Morgens in Port McNeill. Die Stadt scheint aufgewacht zu sein, aber das macht kaum ein Unterschied. Nix los in dem Kaff. Zu unserer Motelübernachtung gehört ein Frühstück, das aber schon so abgestanden ist, dass wir nichts Essbares mehr finden. Also bequatschen wir das Personal, uns wenigstens zwei Eier zu braten. Funktioniert. Wie immer: Kaffee gut.
Wetter nicht ganz so: Es ist wolkig, frischer als gestern, vielleicht noch 13, 14 Grad. Bei Cousinchen Elke auf Kreta gewittert es wie verrückt, Natzilie macht St. Petersburg unsicher, die Klitzings in Buenos Aires feiern Marinas Geburtstag und Thomas berichtet vom heissen Sommer in Hamburg. Die Welt schrumpft auf whatsapp zusammen!
Wir haben keine grossen Pläne für den Tag, also nutzen wir erst einmal die laundry im Motel und waschen unsere Klamotten. 5 Dollar einschliesslich Waschpulver. Das ist sehr günstig! Gegen halb zwölf trödeln wir dann gewaschen und getrocknet los. Eigentlich haben wir nur ein Ziel: Wir wollen Bären sehen.
Kaum raus aus dem Ort laufen uns gleich zwei auf einer Schotterpiste über den Weg: wieder eine Mutti mit ihrem Kind. So toll! Fortan sind wir wie angestochen: Wo ist der nächste Bär?
Unsere Richtung ist nordwärts, ein Campingplatz direkt am Wasser scheint uns ganz brauchbar. Aber er ist noch 30 Kilometer von Port Hardy entfernt. Und da müssen wir unbedingt hin. Zunächst aber screenen wir weiter jeden Meter nach Petz und seinem Nachwuchs – nicht mal am Rand der übelsten Schotterstrassen, die nur von völlig durchgeknallten Holzfahrern mit ihren Monstertrucks genutzt werden, dürfen sich unsere Augen erholen. Die Jungs kennen offenbar keine Bremse. Dafür sind sie meist schon von weitem zu sehen, weil sie auf den Pisten so viel Staub aufwirbeln.
Rosie sieht inzwischen wie paniert aus. Sie zu waschen ist nicht ganz so leicht, weil wir ja die Thule auf dem Dach haben. Naja. Dann warten wir eben auf Regen, der für Mittwoch, Donnerstag angesagt ist.
Einen Campingplatz mitten im Wald gucken wir noch. Der ist zwar näher an Port Hardy, aber runtergekommen wie nichts Gutes. Die Tür zum Klo steht offen – wir drehen auf der Hinterhand.
Rosie haben wir eingeredet, ein starkes 4×4-Gerät zu sein, also macht sie mal wieder alles mit uns mit. So laufen wir in Port Hardy ein, checken mal vorsorgend ein Motel, das 120 plus tax/Nacht kostet.
Auf dem Weg zur tourist information fahren wir an einem gerade eröffneten Hotel mit kompletter Holzfassade vorbei. Das Kwa’Lilas. Es riecht schon teuer.
Die ladies vom tourist office sind zauberhaft: Wir sind vor allem auf der Suche nach dem Büro der BC Ferries, weil wir für Mittwoch auf der Warteliste der Fähre nach Norden sind. Vielleicht können wir uns ja irgendwie an Bord quatschen. Den Fährhafen haben wir auch schon probiert, aber der ist nur besetzt, wenn ein Schiff kommt. Heute nicht. Die Schiffe nordwärts fahren mittwochs und samstags. Noch ist es ungewiss, ob wir mitkommen, aber wir geben die Hoffnung nicht auf.
Leider gibt es kein Büro im Ort. Doof, doof. Also werde ich ihnen weiter online auf die Nerven gehen, Die tourist lady versucht zu helfen und anzurufen – auch niemand da. Arrrgh. Inzwischen haben wir mit der zweiten Dame nett gesmalltalkt. Wir wollen doch Schwarzbären sehen. Sie sieht eine Möglichkeit auf der Strasse nach Port Alice, einem gottverlassenen Kaff an einem tiefen Fjord, ungefähr 30, 40 Kilometer entfernt. Für Meister Petz ist uns kein Weg zu weit.
Bevor wir das office verlassen, frage ich einfach mal so nach einer Unterkunft, die nicht gleich Kopf und Kragen kostet. Wir müssen ja in der Nähe bleiben wegen der Warteliste. Morgen kommt eine Fähre, wir werden rechtzeitig im Hafen sein. Und Mittwoch wieder… Das macht die Campingfrage etwas schwieriger. Da hat aber die Dame vom tourist office etwas für uns. In Port Hardy habe gerade ein neues Hotel aufgemacht, vier Sterne plus. Das Kwa’Lilas… Spezialpreis rund 60 Euro, by invitation only. Und wie es der Zufall will, hat die Dame eine Einladung, die sie uns lächelnd überreicht…
Zehn Minuten später stehen wir in der Lobby des Kastens, buchen zwei Übernachtungen, zu denen sogar ein continental breakfast (habe ich einen Knall? Spreche und schreibe ich nur noch gebrochen deutsch?) gehört. Das Zimmer ist ab vier bezugsfertig, also in zweieinhalb Stunden. Wieder quatschen und plinkern, Nachfrage bei der Hausdame: Zimmer 323 ist gerade fertig geworden. Geht doch. Also kommt das putzige Übernachtungsgepäck (die Ikea-Tasche sieht fast aus wie von Louis Vuitton) ins geräumige Zimmer – und wir sind wieder auf der Strasse.
Was klappern wir nicht alles ab! Über Stock und Stein mit poor Rosie, dann letztlich doch Richtung Port Alice. Es ist einfach nicht zu fassen: Schon nach ein paar Kilometern sehen wir rechts am Strassenrand einen dicken Bären, der Grünzeug frisst. Dass wir ihn dabei unterbrechen, findet er nicht so sexy und verschwindet ins Dickicht. Wir fahren langsam weiter und sehen im Rückspiegel, dass er zurückkehrt. Wir auch. Grossartiges Tier!
Ein paar Fotos später hat Petz die Nase voll von uns und haut ab. Wir gucken uns Port Alice an. Dahin ist allerdings der Weg das Ziel: Eine Traumstrasse (Nr. 30) führt uns vorbei grossen und kleinen Seen, hohen Wäldern und abgeholzten Abschnitten, über eine kurvige Strasse an den Fjord. Der Ort an sich hat den Charme einer 50er-Jahre-Kleingartensiedlung. Mit zwei grossen Ausnahmen. Jeder hat ein Boot, jeder hat irgendeine Art von Mobilheim.
Wir drehen um ins neue Abenteuer, denn wir suchen weiter nach Black Bears. Die haben keine Lust auf uns, also fahren wir langsam über verschlungene Wege und vorbei am winzigen Flughafen direkt am Meer zurück ins Hotel. In den Nachrichten sehen wir, dass Tiger Woods unter Drogen oder Alkohol in seinem Auto geschnappt wurde und eine Nacht im Gefängnis irgendwo in Florida verbracht hat – das ist das einzige Thema des Nachrichtensenders. Viel besser als in den USA sind die Kanadier auch nicht mit ihrer Informationspolitik…
In Deutschland ist es neun Stunden später, also ganz, ganz früher Morgen des 30. Zeit, unserer lieben Freundin Renate zum Geburtstag zu gratulieren. Ganz schön weit weg! Nachher werden wir auf ihr Wohl einen Drink an der Bar nehmen! Und vielleicht noch einen zweiten, weil man ja auf einem Bein nicht stehen kann…
Unser abenteuerlicher Tag setzt sich im Restaurant unseres Hotels fort. So gut die Betten in den Zimmern, so schlecht der Service im Restaurant. Ganz junge Leute, die überhaupt keine Ahnung haben. Unser Kellner heisst Ryan und ist doof wie Brot. Als wir Bier bestellen, erzählt er, dass er lieber Wein trinken würde. Das hätte uns schon zu denken geben sollen. Juan ordert Lachs, und zwar entscheidet er sich für die gegrillte Version; es gibt noch eine geräucherte. Davon hat sweet little Ryan im Leben noch nicht gehört, wir zeigen es ihm auf der Karte und er notiert kopfschüttelnd: grilled. Dass das Süppchen, eine Clam chowder für Juan, kurz nach dem Lachs serviert wird, läuft unter huch! Wir bitten den Bengel, das Hauptgericht warm zu stellen. Er weiss nicht, warum, aber er tut es. Zu meinem Salat habe ich Essig und Öl bestellt, was die arme Kreatur auch aufgenommen hat. Der Salat kommt trotzdem knochentrocken an. Dafür weint der Junge fast, als er Juans Lachs zurückbringt. Der Teller ist brennend heiss. Gut, das hätte ihm vielleicht mal jemand in der Küche sagen sollen. Das wäre übrigens die Person, die hier alles retten könnte: Jemand, der weiss, wie Restaurant funktioniert.
Schliesslich wollen wir die Rechnung aufs Zimmer schreiben. Das sei noch nicht möglich, sagt Ryan mit roten Ohren. Vielleicht in ein paar Wochen. Ok, dann zahlen wir cash. Ryan guckt wie ein Oberdepp: Cash? Ich helfe mal: Real money, you remember? What people used once … Nachdem sich die Heiterkeit im Restaurant gelegt hat, erlöse ich Ryan und zahle per Kreditkarte. Ist ja noch einmal gut gegangen. Jedenfalls fast: Während wir aufstehen, betet die Kellnerin am Nachbartisch die Spezialkarte runter. Auch von der hat unser Ryan noch nie gehört…