Siziliens tiefster Süden

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Die Luft flirrt bei über 30 Grad am Morgen, als wir Marsala, die Stadt des Windes, verlassen. Wie eine hauchzarte Organza legt sich der feinste Sand, den der Wind aus der Sahara hierher trägt, auf alles. Das Auto ächzt unter der Hitze und der unentbehrlichen Klimaanlage, während wir uns vom nur 140 Kilometer entfernten afrikanischen Kontinent dem Süden Siziliens zuwenden.

 

Entgegen allen Gepflogenheiten fahren wir ein kurzes Stück Autobahn. Schon nach 500 Metern springt ein aufgeregter Gendarm mit Kelle auf die Bahn. Was will der denn? Wir sind vielleicht, um einem irren Laster zu entkommen, eine Spur zu schnell…Ich mache ganz doll auf Bambi und sage “good morning”. Dadurch erschrickt sich der Carabiniero so sehr, dass er uns gleich weiterwinkt. Passa, passa… Gern. Mit der Abbiegung der Autobahn nach Palermo ruckeln wir geradeaus wieder über Landstrassen.

 

Ganz anders als im Norden der grössten Mittelmeerinsel ist die Landschaft zunächst überwiegend flach. Ein paar verlassene Bauernhöfe, Landwirtschaft, Weinbau. Ausser zwei, drei Schwalben keine Tiere in Sicht. Auf der Landstrasse schiebt sich mehr Verkehr nach Westen, in unserer Richtung ist es ruhiger.

Auf der Karte sieht es so aus, als könne man die ganze Küste mit dem Auto abklappern. Die Wahrheit zeigt sich schon in San Giorgio. Ohne SUV wäre man hier aufgeschnissen. Und auch wir erreichen die Klippen nicht ganz. Also wieder retour und weiter. In Sciacca (Tschakka!) verwuseln wir uns in den engen Gassen. Leider kann man auf der kleinen Piazza nicht einmal halten. Aus den Augenwinkeln sehe ich einen Fischer, der kleine Gambas puhlt. Lecker! Hotels sind dünn gesät, also weiter.

 

Rechts plötzlich eine parkende Karawane auf der Küstenseite. Neugierig und ahnungslos parken wir gleich mal mit und sehen nach wenigen Metern den berühmten weissen Felsen, die Scala dei Turchi vor Realmonte. Eine schneeweisse Treppe, die ins türkisfarbene Meer führt. Sehr beeindruckend. Wir werden schnell von der Polizei verscheucht, freuen uns aber sehr, hier gebremst zu haben. Realmonte ist die “Stadt der Orangen”. Entsprechend gross sind die Plantagen, an denen wir anschließend vorbeizuckeln.

 

Über uns schwebt wenig später Agrigento. Wir dümpeln in San Leone direkt an der Mündung des gleichnamigen Flusses. Drei Nächte werden wir im Hotel Dioscuri verbringen. Mit Engelszungen haben wir dem Mann an der Rezeption ein Zimmer mit Meerblick abgeschwatzt. Ganz schön. Vor allem der 25-Meter-Infinitypool, der an seiner flachsten Stelle 1,60 Meter tief ist. Nix für Nichtschwimmer und Zwerge. Und auch nur eine der Eigenheiten dieses 4-Sterne-Ladens. Das Restaurant öffnet nur abends am 8 und hat eine sehr durchschnittliche Minikarte. Den Barkeeper muss die nette Dame aus der Rezeption erst einmal suchen. Kaum ist er da, ist er auch schon wieder weg: Kein Eis an der Bar. Ähnlich unbeholfen geht es mit dem kompletten Service weiter. Aber egal. Nur nicht aufregen. Wir ziehen mit unseren Drinks auf unseren Balkon with a view, für den wir einen zweiten Stuhl organisiert haben. 

 

Abends machen wir an der Strandstrasse eine Entdeckung: die Trattoria Portobello. Auffällig ist der Wirt: schmal, klein, grauhaarig,  mit weisser, bunt akzentuierter Brille, deren Blauton sich in seinen Slippern wiederfindet, die er barfuß zu Jeans und weissem Leinenhemd trägt. Das ist Guiseppe. Er spricht uns an, weil er findet, dass Juan Flavio Briatore ähnelt. Briatore! Ist der blind?!?  Guiseppe hat dreissig Jahre in Köln gelebt und ist vor zwei Jahrzehnten mitsamt Ehefrau aus Leverkusen zurück in seinen Heimatort gekommen. Guiseppe gibt charmant und gern an. Sein Fisch sei der Beste von allen. Weil er ihn selbst jagt, mit der Harpune bei Nacht. Zum Beweis trägt er einen Riesenbrassen an unseren Tisch. Den würde es  morgen geben. Zart wie Rinderfilet. Mal sehen, ob wir uns das als Geburtstagsschmaus gönnen…

 

Der Tag beginnt turbulent: Post und Anrufe aus allen Ecken – großartig, das Geburtagskind zu sein!

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