Wildnis!

 

Wir haben gerade zwei Bier getrunken. Jeder. An unserem Lagerfeuer mitten im Wald im Goldstream Provincial Park. Nur ein paar Kilometer nordwestlich von Victoria, aber trotzdem Welten entfernt. Der Campingplatz, auf dem wir für 35 Dollar (plus 8 fürs Feuerholz) übernachten, ist wunderschön gelegen, die Nachbarn kaum in Sichtweite. Es ist paradiesisch schön hier unter vielleicht 50, 60 Meter hohen, kerzengerade gewachsenen Fichten. Im Unterholz knistert und wispert es. Zwischen den Farnen und jungen Bäumchen huschen eher graue als rotbraune Eichhörnchen herum, gucken Spatzen, ob sie etwas abstauben können, und lauern – vielleicht – auch ein paar Bären. Von letzteren sehen wir nichts, wenngleich wir alle Mittel anwenden, sie zu interessieren. Auf dem Feuer garen Würstchen, dazu ein paar kreisrunde Unidentifizierbarkeiten, die unter BBQ-Salami laufen, was aber vielleicht doch eher ein Scherz ist. Zur Sicherheit werfen wir noch ein paar unverfängliche Toastscheiben aufs Feuer. Zu allem gibt’s je eine Avocado und einen Gurkensalat.

In der vergangenen Nacht hat der Regen so aufs Dach getrommelt, dass wir davon mehrfach wach geworfen sind. Aber am frühen Morgen reisst es zumindest hier und da mal auf. Unser Stellplatz am Hafen von Victoria ist zwar sehr schön, aber wir sind unentschlossen, was wir nun machen.
Noch eine Nacht bleiben? Erst einmal müssen wir duschen. Unbedingt, damit wir nicht verwahrlosen. Dazu haben wir uns den YMCA-YWCA von Victoria ausgeguckt. Nur einen knappen Kilometer auf der Broughton Street entfernt erwartet uns ein modernes Gebäude, das vor allem ein Fitnesscenter ist. Und dann kommt das morgendliche Wunder: Wir verhandeln an der Rezeption noch über den Eintrittspreis, sind auch gern bereit, für eine ausgiebige Dusche 12,50 auszugeben. Das hört eine junge Frau und lädt uns spontan ein: sie habe ihren Vertrag gekündigt und noch zwei Gästetickets, die könnten wir gern haben. Wir fassen es nicht. So viel Freundlichkeit wie hier in Kanada haben wir selten auf der Welt erlebt! Ich drehe vor Freude noch ein paar Runden im Pool, dann treffen wir uns sauber und fröhlich in der Cafeteria wieder. Ausgezeichnet! Interessante Leute laufen im christlichen Verein rum. Viele ältere, aber auch jüngere. Hier gibt es Männer, die diese veganen Mode-Hipster in Europa einfach umpusten würden. Sie tragen hier zwar auch lange Bärte und karierte Hemden, aber das hier ist eine Lebenseinstellung, kein modische Aperçu.

Frühstück gibt es wieder bei den trutschigen Engländern auf der Government Street: sehr guten Kaffee und ein tolles Croissant, heute sogar mit einem Bütterchen. Bevor wir uns dem Ampsement widmen, muss unser Porta Potti entleert werden. Kann man zwar auf jedem Klo machen, aber wer will schon mit dem Potti durch die Gegend rennen? Auf der anderen aseite der Bay hatten wir zwei mobile Toiletten gesehen. Doch die hat jemand entsorgt… Letztlich landen wir auf einer Marina bei zwei zunächst völlig überforderten Damen. Der Hafenmeister hilft uns bei der Lösung unseres Problems, in dem er einfach die Toilette öffnet. Wieder so eine Sonnenscheinperson.
Das Wetter ist durchwachsen, deshalb beschliessen wir dann, es noch mal in der gestern geschlossenen Mall zu versuchen. Allerdings nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern gleich mit Rosie. Juan braucht neue Turnschuhe, bei den alten läuft er schon fast auf der Brandsohle, sollte es soetwas im sportlichen Schuhbereich überhaupt geben… Er findet ein gutes Paar – wunderbar. Und auf dem Parkplatz des shopping centers überlegen wir, den Goldstream Provincial Park, nur 15 Kilometer entfernt, anzusehen. Da kommt ganz plötzlich die Erkenntnis, dass wir ja einfach losfahren können. Anel in Argentinien nennt Rosie unser Schneckenhaus: Weder müssen wir irgendwo auschecken, noch irgendwelche Klamotten packen – wir gaben ja alles dabei. Daran muss man sich auch erst einmal gewöhnen.

Der Weg führt unverfehlbar über den Highway One: Zunächst fast eine Autobahn, dann eine zweispurige Strasse, die sich zwischen hohen Bäumen und an Flüssen und dem Meer entlangschlängelt. Im Park sind wir recht schnell eingerichtet, haben einen Bärenhunger, siehe oben, und sind gegen zehn nach längst verloschenem Lagerfeuer reif für die Kiste… Es ist übrigens lausig kalt am Abend. Wir ziehen alles übereinander, was wir so im Angebot haben und wickeln uns draussen zusätzlich in Fleecedecken. Umso erstaunlicher im Innern unseres Grand Caravans: Dadurch, dass Juan aus Silberfolie Verkleidungen für die Fenster gebastelt hat, ist es relativ warm. Unsere Bettdecken sind auch ganz gut, wenn’s nachts richtig klirrend wird, kommt eine Fleeceschicht über die andere.

4 Kommentare zu „Wildnis!“

  1. Die Berichte lesen sich spannender und schöner als jedes Buch!Was für eine tolle Reise.Passt aber bitte gut auf euch auf!! Sonnige Grüße aus Hamburg und viele Umarmungen.

  2. Beim Eichhörnchen unterm Flügel – sieht seeehr gemütlich aus 🙂
    Eure Rosie hat der Hase klasse hinbekommen, echt super und erstaunlich was da alles reingeht.
    Dicken Kuss aus dem Hamburger Sommer !!!

    1. Wir sind die lustigsten Zwerge am Ozean. Neben uns Mobiles, die bis zu viermal grösser sind als Rosie. Aber wir sind natürlich wesntlich flexibler. Und schlafen neun, zehn Stunden wie die Babies in dem Kistchen.der Hase ist der langohrige Indianer: prima am Lagerfeuer und King of the grill

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen