Wer von Kalifornien träumt, lächelt meist im Schlaf: der unendliche Pazifik, schneeweisse Strände, Städte wie Los Angeles und San Francisco, bildschöne Menschen mit gestählten Körpern, von Sonne und Wind gebräunter Haut – California Dreaming!
Dann wacht man auf in Barstow und weiss: Kalifornien kann auch ganz anders. Wüste, wohin man schaut, Häuser, die verlassen scheinen, aber dennoch von den Ärmsten der Armen bewohnt werden (müssen), Strassen die eigentlich nur eines signalisieren: Es gibt einen Weg raus aus Barstow.
Wir frühstücken im Hotel, erschrecken die Dame an der Rezeption mit der Frage, ob sich denn heute, am Sonntag, wenigstens mal jemand um den Pool kümmern würde. Sie nickt ein erschrockenes Ja.
Dann lassen wir die mal schön scheuern und putzen und sehen uns das Wüstenkaff etwas näher an. Wo ist denn nun die berühmte Route 66? Immer entlang der Main Street mit Sichtkontakt zu langen, langen Zügen, bis endlich das Schild mit der 66 erscheint. Am Route 66 Museum, das um diese Zeit noch geschlossen ist. Wir können auch so einen Blick auf die berühmten, alten Eisenbahnen werfen. Züge, deren Namen in allen besseren Western auftauchen.
Ich setze keinen Fuss aus dem Auto: Überall warnen Schilder vor Schlangen. Meinetwegen müssen sie sich nicht erschreckend; ich bleibe einfach sitzen. Klar, dass Juan mich auslacht. Aber wieso steigt er eigentlich auch nicht aus? Ja, ja, Helden…
Wir beschliessen, die berühmte Strasse, die den Interstates 15 und 40 quasi zum Opfer gefallen ist, ein paar Meilen weit zu besichtigen. Was wir sehen, ist bittere Armut, wie man sie vielleicht in Mexiko, nicht aber zwischen so schillernden Städten wie Las Vegas und Los Angeles vermuten würde. Viele Menschen leben in Trailern, die kaum noch aufrecht stehen können. Zerbrochene oder mit Holzplatten vernagelte Fenster. Wenn es denn mal einen Laden gibt, ist er mit dicken Eisenstäben gesichert. Nur durch schmale Türen gelangt man ins Innere, meist in einen Licquor Store. Dass hier jeder bewaffnet ist, setzen wir mal voraus. Und dass viele, viele hier Trump gewählt haben, glauben wir auch. Denn für diese Leute bedeutet „Make America great again“ vielleicht der Anschluss ans Strom- und Wassernetz. Irgendwann vielleicht.
Wir sind fast zu entsetzt, um mitzubekommen, dass wir uns auf der falschen Strasse befinden. Dieses armselige Stückchen ist der Highway 58. Also drehen wir um, sehen uns das Ganze mit äusserst gemischten Gefühlen noch einmal von der anderen Seite an und landen schliesslich auf der echten Route 66. Kaum sind wir durch Barstows Vororte durch, bietet sich dasselbe traurige Bild wie zuvor. Wir fahren noch ein bisschen weiter durch die Wüste, freuen uns über die welligen, schnurgeraden Strassen und geben unserer Navi-Uschi schliesslich ein neues Ziel: die Barstow Outlet Mall.
Auch die hat ihre besten Zeiten längst hinter sich. Heute fallen Busladungen von Chinesen und Indern ein. Die Ersteren kaufen die Kinderabteilungen bei Ralph Lauren, Hilfiger & Co. leer, weil ihnen die normale Kollektion zu gross ist, viele der Zweiten pressen sich in alles, was ihnen in die Hände fällt, ob es nun passt oder nicht. Schon interessant anzusehen – aber nicht lange.
Ein deutschsprachiges Quartett, das offenbar auch zu einer Gruppenreise gehört, treffen wir eine Mall weiter: für zwei Stunden sind sie hier ausgesetzt, und sie fragen sich völlig zu Recht, was sie denn hier machen sollen. Es gibt einen Levi’s und einen Ramschladen, ansonsten ungefähr 50, 60 leere Shops. Die vier sind sauer, wir sind weg.
Auf dem Rückweg ins Hotel gucken wir noch ergebnislos bei einem Marshall’s rein – Öde an den Konsum -, bevor wir bei food 4 less eiskaltes Bier und ein paar Blaubeer-Muffins einkaufen.
Mit einer Tüte Informationsmaterial aus dem California visitor center machen wir es uns bei einem Käffchen zum Muffin in der dunklen, aber klimatisierten Höhle gemütlich. Was wir sehen, gibt Anlass zu träumen: der unendliche Pazifik, schneeweisse Strände…
Aber erst einmal müssen wir zurück nach Las Vegas. Hoffentlich ist Rosie morgen, Montag, wieder mit von der Partie. Wir haben die Wüste dicke…