Stadt am Strand

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La Barceloneta war noch vor 30 Jahren eine Region, die Tucholsky „Nachtjackenviertel“ genannt hätte: Gangs und Gangster hatten sich zwischen verfallenden Häusern breitgemacht, die Ärmsten der Stadt kämpften einfach ums Überleben. Man sollte den Bereich tunlichst meiden, hieß es.

Das hat sich grundlegend geändert: Heute ist dieser Stadtteil von Barcelona, der direkt ans Mittelmeer grenzt, ungefährlich und zum Teil schon ziemlich aufgerüscht.

Wir biegen in Sichtweite der richtig großen Privatyachten in ein Gewirr von Straßen und Gassen, von denen einige so schmal sind, dass sie kurzerhand für Autos gesperrt wurden. Überall hängt Wäsche aus den Fenstern, alte Menschen, junge Punks und alterslose Schickmicks schwärmen durchs Viertel. Mittelpunkt ist eine Markthalle, die nur von Einheimischen frequentiert wird. Hier gibt es keine modischen Spitztüten mit Schinken, Käse oder anderem Fingerfood, hier wird abgewogen und verkauft. Basta.

Aus der Markthalle kommend steht man praktisch schon am Strand: Nur ein paar hundert Meter bis zur aufpolierten, breiten Uferpromenade, an der sich Restaurant an Restaurant reiht. In nördlicher Richtung sieht man schon einen riesigen stilisierten Fisch. Dort beginnt das Olympiadorf, dessen Entstehung mitsamt den Sportstätten das Bild von Barceloneta Anfang der 90er Jahre rasant verändert hat.

Wir wandern zum Olympiahafen, in dem heute Segelyachten aller Größen und Klassen festgemacht haben. Am Strand ist relativ viel los: Einige sitzen einfach in der Sonne, andere versuchen, Fakes oder übergroßen Tücher zu verkaufen, Kinder spielen, Muskelbepackte stählen die Muckis in einer open air-Bude.

Faszinierend, dass das typische Strandleben Teil einer quirligen Weltstadt ist. Und anders als zum Beispiel in New York muss man keinen Zug bemühen, um ans Meer zu kommen, sondern läuft einfach los.

Auf dem Rückweg essen wir etwas gegenüber der Markthalle. Eine Touristenfalle, die hinter uns zuschnappt. Sei‘s drum!

Wir brauchen eine Pause im Hotel. Auf der Dachterrasse ist es zwar gemütlich, aber heute sehr windig. Also Füße hoch und wieder einmal nach der Tagesschau zurück ins Leben. Irgendwo im Born entscheiden wir uns einfach für ein rotweiss gedecktes Restaurant und werden von Erik bedient. Der fröhliche Holländer, der ein bisschen wie ein langes, spindeldürres Gespenst aussieht, lebt seit 16 Jahren in Spanien. Nach Stationen in Madrid und Alicante ist er vor sieben Jahren in Barcelona hängengeblieben. „Die schönste Stadt der Welt“. Liebenswert, diese Begeisterung!

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