Was für eine Nacht! Die Pizza hat mich fertig gemacht. Um vier muss ich raus ins Bad gegenüber. In einem Schneckenhaus wie Rosie bleibt ja nichts ungehört. Mein Prinz hat mich geleitet und gewartet. Danach ging’s ein bisschen besser.
Aber um sechs ist die Nacht zuende, was deshalb gut ist, weil das Café am Rand unseres Parkplatz schon öffnet. Wir brauchen noch einen Moment, parken Rosie um, damit wir vor der Tür des visitor centers das wifi kapern. Andando online, coffee to go – inzwischen haben sogar wir gelernt, aus diesen merkwürdigen Schnabelbechern zu trinken.
Wir tanken noch einmal schnell und fahren – nicht. Uns fällt gerade noch rechtzeitig ein, dass nach Seward erstmal nichts kommt. Also Frühstück. In Laden eins gibt es nur Vorgefertigtes, so ähnlich wie bei diesen Frühstücksbüffets. Erst im Laden zwei wissen sie noch, wie man Eier brät und Toast rostet…
Wir haben gelesen, dass es in der Nähe einen ganz interessanten Gletscher geben soll. Den Exit Gletscher, der von Jahr zu Jahr beträchtlich kleiner wird. Vom Parkplatz aus machen wir eine Wanderung über Stock und Stein und gucken uns den Gletscher an. Irgendwie traurig, wenn man verfolgt, wie er wegschmilzt. Ja, Herr Trump, die Klimakatastrophe in längst im Gang…
Der Wetter meint es ganz gut mit uns, Sonne und Wolken wechseln sich ab. Die Fahrt Richtung Nordosten ist wieder einmal ein Traum. Alaska ist wirklich, wirklich schön! Gibt zwar mal wieder keine Tierchen, aber so ungeheuer schöne Natur! Berge, Seen, Wasserfälle, Flüsse mit relativ wenig Wasser. Traumhaft!
Unser Ziel ist Whittier und wir wissen ziemlich genau, dass wir ein Zimmer buchen wollen. Nach Whittier gibt es drei Wege: durch die Luft, übers Meer – und durch einen langen, einspurigen Tunnel, der in den blanken Stein gehauen wurde. Besonders ist, dass der Tunnel jeweils nur in einer Richtung befahren, dann gelüftet wird und anschliessend von der anderen Seite zugänglich ist. Nach 13 Dollar Toll und einer knappen halben Stunde Wartezeit rattern wir über die Strasse, die wir uns mit Eisenbahnschienen teilen.
Auf der anderen Seite, in Whittier, tröpfelt es ein bisschen vom Himmel. Ich weine auch fast, als ich diese Ort sehe. Zwar erinnert die Kulisse sehr an Ushuaia, aber ansonsten ist Feuerland wirklich attraktiver. Wir bekommen das vorletzte Zimmer in einem lausigen Hotel, das die chinesische Familie Shen der US army nach Ende des kalten Krieges abgekauft und irgendwie umgebaut hat.
Das ganze Kaff ist eine ehemalige US Basis, weil die Angst vor russischen – oder japanischen? – Übergriffen gross war.
Mit der Beruhigung der Weltlage und einem verheerenden Erdbeben 1964 verlor die Regierung das Interesse an Whittier – die Stunde der Shens und anderer schlug.
Heute lebt der Ort vom Tourismus und Fischfang. Viele Alaskaner haben im Schutz des Hafens ihr Boot liegen, Kreuzfahrtschiffe legen an und verteilen ihre Passagiere via Zug nach Anchorage oder Denali. Und es gibt Fähren. Deshalb sind wir hier: Morgen mittag geht unser Schiff nach Valdez. Knapp sechs Stunden auf See und hoffentlich halbwegs gutes Wetter – das wäre schon mal was!
Zusammen mit einer jungen chinesischen Truppe gucken wir in einer Art Kantine das amerikanische Original vom Supertalent, aber kurz nach acht ist Feierabend für heute. Juan befürchtet, sich erkältet zu haben – bloss nicht. Ein Aspirin verbessert hoffentlich die Lage.