Ushuaia – irgendwie unwirklich

Gegen halb elf sind wir wieder auf der Straße, lassen Rio Grande schnell hinter uns. Die – wie wir mittlerweile wissen – größte Stadt Feuerlands ist mehr ein Camp als ein homogen gewachsener Ort. Man spürt: Hierher kommen die Menschen, um zu arbeiten. Gestern Abend, zum Beispiel, war das Restaurant voll mit einzelnen Herren, die schnell etwas gegessen und in sich hineingeschüttet haben, um dann sofort wieder zu verschwinden. Typisch wohl für einen Ort wie diesen, der übrigens deutlich teurer als das Festland ist.

Schon kurz nach der Stadtgrenze ändert sich das Bild in ein reines Naturschauspiel. Zunächst riesige Weidenflächen für die Schafe, vereinzelt grosse Estancias. Natürlich auch hier wieder überall Guanakos. Die verschwinden erst, als sich die Natur verändert. Erste Wälder tauchen auf, am Horizont sehen wir schneebedeckte Gipfel der Anden, die hier auf Feuerland ihren Anfang oder ihr Ende nehmen, ganz, du man will.

Das Örtchen Tolhuin durchfahren wir kurz. Hier gibt es zwar die hochgelobte Bäckerei Union, aber sonst? Viele Städter verbringen hier die Wochenenden, weil die Natur mit dem großen Fagnano-See hinreißend ist. Hohe Berge, viel Grün, das ganze nur unweit von Ushuaia und Rio Grande. Damit man sich nicht in Träumereien verliert, holt einen die Straße wieder zurück in die Gegenwart. Zwar asphaltiert, aber mit Schlaglöchern, dass es eine Freude ist.

Und dann sind wir am Beagle Kanal. Ushuaia. Tausendmal in Filmen und auf Fotos gesehen. Und plötzlich sind wir mittendrin. Im Hafen werden gerade Container verladen. Hamburg Süd. In der Bucht ankert eine Yacht. Hanse Explorer. Es ist alles unwirklich. Wir bauen uns am Ende-der-Welt-Schild für ein Foto auf. 3000 Kilometer bis Buenos Aires, 16000 bis Hamburg, 1000 bis zur Antarktis. Irgendwie wird mir schwummerig.

Natürlich haben wir noch kein Zimmer, deshalb schauen wir bei der Tourist Information rein. Von den rund 200 Hotels & Co. gibt es nach Auskunft des Angestellten in genau sechs Häusern überhaupt noch Platz. Huch! Dass Ushuaia brandneuer ist,  kommt noch hinzu. Bei booking.com gibt es kaum etwas unter 200 Euro die Nacht, will man nicht ein Dorm mit vier oder sechs anderen teilen. Nein, wollen wir nicht. Das Aca – ADAC von Argentinien – unterhält hier ein Hotel, hat aber nur ein Zimmer für eine Nacht. Wir wollen nach der stressigen Fahrt über mehrere Tage mindestens drei Nächte hierbleiben. Nächster Versuch in einem Aparthotel, das sich als Rumpelbude herausstellt. Vermietet wird hier offenbar alles, was ein Dach hat – zu sündhaft hohen Kursen. Dann sehen wir noch ein Apartment auf booking, das zwar unser Budget auch komplett sprengt, aber wenigstens ordentlich aussieht. Wir müssen uns ein bisschen ausruhen und unsere Gedanken mal wieder ordnen. Auch die Augen brauchen ein bisschen Erholung. Also fahren wir da mal hin. Schönes Gebäude, wie alles in Ushuaia steil am Hang. Der Vermieter wird herbei telefoniert und zeigt uns das Apartment im 5. Stock. Hell, großzügig, modern – und vor allem eine Aussicht! Aus dem Wohnbereich gucken wir auf Stadt und Hafen, aus dem Schlafzimmer auf die Berge. Unseres. Ganz klar! Wunderschön! Wir feilschen noch ein bisschen um den Preis, Zahlen in Pesos und rechnen uns die Welt über den Dollar Blue ein bisschen schön, also günstiger. Egal, was soll’s? Wir ziehen ein und gucken seitdem überwiegend aus dem Fenster. Aus einer Parrilla eine Ecke weiter haben wir ein Brathuhn, aus einem Almacen Wein besorgt. Es ist halb elf. Noch dämmerig. 9 Grad frisch. Windstill. Vollmond über den Bergen. Lichter rund um die Bucht in der Stadt. Ein schönes Ende der Welt. Langsam, langsam kommen wir wirklich auf Feuerland an…

2 Kommentare zu „Ushuaia – irgendwie unwirklich“

  1. Gewaltige Gegen, mannomann, wo sich Hase und Schweinchen (oder war das ein Igel?) gute Nacht sagen. Und jetzt wieder auf der Schielenenseite hoch nach Norden, watten Trip! Oder?

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