Weil unser Hotel Colonia in der längst vergessenen Stadt Joaquín V. González überhaupt nicht puschelig ist, das Frühstück auch doof, hauen wir bald ab. Wieder auf die Ruta 16 und wieder zeigt sie sich von ihrer allerübelsten Seite. Noch so 100 Kilometer rütteln und schütteln, dann sollte es besser werden. Der Himmel könnte auch noch mal zulegen: Grau in grau, lausige 18 Grad.
Je näher wir an Salta herankommen, desto wärmer wird es. Man ahnt auch schon die Anden…
Aber erst einmal sind wir froh, die Ruta 16 hinter uns zu haben und auf die zweispurige, autobahnähnliche Ruta 9 (zugleich 34) einzubiegen. Auch Schrott. Jaja, wir wissen es: Mit ihren Straßen haben es die Argentinier nicht so sehr. Dafür entschädigt uns der Himmel. Es klart auf. 25 Grad. 28 Grad. 30 Grad. Links abbiegen nach Salta, Anden vor Augen – 33 Grad.
Wir kurven zum Warmeerden ein wenig in der schönen Stadt herum. Hier waren wir zwar schon mal vor 20 Jahren, um mit dem Tren a las Nubes eine der schönsten Zugstrecken der Welt hoch in den Anden bis an die bolivianische Grenze zu befahren, aber von Salta ist nicht viel kleben geblieben. Juan erinnert sich an die große Plaza vor der Kathedrale, „da haben wir doch mit Mama einen Kaffee getrunken.“ Ach, ja? Also auch keine Erinnerung. Wir waren nämlich ohne Mama hier. Sie begleitete uns zu den cataratas nach Iguazu…
Also lernen wir Salta erst einmal kennen. Nach einem kurzen Überblick in der Avenida Jujuy das Unternehmen Pirelli. Wir werden doch zwei neue Reifen kaufen, weil wir über den ganz, ganz großen Hügel nach Chile fahren werden. Atacama? Atacama. Aber zunächst einmal ist Pirelli wie alles andere in der Stadt geschlossen. Siesta bis 5.
Wir haben noch kein Zuhause, wollen auf jeden Fall zwei Nächte in Salta bleiben. Natürlich hat booking.com und schon mal was gezeigt. 14 Kilometer von der Stadt entfernt in San Lorenzo. Da fahren wir hin. Sehr schöne Anlage. Sehr schönes, gepflegtes Viertel. Prokura aufwärts. Aber von der Lage ein bisschen so, als würde man einen Hamburg-Touristen in Poppenbüttel einquartieren. Och, nö.
Es wird das krasse Gegenteil, nämlich das Hotel Colonial direkt an der Plaza. Sehr gediegenes Haus mit toller Kolonialfassade, innen annehmbar. Mir gefällt vor allem ein Salon mit großem offenen Kamin, der natürlich im Moment nicht brennt, aber ich kann es mir ja vorstellen.
Direkt an der Plaza ziehen wir auch Geld von unseren argentinischen Konto, das aber sehr limitiert ist. Aber hier lauern unsere Dealer. Unter den Augen der zahlreich vertretenen Polizisten werden Dollar und Euro gegen Pesos getauscht. Wir versuchen es erst einmal mit 200 Dollar. Superkurs, alles gut. Reicht das schon für Pirelli? Noch nicht ganz, aber wir legen später noch mal bei einem anderen Schwarztauscher 200 nach.
Schon als wir das Grauchen adoptiert haben, war uns klar, dass die Reifen das beste hinter sich haben. Wie wir inzwischen wissen, stammen sie aus dem Jahr 2011. Und natürlich haben sie die weite Reise von Vancouver nach Buenos Aires hinter sich. Wir haben noch mal 6000 Kilometer bisher draufgelegt. Sie sind in die Jahre gekommen, einer vielleicht sogar schon ein bisschen Brüchig, die Profile flach. Also muss was geschehen. Vor allem wollen wir nicht wegen der Reifen zittern müssen, also zunächst zwei neue, denn zwei sind noch ziemlich annehmbar. Oder? Morgen um neun ist der Termin, vielleicht werden es ja doch noch vier. Wir sind unmöglich. Aber wir kennen ja die Ecke, an der aus Dollar Pesos gemacht werden…
Am Abend schlendern wir noch höchst gemütlich um die Plaza. Dinner in einer eleganten Parrilla in einer Seitenstraße; eine gute Empfehlung des Concierge. Wir bestellen zum Malbec eine winzige Chorizo als Appetizer, dann jeweils ein Stück Fleisch und Salat. Der Panqueque Dulce de Leche, den wir zum Schluss teilen, ist bemerkenswert, weil er Crêpe, Süßes und Krokantes perfekt kombiniert. Nun ist es fast Mitternacht, aber auf der Plaza finden wir noch eine Bar namens van Gogh für einen Kaffee und einen kleinen Cointreau. Ist das Leben nicht wunderbar ?