Der Hahn kräht um 4:46. Wir werden ihn wohl geweckt haben. Denn wir stehen schon gebadet und frisiert, mit Sonnencreme und Anti-Brumm versorgt an der Rezeption. Der TukTuk-Fahrer ist auch schon da, und los geht’s bei Nieselregen. Ziel: Weltwunder.
Natürlich ist es noch stockdunkel. Ungefähr 35 Minuten und 15 Kilometer später bremsen wir an den Ticketboxen. Eine erstaunlich kleine Menschenmenge, vielleicht 60, 70 Leutchen, steht in unterschiedlichen Schlangen an: 7-Tage-Ticket, 3-Tage-Ticket, um die Ecke gibt es die Tagestickets. Lichtbild, 20 Dollar pro Nase, unser Fahrer darf kostenlos mit, weil Kambodschaner hier nichts zahlen müssen. Während wir durch dichten Regenwald weiterfahren, ätzen wir über die, die sich den Mehrfach-Eintritt erkauft haben. Kann sein, dass von pensionierten Studienräten und verklärten Indiana Jones-Kopisten die Rede war… Endlich hält das Tuktuk, wir klettern bei kompletter Dunkelheit heraus und sind froh, nicht in einem mit Wasser bis zur Kante gefüllten Schlagloch zu landen, nachts Hat es kräftig geregnet. Als die ersten um uns herum Headlights um den Kopf binden, können wir das Kichern kaum unterdrücken. Über eine lange Brücke, gesichert durch eine Menschenkette in hellblauen Hemden, die die Eintrittskarten unter dem Licht von Taschenlampen kontrolliert, machen wir uns auf den Weg zu einem Gewässer, von dem aus wir auf den Sonnenaufgang warten wollen. Der Weg ist holprig und wir sind froh, dass wir von den Headlights der Leute hinter uns (…) etwas abbekommen, damit wir uns nicht gleich die Knochen brechen.
Angekommen am See sehen wir, dass wir lange nicht die ersten sind, vor allem aber auch nicht die letzten: Hinter uns schlängelt sich ein scheinbar unendlicher Konvoi von TukTuks über die Strasse – direkt auf uns zu. Es wird also voll werden. Um uns herum werden die Handys und Kameras klargemacht: ein winziges Büchsenlicht lässt die Silhouette des Tempels bereits erahnen. Während links und rechts noch viele mit ihren Blitzen kämpfen (meine besonderen Freunde; die fotografieren auch bei open air Konzerten und allen Sportwettkämpfen in Arenen mit Blitz…), geht es vor uns zügig voran: Mit jedem Lidschlag wird es etwas heller, Angkor Wat erscheint vor unseren Augen. Gut, wir haben nicht den sensationellen Sonnenaufgang („not my light today“ nölt ein Aussie hinter mir), weil der Himmel wolkenverhangen ist, aber es ist faszinierend genug, um uns die Sprache zu verschlagen. Einfach nur schön…
Aber wir haben auch immer schön die Massen im Auge: Alles, was hier steht, stürmt gleich in den Tempel. Also machen wir uns schon mal auf den Weg. Es ist zwar noch nicht ganz hell und auch noch etwas frisch, aber wir können die Fallstricke und Steinkanten gut erkennen und kommen unbeschadet voran. Es ist einfach unbeschreiblich, was wir sehen. Die Ruinen mit all ihren Räumen, Kammern und Gängen. Man kann sich noch fast völlig frei bewegen. „Noch“, weil dem wahrscheinlich bald ein Riegel vorgeschoben wird: Die Besucher tatschen alles an, prökeln Steinchen aus den Fugen, hinterlassen, wenn die Wachleute gerade nicht hinsehen, ihre unsäglich „I was here“ Message auf den historischen Steinen. Es kommt noch schlimmer: Vor kurzem, habe ich in der Zeitung gelesen, hat sich eine Touristin aus Südkorea gegen eine Skulptur gelehnt, die umgestürzt und nach über 1000 Jahren für immer verloren ist. Wahrscheinlich hat sie ein Bild mit Victory-Zeichen als Souvenir mitgenommen, eine Unsitte, die in Asien schon den Kleinsten beigebracht wird. Jeder macht das V-Zeichen, jung oder alt…
Auch ist kürzlich eine Buddha-Figur abhanden gekommen. Klartext: geklaut. Das ist schon ein starkes Stück! Es gibt übrigens ein paar wenige Verbotsschilder: vor einsturzgefährdeten Kammern, vor steilen, bewachsenen Aussentreppen. Man kann sich fast darauf verlassen, dass irgendein Idiot, im Zweifel sogar mit Flipflops, genau dort zu finden ist.
Dabei gibt es auch so so viel zu sehen. Wir wissen gar nicht, wohin wir zuerst gucken sollen… In einem Gang erspähen wir schon von weitem eine goldgewandete Buddhastatue. Ein lächelnder Mensch drückt uns ein Räucherstäbchen in die Hand, ein anderer verspricht uns ewiges Glück, wenn wir uns dreimal verbeugen, den Buddha berühren und ihm vor allem 10 Dollar geben. Einen Schritt haben wir ausgelassen… Guess, which! Aber damit machen sie ordentlich Kohle.
Übrigens ist die Sonne inzwischen ganz aufgegangen, die Wolken sind geblieben, entsprechend waschküchig ist das Klima. Auf der Nordseite von Angkor Wat angekommen, sind wir wieder einmal wie aus dem Wasser gezogen. Juan hat auf einer Karte einen Wassergraben entdeckt. Den guckt er sich schön allein an. Ich stehe hinter dem Tempel und finde es ganz großartig, dass wir das erleben. Und schicke einen besonderen Gruß nach Winsen/Luhe. Übrigens schenke ich mir jeden Hintergrund zu Angkor Wat und den anderen Tempeln hier. Das kann man, wenn man mag, wie wir prima googeln…
Während ich so herumstehe und das Weltwunder betrachte, das mit Taj Mahal, Machu Picchu und der Cheops-Pyramide in einem Atemzug genannt wird, nehme ich plötzlich von rechts kommend Bewegung wahr: Die Affen sind los! Eine wilde Horde tobt über die Mauern, springt in die Ruinen, rennt über Dächer, macht Rast fast zu meinen Füssen – ich kann gar nicht so schnell fotografieren, wie die Bande sich bewegt. Als Juan von seinem Wassergraben zurückkommt, ist der Spuk schon fast vorbei. Ein, zwei Äffchen lümmeln noch rum, der Rest ist verschwunden. Dafür ist – meine liebe Renate, extra für Dich bestellt – über uns und vor allem über Angkor Wat ein Regenbogen entstanden. Wieviel Staunen hält der Mensch aus?!? Es ist wunderbar, ich glaube, ich erwähnte es…
Das ganze Tempelgebiet hier ist ungefähr so groß wie New York City. Der schon sehr mächtige Angkor Wat Komplex ist der kleine Bruder von Angkor Thom mit seinem Herzstück Bayon. Diese Anlage ist unser nächster Stop mit dem TukTuk. Inzwischen verstehen wir übrigens längst die Leute, die das alles nicht wie wir an einem Tag ansehen… In Angkor Thom höre ich Juan wiederholt das Indiana Jones Thema summen. Und er hat recht. Das hier ist, ganz anders als Angkor Wat, ein Abenteuerspielplatz für alle Jones-Fans (einige haben sich auch so angezogen). In manchen schmalen Gängen ist es fast gespenstisch, immer abenteuerlich. Wie die Gemsen klettern wir hier hoch, da wieder runter! Schweißtropfen trüben manchmal den Blick, aber dann geht es auch schon wieder weiter. Man muss schon genau hingucken, wohin man die dicken Füsse setzt. Das Areal ist riesig, das Thermometer steigt und steigt. Schwitzend, aber fröhlich, klettern wir auf die Terrasse des Leprakönigs, stehen in den Ruinen des königlichen Palastes und gucken und fotografieren ohne Unterlass. Bis uns die Akkus der Kameras warnen: der Saft geht zuende. Wir müssen sparsamer mit den Bildern werden.
Völlig ermattet lassen wir uns in die Polster unseres TukTuks fallen, freuen uns über den kühlenden Fahrtwind, der uns zu unserem nächsten Ziel begleitet: Ta Prohm. Über diese Tempelanlage haben wir gelesen und vor allem eine tolle Reportage gesehen: Riesige Bäume sind im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Mauerwerk des Tempels verwachsen. Das stellt die Restauratoren – hier gibt es übrigens eine wissenschaftliche Allianz mit Indien – vor schwierige Aufgaben. Zunächst einmal sehen wir schon beachtliche Abstützungen, aber auch handbreite Risse. Hier würde sich in einigen Gängen übrigens auch Harrison Ford fürchten. Nicht aber die wackere deutsche Touristengruppe, der gerade angekündigt wird: „Marco Polos, hier kommt Euer letzter Baum, dann wieder zurück in den Bus!“ Wir hören zwar „Wird auch Zeit, Mann, ist das heiß hier…“, aber ordnungsgemäß werden noch ein paar Fotos geschossen und dann, huschhusch, ab ins gekühlte Körbchen… Zurück bleiben wir mit wenigen anderen. Haben wir das eben wirklich erlebt oder hat uns die Hitze das Hirn verdörrt? Nein, nein, Gruppe Marco Polo war real.
Nach diesem abenteuerlichen Besuch in einem ebenso schönen Tempel bringt uns unser TukTuk-Fahrer zu einem Restaurant, wahrscheinlich ein Cousin oder so. Wir haben trotz des Wassers, das wir mitgenommen haben, Durst und langsam auch Hunger. Juan bestellt ein Baguette mit Omelett, ich einen Banana Pancake. 5 Dollar pro Gericht, teuer für hiesige Verhältnisse, vor allem aber ungenießbar. Das Baguette hat verdächtige schwarze Punkte (Mäuse?) an der Unterseite, über den Pfannkuchen verliere ich mal lieber kein Wort. Oder doch: gruselgraus.
Der Tukki fragt gar nicht nach dem Essen, wahrscheinlich ahnt er, die fürchterlich das ist. Wir steuern das nächste, das vorletzte Ziel an: Banteay Kdei. Wieder eine imposante Anlage, die wir aber nur von aussen betrachten. Hier müsste man wieder extrem klettern, das schenken wir uns. Wieviele Treppen sind wir schon gestiegen heute? Wieviele Kilometer durch die Hitze gewandert?
Trotzdem werfen wir auch noch einen Blick auf die letzte Station, Prasat Kravan. Dieser Tempel wird auch gerade restauriert, erstmalig sehen wir ein Schild mit dem Hinweis, die cravings nicht zu berühren. Sollte das im direkten Zusammenhang zum Hauptsponsor der Restaurierung stehen? Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland 🙂
Mit einem Lächeln verabschieden wir uns nach sieben, acht Stunden von Angkor Wat und seinen Nachbarn. Es war unbeschreiblich schön, irre anstrengend und unvergesslich.
Zurück im Hotel schaffen wir es gerade noch, uns in den Pool zu werfen. Erholung tut not! Was für ein toller, toller Tag. Man könnte glatt noch einen Tag bei den Tempeln verbringen. Oder auch zwei. Entschuldigung für die despektierlichen Gedanken oben, liebe Studienräte und Steinläuse:-)
Angkor Wat
Que fascinante! me encanta todo lo que contas, no pensé que Camboya era tan atractiva.
LLevate el perrito ese para Hamburgo…jaja
Kambodscha ist ja wirklich toll!!
Ihr Lieben – wie die Zeit rast – jetzt seid Ihr schon über zwei Monate weg.
Ganz dicken Knuuutsch vom Schippi
Da hast du recht, ein tolles Land! Und immerzu Neues zu gucken, man wird ganz verrückt 🙂 dicken knuuuuuutsch für Dich und all die Schnuggis