Patagonische Winde

600 Kilometer nach Norden bis Perito Moreno, ein paar Kilometer östlich vom Lago Buenos Aires. Hört sich nach mitteleuropäischen Verhältnissen fast an wie ein Katzensprung, hat es im Süden Südamerikas aber in sich…
Relativ spät, weil wir noch etwas auf der Bank zu erledigen hatten, machen wir uns auf den Weg. Kleiner Stop am Lago Viedma, um die Aussicht auf den Fitzroy und die gesamte Bergkulisse und den großen Gletscher noch einmal einzuatmen. 80 Kilometer weiter geht es dann auf die Ruta 40. Direkt an der Kreuzung stehen 10, 12 durchgefrorene Tramper, die alle nach Norden wollen. Kein einfaches Unterfangen auf einer nahezu menschenleeren Straße. Dass sie da nun auch noch im Pulk stehen, macht es sicher nicht leichter…
Aber das Grauchen ist ohnehin voll bis unters Dach. Also machen wir uns bei starkem Wind auf Richtung Gobernador Grigoris. Allerdings ist hier der Wind nicht das einzige Problem, wir haben auch noch eine hübsche 80-Kilometer-Sandpiste vor uns. Und die hat es wieder einmal in sich. Zwar kann man streckenweise auch mal 70 fahren, in der Regel aber 40, 50. Höchstens! Außerdem muss man ständig die Augen offen halten. Hier hoppelt mal ein Hase, da wetzt dann ein Gürteltier über den holprigen Weg, Guanakos drehen auf dem Huf um, um direkt vors Auto zu laufen, wilde Pferde galoppieren durch die Wind, Schafe suchen Schutz unter niedrigen Büschen.
Wahrscheinlich war es der strahlende Sonnenschein, der Doug Tompkins und fünf Freunde zu einer Kayaktour auf dem See, an dem wir uns gerade befinden, bewogen hat. Doch dann ist der erfahrene North Face Gründer gekentert. Unterkühlt im eiskalten Gletscherwasser, Tod mit 72. Damit verliert die Welt einen großen Naturschützer, der in Chile und Argentinien große Flächen aufgekauft hat, um sie dann mit seiner Stiftung unter sehr naturverbundenen Bedingungen wieder zurückzugeben. Wir überlegen gerade, ob wir doch noch nach Pumalin, in den größten Park Chiles, fahren, als wir die Meldung vom Tod des Gründers mitbekommen.
Aber erst einmal sind wir auf dem Weg, haben die Huckelpiste hinter uns und trinken in Gobernador Grigoris an der Tankstelle einen Kaffee. Dort sind schon ein belgisches Paar, ein französisches, ein Biker aus Kalifornien und ein Bikerpaar aus der Schweiz, das aus Alaska kommend auf dem Weg nach Ushuaia ist.
Auf der Ruta 40 trifft man viele Overlander. Die Straße ist nicht nur Teil der Panamericana, sondern ganz klar die Traumstrasse aller Traveller on tour. So beschwerlich sie manchmal auch sein mag. Juan will an einer Ecke ein Bild machen, bekommt fast die Tür nicht auf, weil es so windig ist. Inzwischen ist es auch fünf. Wo können wir bleiben?
Während wir noch überlegen und vom Wind durchgeschüttelt werden, kommt uns ein Fahrradfahrer entgegen. Man begegnet hier einigen auf großer Fahrt. Das sind wirklich Helden. Mannomann. Dieser hier auch: Er kämpft gegen den Wind, ist allein unterwegs und hat kaum eine Möglichkeit, Schutz zu finden. Wahrscheinlich lässt er sich einfach irgendwo fallen, schlüpft in einen Schlafsack und macht morgen einfach weiter. Und übermorgen. Und… Das ist wirklich eine große Leistung, die Panameriacana mit dem Rad zu bewältigen!
Wir kommen nach Baja Caracoles. Eigentlich hatten wir überlegt, hier zu übernachten. Aber es ist ein lausiges Nest. Juan guckt sich die Übernachtugnsmöglichkeit an und will lieber weiter.
Also nochmal 150 Kilometer, dann reiten wir gegen neun in Perito Moreno ein. Wir finden, was wir gehofft haben: eine günstige Unterkunft gleich mit Restaurant. Letzteres wird zwar gerade für eine Familienfeier genutzt, aber für uns fallen noch zwei Schnitzel mit Püree und Salat ab. Einfach und gut.

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