In der Nacht im Goldstream Provincial Park ist kein Laut zu hören. So ruhig, dass es fast schon wieder unheimlich ist. Aber es ist kalt in unserem Kistchen, lausig kalt. Zum Glück haben wir unsere Ikea-Allzweck-Fleece-Decken. Morgens machen wir erst einmal ein paar Freiübungen, bevor es Kaffee vom Coleman-Kocher gibt. Während Juan zum Waschhaus interwegs ist, spaziert ein Herr mit riesigem Deutschen Schäferhund vorbei. Genau meine Kragenweite… Trotzdem kommen wir ins Gespräch. Der Gute hofft, in mir eine Holländerin zu finden. Wahrscheinlich, weil ich eher wie Frau Antje als Céline Dion aussehe. Ach, wie schade, dass ich ihn da enttäuschen muss: Er selbst ist vor vielen, vielen Jahren aus Holland nach Ontario ausgewandert und lebt nun mit seiner Frau seit sieben Jahren auf Vancouver Island. Der Hund ist tatsächlich besondern gross: Zweieinhalb inches höher als gewöhnlich. Sogar ich alter Feigling muss zugeben: ein sehr schönes Tier! Nur eines macht meinem neuen Freund Sorge: Er hat sein Tier chippen lassen und nun in Foren gelesen, dass viele Hunde im Bereich des chips an Krebs erkranken: „He’s our kid!“ Ich weiss, wovon er redet… Wir wünschen einander Glück und verabschieden uns.
Bevor wir aus dem Wald verschwinden. machen wir aber noch einen kleinen Rundgang. Tolle Wanderwege unter extrem hohen, kerzengerade Nadelbäumen, von denen uns einer zu einem Wasserfall führt. Allerdings: Schon beim Anblick der vielen, vielen steilen Treppen, die zum Fall hinunter führen, bekommt man beim Gedanken an den Aufstieg bereits Atemnot… Aber wir klettern trotzdem und werden damit wenigstens warm. Langsam zeigt sich sogar ein bisschen Sonne.
Kleines Frühstück, aufräumen… Das ist unser grosses Thema: Obwohl wir ziemlich gut aufgepasst haben, sind viel zu viele Klamotten um uns herum. Unser Dachgepäckstück ist extrem hilfreich; wir werden es noch besser ausnützen müssen, damit wir nicht ständig räumen und uns entsprechend anraunzen.
Aus dem Wald wollen wir uns Meer. Der Weg dahin ist ziemlich eng und kurvig, aber verwunschen-bildschön: Durch hohe Wälder, vorbei an Flüsschen – nur bei Gegenverkehr wird es ein bisschen eng. Das ändert sich, als wir irgendwann wieder auf einen Highway einbiegen. Nr. 14 bringt uns direkt an den Pazifik. In Sooke, einem recht beschaulichen Ort, in dem es eines der besten Restaurants Kanadas geben soll (das testen wir nicht), schauen wir mal eben bei der tourist info vorbei, schnacken wieder mit einer alten Dame. Offenbar werden die Touristenladies alle ehrenamtlich tätig, wenn die Enkelkinder aus dem Haus sind…
Jedenfalls gibt uns die Lady wieder Karten und wir fahren ganz entspannt weiter. Der Campingplatz im Wald beim French Beach (26$) ist ganz schön. Der berühmte China Beach, ein Winter-Dorado der Extremsurfer, liegt gleich in der Nähe, aber der schreckt uns ab.
Nicht, weil man vom camp ground zum Strand zwei Kilometer laufen muss, sondern weil ganz massiv vor Diebstählen auf dem Parkplatz gewarnt wird. Das fehlte uns ja gerade noch.
Vor Bären wird hier übrigens nur gewarnt, wenn sie besonders aktiv sind. Sonst muss man einfach immer dacon ausgehen, dass sie in der Nähe sind. Auch ein paar Coogars lungern rum, man sollte also ab und zu mal nach links und rechts, vor allem auch nach oben gucken….
Wir hatten schon vorher einen Platz direkt an der Juan de Fuca Strait, also gegenüber von Washington State, USA, ins Auge gefasst. Als wir bei strahlendem Sonenschein auf den Platz fahren, stehen in der ersten und einzigen Reihe direkt am Meer mal gerade zwei riesige Wohnmobile, aber langsam füllt sich der schöne Ort. Die Übernachtung kostet inkl. Plumsklo 15 Dollar. Da kein Platzwart vorhanden ist, checkt man sich selbst ein: Platz aussuchen, Bogen ausfüllen, Bares in einen Unschlag, einwerfen – fertig. Weil wir wissen, dass am kommenden Wochenende wegen des Victoria Days hier die Hölle los sein wird und kaum noch Plätze zur Verfügung stehen, checken wir gleich fünf Tage ein. Egal, wie das Wetter wird – ein Platz am Meer ist immer schön. Wie wir uns im Falle eine Erdbebens verhalten sollen, erzählen sie uns auch gleich via Plakat: Wenn’s garstig schüttelt, abhauen in höher gelegene Regionen, damit einen die böse Welle nicht erwischt. Wir hätten nichts anderes im Sinn… Wir werden also einfach aufs Meer gucken, bis alle Feierwütigen wieder weg sind und sind ein bisschen gespannt, was am Wochenende tatsächlich los sein wird… Que será, será 🙂 Little Miss Rosie wird links und rechts von grossen Wohnschiffen flankiert, aber wir haben genügend Luft, einen Tisch mit Bänken und eine Feuerstelle.
Direkt neben uns stehen Cortina (wegen Cortina di Ampezzo, in den Namen war ihre damals schwangere Mutter zu den Olympischen Winterspielen dort so verliebt. Aber in der DDR ging Cortina allein nicht, deshalb heisst sie mit Zweitnamen Manuela. Das nur nebenbei) und Klaus aus Berlin. Die beiden kommen aus dem Osten, es spricht aber nur Klaus. Und wie seine Frau kaum englisch. Das hat sie aber nie daran gehindert, auf Tour zu gehen. Sie sind zum zehnten Mal in Kanada und Alaska, diesmal drei Wochen auf Vancouver Island. Wir kommen ins Gespräch, weil uns das Feuerzeug ausgegangen ist und hören uns von Klaus begeisterte Reiseschilderungen an. Nach dem Essen – Nudeln mit Tomatensauce mit einem Restwürstchen von gestern – rückt Klaus mit Streichhölzern an. Ausserdem hat er noch jede Menge Feuerholz irgendwo in der Wildnis geklaut. Das schenkt er uns, weil die beiden in ein paar Tagen wieder zurückfliegen. Da er unserer kleinen Axt nicht so recht übern Weg traut, hackt er die dicken Scheiben auch noch klein. Etwas später bringt er eine Karte vorbei und ein paar Tipps für den Norden. Ungefragt erzählt er uns, dass er und seine Cortina mit KLM rübergeflogen und für die drei Wochen Camper bei Canusa 800 Euro bezahlt haben. Das ist wirklich günstig!
So, nun gucken wir noch mal über unser Lagerfeuer hinweg auf den Pazifik – nein. Kein Orca in Sicht. Auch nichts anderes ausser ein paar Frachtschiffen. Klaus kommt noch mit einem weiteren Kartenwerk, dann verabschieden wir uns. Sehr nette Leute, diese beiden Berliner!