Sizilien westwärts

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Was wir in der Schule nicht lernen: Der Italiener hat ein Geburtsrecht auf Mobilität. Sobald die Nabelschnur durchtrennt ist, schielt er auf ein Bobbycar. Dann kommt das Dreirad. Ein Fahrrad. Eine Vespa. Ein – juhuuuuu! – Auto. Mit all diesen Gegenständen lernt es der Italiener, auf die Jagd zu gehen. Mal hat er es auf einen Fußgänger abgesehen, mal auf einen jämmerlichen Giro-d’Italia-Nachäffer, am liebsten aber auf ein Auto. Er hängt sich einfach an alles, was sich bewegt.

 

Möglicherweise ist dieses Recht auf Sizilien noch mit mehr forza erstritten – zumindest wird es bis zum Anschlag ausgeübt.

 

Nun wissen wir also, dass jeder Mensch irgendwie verfolgt wird. Wir selbstverständlich auch.

 

Auf unserem Weg westwärts von Palermo, der uns zunächst nach Mondello führt. Das gilt als angesagtes Stranderlebnis, ist aber vor allem eines: voll! Natürlich reiht sich ein Balneario an das nächste. Und dort gibt es auch noch Lücken am Strand.

 

Aber an den frei zugänglichen Stellen kann von Abstand nicht die Rede sein. Natürlich verfolgen wir die Corona-Situation hier im Süden – und wir sehen schwarz.

 

In Castellammare, unserem nächsten Spähort, ist es Nächtens  alles voll. Aber tagsüber reißen sich Einheimische und Touristen meist zusammen.

 

Es ist Wochenende. Das heißt: Jeder, der irgendwie kann, reist ans Mer. Und jeder, der auch nur ein Feldbett in petto hat, vermietet. Das Hotel, das wir uns ausgeguckt haben, ist ausgebucht. Ob man vielleicht einen Tipp hätte? Diese Frage setzt einen komplexen Denkvorgang in Gang: Sie wollen uns unter keinen Umständen an andere verlieren. Also mieten wir für eine Nacht ein Apartment, das normalerweise für mindestens drei Nächte Minimum vermietet wird. Auch gut. Für uns. Das Marketing der Hotels bleibt undurchsichtig. Kein Platz, aber Kapazitäten? Wir hinterfragen das lieber nicht und ziehen ein. 

 

Ein Spaziergang am Meer bringt uns zum Dorfplatz in die einzige geöffnete Kneipe. Weinchen, Kleinigkeit zu essen – wunderbar. Der Pool des Hotels ist anschliessend bei über 30 Grad höchst erfrischend!

 

Abends stromert Juan los, besorgt Chips und Bier und berichtet von großen Menschenmengen, die sich in der Altstadt zusammenrotten. Sollen sie doch! Wir halten Abstand und bleiben zuhause.

 

Und nun? Natürlich kann man auch auf dieser schönen Insel nicht jede Bucht abklappern. Also laufen wir kurzentschlossen Trapani an.

 

Die barocke Altstadt nehmen wir wahr, das ungeheure Gedränge am Strand ebenso. Ein Hotel gefällt uns, also frage ich mal nach: Schon an der Rezeption sehe ich Hinweise von Reiseveranstaltern. Nächster Abflug: Katowice und Warsawa. Aha. Das Hotel ist komplett in polnischer  Hand. Kein Zimmer frei. 

 

Ähnlich ergeht es uns mit anderen Etablissements in Trapani. Was schön ist, ist ausgebucht. Oder mordsmässig teuer – 500, 600 Euro pro Nacht sind kein Einzelfall.

 

So leicht sind wir natürlich nicht zu erschüttern. Wir gucken noch ein bisschen Trapani an und machen uns dann über die Küstenstraße auf den Weg nach Marsala.

 

Marsala? Genau. Der süßliche Wein, der nur dann original ist, wenn er aus dieser Gegend stammt. Vorbei an hinreißend platten Salinen reisen wir in Marsala ein. Anders als in nahezu allen anderen Orten auf der Welt gibt es im Fischereihafen nur Fischer. Keine Osteria, keine Bar, nichts.

 

Unser Ziel ist das Hotel President. Quadratisch, praktisch, gut. Mit Pool, was bei Temperaturen immer gut über 30 Grad willkommen ist.

 

In der Nähe finden wir abends eine Osteria namens checcio und dort einen Platz im Garten. Tolle Vorspeisen und Pasta, aber das Dollste ist die Tiramisu, die durch Mascarpone auf der Zunge schmilzt. Jesses…

 

Bevor wir weiterziehen, sehen wir uns Marsala an. Den Dom, die Altstadt, die byzantinischen Ausgrabungen, das Meer. Hoch interessant, aber in der Hitze nicht einfach zu bewältigen.

 

Nach einer Siesta im President rollen wir in den hauseigenen Pool, bevor es wieder in die Stadt geht.

 

Unser Abendessen – eine sizilianische Aufschnittplatte und ein paar Bruschette – wird flankiert von wilden free jazzern, die im Nebenrestaurant ihr Bestes geben. Unsere liebsten Hamburger wären entsetzt! Aber uns beeindruckt das nicht so. Wir genießen unsere Platten und fahren beschwingt durch einen hervorragenden Nero d’Avola zurück ins President. Als Absacker gibt es noch einen amaro siciliano – schönen Träumen steht nichts entgegen.

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