Von der Toskana über die Maremma ins Lazio

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Der Monat auf dem Berg bei Poggibonsi ist schnell vergangen, ohne dass wir uns mit großartigen Ausflügen oder exzessiven Wanderattacken belästigt hätten. Mal ins Städtchen, immer in den Pool oder auf den Porch – aufreibend genug. Dass uns das Phantom von Chito nicht begegnet ist, haken wir unter Isso ab. Dass der Abschied von unseren zauberhaften Gastgebern Nicoletta und Vanni nebst Sohn extrem zurückhaltend ausfällt, unter doof. Michele musste ja unbedingt zum Apnoe-Tauchen nach Cadaques – ein Corona-Hotspot im spanischen Katalonien erster Klasse. Und leider hat es ihn auch erwischt: positiv getestet, zehn Tage Quarantäne. Deshalb begegnen uns die Eltern entsprechend zurückhaltend: Sie sind wie wir geimpft, aber man kann ja nicht vorsichtig genug sein. Michele dämmert also in seinem Haus, manchmal hören wir ein zaghaftes “Mama” – dann hat das fast 40jaehrige Kind wahrscheinlich Hunger…

Also nehmen wir mit viel Distanz voneinander Abschied, versichern einander, wie sehr wir die Gesellschaft des anderen genossen haben ins rollen vom Berg.

Eine richtige Ahnung, wohin wir nun wollen, haben wir nicht. Erster Stopp ist die Tanke vor Poggibonsi, da wird das Auto mit Wasser und Schaum aufgehübscht und wir belohnen uns für irgend etwas mit dem letzten Schokocroissant.

Dem Navi wird Grosseto über abenteuerliche Nebenwege eingetrichtert. Wir kurven über ein anstrengende Achterbahn ähnliche Straße Richtung Meer.

Eines muss man sagen: So ein Monat an einem Platz macht einen träge. Wir sind schon bald ermüdet von der Fahrerei und schleppen uns langsam durch das mittelalterliche Grosseto, bewundern Dom und Architektur und lassen uns zu einer Pause in einem der zahlreichen Straßencafés nieder. Es ist keineswegs brechend voll im Ort, also kann man sich eingehender mit den überall gebotenen Tattoos auseinandersetzen. Inzwischen hat bei einigen Probanden auch schon die Schwerkraft erheblich zugeschlagen. Was mal ein lecker Arschgeweih war, ähnelt zwischen einer zerknitterten Plastiktüte. Und die Oberarmrose hat den Zahn der Zeit auch nicht schadlos überstanden.

Bevor wir uns hier in wesentlich unappetitlichere Details verlieren, machen wir uns wieder quer durch die Maremma mit ihren sehenswerten Landschaften auf den Weg Richtung Küste. Das Ziel ist die Insel Monte Argentario und dort besonders das Örtchen Porto Ercole. Da pflegte das holländische Königshaus die Sommerfrische, und möglicherweise toben die da immer noch herum.

Vorher gönnen wir uns aber eine reizvolle Überraschung: Porto Santo Stefano auf der entgegengesetzten Seite des Inselchens. Da muss sich St. Tropez aber mächtig anstrengen, um mithalten zu können. In einer Bilderbuch-schönen türkisfarbenen Bucht ist ein Jachthafen entstanden, rundherum kunterbunte Häuser, die zum Teil noch genauso wie vor 100 Jahren sind, zum Teil zu schicken Domizilen ausgebaut wurden. Dagegen ist Porto Ercole dann eher ernüchternd. So sind übrigens auch die Hotelpreise in dieser Kante Italiens. Unter 300 Euro pro Nacht ist kaum etwas zu machen. Wir sehen auch Hütten, die 2000 kosten. Pro Nacht!

Das erschrickt uns nicht so sehr, das wussten wir vorher schon. Wir müssen uns etwas für zwei Nächte suchen, danach sind wir bereits eine Nacht in Civitavecchia eingeplant.

Was wir finden, bringt uns fast an unsere Grenzen. Das Relais BioCampus La Roccaccia – Universita‘ Agraria di Tarquinia. Es beginnt schon damit, dass wir das Anwesen, dessen Adresse mit Kilometer 10300 angegeben ist, gar nicht finden. Erst auf den allerletzten Metern einer holprigen Straße sehen wir ein verwittertes Schild, das den Weg weist. Zu einem Bauernhof mit freilaufenden Maramenna-Kühen, Pferden, Ziegen, Schafen… Bullerbü auf italienisch. Auch die Mücken sind da. Alle.

Das Hauptbaus scheint neueren Datums zu sein. Hier versuchen sich drei Leute – zwei Männer und eine Frau – als Hoteliers und Gastronome. Das ist schon fast niedlich.

Bevor wir den Laden über booking klargemacht haben, rief ich an, um zu fragen, ob man denn dort in der Mitte von Nix zu abend essen könne. Leider nicht. Wir wollten uns schon etwas anderes suchen, da rief der nette Herr zurück und versicherte, heute würde es doch was zu essen geben. Das hätte uns zu denken geben müssen. Hat es aber nicht.

Also: Das Zimmer ist ok, auf eine Weide vor der Tür grasen die weißen Rinder, im Hintergrund sieht man das Meer. Es ist sechs Uhr – um acht gibt es etwas zu essen. Leider spricht in der Bude niemand englisch, aber mit Händen und Füßen und Sprachgebrocke geht’s ja doch immer.

Als erstes knallt ein Champagnerkorken. Huch! Das Zimmer ist mit 90 Euro relativ günstig für den Landstrich – wir haben die Toskana verlassen und befinden uns im Lazio. Zocken sie uns nun mit dem Dinner ab? Ich nippe am Champagner und frage nach der Karte. Gibt es nicht. Hä? Der hübsche große Italiener holt sich den dicken kleinen Italiener zur Hilfe. Der spricht zwar auch kein Englisch, aber erklärt wortreich auf Italienisch – irgendwas. Egal. Wir sind Gefangene.

Zum Auftakt gibt es einen Vorspeisenteller mit Gemüse, Tomatenbagel und mehr. Irgendwie rührend gemacht. Der Zwischen gang – Papardelle al ragú – hat nicht so gut geklappt, dafür ist das Steak vom heimischen Rind zart und wunderbar. Dazu wird eine Tomate aufgeschnitten, eine Handvoll Grünzeug mit Walnüssen dekoriert – fertig. Alles, was auf den Tisch kommt, stammt vom eigenen Hof. Die Ausnahme ist der Sangiovese: Wein macht der Nachbar.

Wenn die drei noch mal einen Kochkurs machen würden, könnte man aus diesen Grundnahrungsmitteln vom Hof Großartiges basteln. Aber man kann eben nicht alles haben. Dafür sind sie wirklich nett und großzügig: Zum Kaffee gibt es noch eine Limoncello, bzw. einen Amaro.

Überfressen schläft es sich schlecht: Wir geben uns die Möglichkeit, das noch einmal zu überprüfen. Ab fünf Uhr morgens toben Tauben lautstark herum, etwas später wird gemuht, ab acht gibt es Frühstück. Auch mit der Rechnung klappt es nicht so richtig: das Abendessen haben sie ganz vergessen. Aber ich will sie ja nicht zu Feinden haben und sage Bescheid. Sie berechnen für alles und für uns beide zusammen 40 Euro. Wir hatten mit dem Doppelten gerechnet.

Wenig später sind wir on the road again. Diesmal auf der ehrwürdigen Via Aurelia. Aber die Strände reizen uns nicht. Bebaut, voll, doof.

Zwar berichtet booking, dass unser b&b, das wir vor der Abfahrt unseres Schiffes gebucht haben, keinen Platz mehr hat, aber ich versuche es trotzdem per whatsapp. Alternativ haben wir schon ein Hotel in Vivitavecchia in petto. Kaum haben wir das Navi entsprechend instruiert, kommt das ok aus dem b&b. Gut so. Dann müssen wir wenigstens nicht noch einmal umziehen.

Die beiden Stunden, die uns bis zum check-in bleiben, vertrödeln wir bei gleissender Hitze im Ort. Unser nächster Wirt wartet schon auf uns: Er spricht deutsch, weil er in Luxemburg aufgewachsen ist. Und hat ein helles Zimmer mit Blick auf Tyrrhenische Meer und unzählige Kreuzfahrtschiffe für uns. Eigentlich wollen wir uns gar nicht mehr aus dem Haus bewegen, aber gegen Abend meldet sich der Hunger. Wir folgen der Empfehlung unseres Wirts und gehen bei immer noch fast 30 Grad ins Evergreen. Das ist eine Mischung aus Pizzeria, Schlachter und Grill. Ganz einfach, einfach gut.

2 Kommentare zu „Von der Toskana über die Maremma ins Lazio“

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