Angers im Regen


Das Abendessen im Saint Louis in Le Tréport war wunderbar, obwohl wir uns gegen die opulenten plats de fruits de mer entschieden hatten. Die wurden links und rechts eifrig bestellt und schienen mir überwiegend so etwas wie Rumkrieger-Einladungen zu sein: Geschniegelte Jungs und aufgebretzelte Mädchen, die eher lustlos in den Langusten herumstocherten, aber einander mit den Augen verschlangen. Bei uns gab es neben bester Laune Fischsuppe und Crevetten, Linguine mit Lachs und ein ordentliches Stück Rind vor Crème caramel und Gauffres mit salzigem Sirup. Alles gut. Den Absacker haben wir uns verkniffen.

Eine Tartine haben wir in Le Tréport immer noch nicht gefunden. Der Chef des Pétit Robinson gegenüber dem Hotel bot gar nichts Essbares am Morgen an, riet uns aber, zum Bäcker zu gehen und mit was-auch-immer dann bei ihm Kaffee zu trinken. Genauso haben wir es gemacht.

Entgegen aller Gewohnheiten sind wir heute mal 400 Kilometer per Autobahn nach Süden gefahren. Sonntags ist wirklich nichts los, das Wetter schön, und wir kommen ein Stück voran. Ab Rouen rattert die Maut, in Angers zahlen wir 46 Euro. Erwähnenswert: In diesem Moment setzt der Regen ein.

Wir stoppen vorm Hotel Continental direkt in der Altstadt von Angers. Zentraler geht es kaum. Das haben wir natürlich online schon besichtigt. Die Lady an der Rezeption möchte 85 Euro, ich zeige ihr das booking-Angebot von 66. Darauf bietet sie 62. Als ich nach einem Wasserkocher frage, schaltet sich eine weitere Lady ins Gespräch ein. Ergebnis: Zimmerupgrade mit Wasserkocher 66 Euro. Alles lustig und nett, 100 Meter weiter setzen wir das Auto in eine Tiefgarage und warten den dollsten Regen im Zimmer ab.

Denn wir wollen natürlich ein bisschen sehen von diesem uralten Ort, der früher Hauptstadt des Anjou war. Das Schloss mit seinen 17 Türmen sollte man gesehen haben, die Kathedrale sowieso und die Altstadt mit exzessivem Fachwerk aus dem 15. Jahrhundert auch.

Zur Orientierung schnappen wir uns einen Stadtplan an der Rezeption und schätzen den Weg zur Kathedrale gleich richtig ein. Das Bauwerk, das vom 11. bis 13. Jahrhundert entstanden ist, ist im Moment überwiegend eingerüstet. Das ficht uns nicht, denn wir können die imposante Kirche von innen besichtigen. Mächtiger Altar, kunstvolle Glasfenster, eine beeindruckene Orgel.

Vor der Tür des Gotteshauses entdecken wir eine blaue Linie, die touristisch den Weg durch die Altstadt von Angers weist. Nächster Stopp: Das Schloss, dessen Türme zum Grossteil ebenfalls eingerüstet sind. Dennoch bekommen wir einen großartigen Eindruck von der Festung aus dem neunten Jahrhundert und die prachtvolle Residenz der Grafen von Anjou. Was uns entgeht, weil es einfach schon zu spät ist: der Wandteppichzyklus der Apokalypse. Das 23 Meter lange und sechs Meter hohe Ensemble gilt als ältestes der Welt. Etwas entschädigt werden wir mit dem Blick über die uralten Wehrtürme auf die Maine und die Stadt.

Wir folgen weiter der blauen Linie. Dass es für das Musée des Beaux Arts zu spät ist, wissen wir. Aber ein Blick in die Galerie David d‘Angers ist noch drin. Die ehemalige Abteilkirche aus dem 13. Jahrhundert ist eine architektonische Freude. Und auch das umfangreiche Oeuvre von Pierre-Jean David, dem Namesgeber des Kunsttempels, ist beeindruckend. Wir sind fasziniert von den monumentalen Statuen, den Reliefs und Plastiken des fleissigen Künstlers, dessen Name – peinlich, peinlich – wir vorher noch nie gehört hatten.

Unser Stadtrundgang entlang grossartigen Häusern und Plätzen endet ganz kurz vorm nächsten Regen in „Le Pub“. Die gesamte Ortsjugend hat sich hier offenbar versammelt und schwelgt in Süssem und Herzhaftem. Bei uns gibt’s Steak haché œuf à cheval (im Prinzip Klops mit Spiegelei und Pommes) und Hachis parmentier (Rindfleisch mit einer Schicht Kartoffelpüree und Käse überbacken) mit grünem Salat. Alles hausgemacht wie die crème brulée, die wir uns zum Schluss teilen.

Trockenen Fußes geht’s früh ins Hotel. Morgen werden wir – vielleicht – Poitiers ein bisschen kennenlernen, bevor das Ziel Bordeaux heisst.

2 Kommentare zu „Angers im Regen“

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