booking.com spinnt heute morgen offenbar total. Wir gucken, ob wir vielleicht in der Nähe ein Zimmer finden, dass ein bisschen günstiger ist, aber die Antwort ist stereotyp: ausgebucht. Alles. An einem Donnerstag? Da stimmt doch etwas nicht… Um neun stehe ich an der Rezeption, die gerade erst besetzt wird. Nein, keine Chance. Und auch kein Tipp. Ganz Turin ist dicht, weil heute Abend das Länderspiel Italien gegen Spanien hier stattfindet. Ein wichtiges Qualifikationsspiel, das Menschen aus beiden Ländern hertreibt.
Natürlich glauben wir das erst einmal nicht. Sooooo viele Leute werden doch wohl nicht wegen eines Spiels herkommen. Doch. Wir gehen frühstücken in einem der Cafés um die Ecke, checken aus und verhandeln, dass wir das Auto bis nachmittags auf dem Parkplatz lassen durch. Inzwischen haben wir uns auch auf dem Weg Richtung Locarno ein Zimmerchen gebucht, genauer: in Chivasso, ca. 20 km entfernt, im Hotel La Noce.
Das ist geklärt, also haben wir den Tag noch in Turin, der Hauptstadt des Piemont. Über mehrere Jahrhunderte war die Stadt Sitz des Königshauses der Savoyen und Hauptstadt des gleichnamigen Königreiches, 14 verschiedene Schlösser in Turin und Umgebung zeugen von dieser herrschaftlichen Vergangenheit, einige kann man von der Stadt aus sogar sehen. 1997 wurden die Residenzen des Königshauses Savoyen in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts, besonders nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, war die Stadt wirtschaftlich und sozial stark vom Fiat-Konzern geprägt. Seit Anfang der 1990er Jahre hat die Bedeutung der Automobilindustrie jedoch stark nachgelassen, Fabrikanlagen wurden stillgelegt und Arbeitsplätze abgebaut.
Turin ist heute eine elegante Residenzstadt mit französisch inspirierten Kolonnaden, eleganten Kaffeehäusern und einer Architektur, die gelegentlich sehr an Paris erinnert. Die Stadt hat zwei wichtige Universitäten und stellt einen der wichtigsten kulturellen Anziehungspunkte Norditaliens dar: jedes Jahr findet in Turin eine der größten internationalen Buchmessen Europas statt.
Wir nutzen den Tag heute mit einem langen Spaziergang zu einem bemerkenswerten Markt an der Porta Palazzo. Die Ladies an der Rezeption des Hotels sind ganz erschrocken und warnen uns vor pick pockets, also passen wir gut auf unsere sieben Sachen auf. Das mindert keineswegs die Begeisterung für das Marktgeschehen. Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Käse, Kräuter, Haushaltswaren, Klamotten – teils in Hallen, teils unter freiem Himmel. Och, wie schön! Die Preise sind übrigens deutlich günstiger als in Deutschland, häufig kosten Lebensmittel etwas weniger als die Hälfte. Alle Sprachen der Welt werden hier gesprochen, sämtliche Hautfarben sind zu sehen, oft Kopftücher, nie Burkas. Es wird gekostet und gehandelt, gelacht und gebrüllt – grossartig!
Anschliessend besuchen wir noch ein paar Kirchen und Plätze, laufen durch Gassen oder flanieren über Piazzas. Heute ist es mit um die 15 Grad bei grauem Himmel deutlich ungemütlicher als gestern, aber Turin ist immer noch sehr schön. Bevor wir die Zelte hier abbrechen, sehen wir uns noch den Bahnhof mit seiner imposanten Fassade an, aber dann war’s das.
Wir verlassen die Grossstadt. Über die Landstrasse geht es nach Chivasso. Hier wurden übrigens früher Lancias zusammengeschraubt. Davon ist nichts mehr zu sehen und wir machen eine Siesta im Hotel. Doch anstrengend, dieses Herumgerenne. Der Pacer hat gestern sieben, heute bisher fast neun Kilometer aufgezeichnet. Deshalb sind wir nun auch so müde… Aber nachher essen wir noch in der Trattoria an der Ecke einen Happen und gucken dann Fussball. Kein spanisches Wort wird uns hier dazu über die Lippen kommen…