. Also: Check-out, wir ziehen nach dem Frühstück weiter.
So ein bisschen hält es uns ja noch in Italien. Die Via Aurelia direkt am Meer ist auch ganz und gar wunderbar. Vielleicht bleiben wir doch noch einen Moment in Bella Italia?
Wir haben uns das nahe Bordighera ausgeguckt. Aber durch viele Baustellen wird uns die Lust aufs Meer hier vermiest. Also nach Ventimiglia. Die Riviera dei fiori zeigt sich in dieser Jahreszeit von ihrer schönsten Seite, trotzdem beschließen wir, „rüber zu machen“, also nach Frankreich auszureisen. Wie oft sind wir schon in dieser Gegend gewesen! Aber nie auf der Küstenstraße, nämlich der Aurelia. Ein Fehler!
In Menton lassen wir das Auto etwas stehen und ziehen durch die Stadt. Schön, muss man wirklich sagen! Wir hatten ja ein bisschen befürchtet, nach unserem geliebten Italien jetzt auf eher doofes Frankreich mit den eingebildeten Leuten an der Côte d’Azur zu treffen. Aber in Menton werden wir eines Besseren belehrt. Tolle Innenstadt mit unzähligen Cafés und Restaurants, überall ein Hauch von Zitrone, mit der in Menton vom Schnaps bis zur Seife Vieles fabriziert wird. Dazu der Duft von gebratenem Fisch, gesottenen Kräutern… Und jede Menge Engländer. Ach, wie schön!
Bleiben wir hier? Wir gucken ein, zwei Hotels an und finden, dass wir doch erst einmal weiterfahren. Hart auf hart können wir immer noch zurückfahren.
Also ab nach Cap San Martin: großartige Villen mit Ausblicken, die man einem Maler kaum abnehmen würde. Hier gefällt es uns.
Trotzdem fahren wir weiter nach Monaco. Am vergangenen Wochenende hat hier der Grand Prix stattgefunden, entsprechend befindet das ganze Fürstentum noch unter dem Einfluss der Formel 1. Die Tribünen stehen noch und wirken ein bisschen wie eine riesige Schrotthalde (alternativ das monumentale Werk eines durchgeknallten Künstlers), überall wird gebaut und gebastelt, das Casino ist hinter Bauplanen völlig verschwunden. Und das Hotel de Paris? Gerade mal nicht zu sehen. Das Café gegenüber auch nicht. Monte Carlo ist wie immer: protzig, grosskotzig. Wir folgen einem Bentley mit Hamburger Kennzeichen in die Stadt, stehen mit Maclarens und Ferraris im Stau, schleichen an Maseratis und Rolls Royces vorbei und haben nur eines: einen ausgeprägten Fluchtgedanken. Das ändern auch die Kreuzfahrtschiffe und Yachten im Hafen nicht, der Blick aufs verhängte Piscine ist ebenso wenig förderlich wie all die Baustellen, die einen auf Schritt und Tritt begleiten.
Monaco und sein Monte Carlo muss man mögen. Aber hier ist schon echtes Geißen-Territorium! Frauen mit geschnitzten Gesichtern in Chanel, Gucci oder gar Versace, Männer mit zu schweren Goldketten und Mottoshirts, die man vielleicht einem Zwölfjährigen verzeihen würde. Vielleicht!
Wie meine Großmutter zu sagen pflegte: Wenn Schiet wat ward. Tja, dann geht er nach Monaco…
Wir flehen unsere Uschi an, uns ins nahe Nizza bringen.
Erstmal kommen wir auf die falsche (nämlich obere), dann aber auf die goldrichtige Straße und die führt uns direkt nach Beaulieu-sur-mer. Oh, wie beau!
Wir bremsen an einem Café, weil wir Lust auf ein Sandwich haben. Leider entgeht uns das Adjektiv entière, was zur Folge hat, dass wir zwei komplette Baguettes bestellen. Die sind nicht nur üppig, sondern auch noch so gut, dass wir sie aufessen. Dazu ein weißes Weinchen…
Zur Zeit ankern unzählige millionenschwere Yachten in der Bucht von Beaulieu und Cap Ferrat, die aus Monaco während der Renntage ausgelagert worden sind oder deren Eigner einfach keine Lust auf den Trubel hatten.
Hier ist es nun ruhig und schön. Vor uns Beaulieu und Cap Ferrat – wunderbar und ganz klar, dass wir hier gern bleiben würden. Booking hilft bei der Hotelsuche, und das Zimmer, das wir im Hotel Marcelin beziehen, ist groß, hell und mit 75 Euro pro Nacht für die Gegend auch noch unschlagbar günstig. Wir machen zehn Minuten Pause – und los geht’s.
Die Promenade direkt am Wasser von Beaulieu nach Cap Ferrat ist unsere. Was für ein schöner Weg! Die Sonne scheint ein bisschen, die Temperatur liegt bei entspannten 20 Grad, der Blick ist großartig, völlig egal, wohin man guckt. Mannomann, ist das schön hier! Das findet offenbar auch Cliff Richards, der mit einem älteren Herrn in einer der Kneipen am Hafen sitzt. Der Popsänger, Jahrgang 1940, sieht merkwürdig glattgebügelt aus. Da werden doch wohl nicht Botox und ein paar straffende Eingriffe im Spiel gewesen sein? 🙂
Natürlich wandern wir wieder, bis wir nach ein paar Stunden platt sind, aber das macht nichts.
Nach unserer Baguette-Orgie können wir unmöglich „richtig“ essen. Stattdessen bestellen wir in einem Restaurant um die Ecke unseres Hotels eine Plat de charcuterie, also Aufschnitt, dazu einen schönen Chardonnay und ein Perrier. Leben wie Gott in Frankreich? Genau! Zwischenzeitlich bekommen wir noch Besuch von einem hinreißenden, angesoffenen Dubliner, mit dem wir über die Stones reden, über die good old times und darüber, dass Amy Winehouse, wäre sie Mick Jaggers Tochter gewesen, sicher noch leben könnte. Rock’n’Roll 2.0 kennt keine Drogen, keine Exzesse. Sonst wären die Rolling Stones längst geschlossen mausetot.
Unser Ire zieht weiter, wir nippen noch am Wein und freuen uns, hier zu sein. Übrigens ist es wirklich kein Wunder, dass sich schon seit Jahrhunderten Touristen an der Côte herumtreiben. Sie ist wirklich, wirklich atemberaubend. Monaco mal ausgenommen…
Guten Morgen
die Via Aurelia haben wir oft befahren, wenn wir zu unserem Haus südluch von Rom gefahren sind, wirklich schön.
Das es das Grandhotel des Anglais noch immer nicht geschafft hat sich zu erneuern ist schlimm, muss ja in nich einem desolateren zustand sein, als damals wo wir es auf der Sight Inspection verworfen hatten. Aber es gibt in San Remo noch viel grausligere… eines mag ich mich noch erinnern, war wohl mit Weihrauch geputzt worden, roch für mich nach scheintod und verwesung….da han och genau einen Schritt rein und wieder einen raus gemacht. Nur daran zu denken, lässt mich erschaudern.
So schön die Italienische Riviera ist, so verlebt ind heruntrrgekommen ist sie leider auch. Zumindest was den „normal“ Touristischen Sector anbelamgt. Haste viel Kohle, biste fein raus. Aber der Prunk der Yachten etc. ist mir dann auch zu viel.
Nizza hat mir hingegen auch gamz gut gefallen.
Bon travail etvà bientôt
da hast du recht – in Italien ist einiges recht verkommen. deshalb sind wir auch so oft mit booking.com unterwegs: da stehen in den Kommentaren dann auch dir Wahrheiten. im Zweifelsfall checken wir such noch tripadvisor 🙂 Habt ihr Euer italienisches Haus noch? Die Gegend südlich von Rom Richtung Neapel ist ja auch wunderbar. liebe Grüße und bis bald!
Nein, haben wir an einen lieben Freund verkauft. Können also immer noch hin. Wir hatten da ein kleines Bungalo dazugebaut, das er nun für Gäste nutzt. Aber ich vermiss es schon. Meist war ich 2x im Jahr unten. Auch traf sich die ganze Familie ( Elern, Brüder mit ihren kindern und wir mit Michaels Töchtern), im Herbst unten für 1-2 Wochen. Tagsüber fuhren wir zum Strand oder wer mochte machte einen Tagesausflug nach Rom, Neap, Castel Gandolfo und die Nemi Berge, nach Tivoli oder in die Villa d’Este etc. Abends traf sich dann die ganze Familie zu einem Italienischen Schmaus auf dem Patio vor dem Haupthaus an einer langen Tafel, wo wir ganz untypisch für Schweizer laut diskutiert, gelacht, gesungen und einander von unseren erlebten Abenteuern berrichtet hatten. Eine schöne Zeit!
Das klingt nach wunderbarer Grossfamilie!
mal wunderbar, mal schrecklich anstrengend. Aber ja im Grossen und Ganzen sind wir ein harminischer Clan….