Oh, Rosie!

Wir haben einen tollen Tag hinter uns: Bryce Canyon mit seinen grossartigen Felsformationen, dann ein Ausflug in die Pink Dunes, eine Wüstenlandschaft mit rosaroten Dünen. Das sollte eigentlich eine Abkürzung des Weges nach St. George, auf der Grenze zwischen Utah und Nevada, sein. Ist es aber nicht. Die Strasse führt nach Arizona, und genau auf der Grenze wird sie zur üblen Huckelpiste. Was aber viel beängstigender ist: Sand! Hoher Sand! Vorsichtig und millimeterweise dreht Juan das Auto um. Das fehlte gerade noch, dass wir in äusserster Einsamkeit bei über 30 Grad im Sand steckenblieben. Es geht gut, wir fahren wieder auf die 89. Fast drei Stunden hat uns der Umweg gekostet, den wir genommen haben, weil wir keine Lust hatten, 30 Dollar für die Durchfahrt durch den Zion Nationalpark zu bezahlen…

Nun fahren wir durch die Wüste, die ein wenig an Patagonien erinnert, sind schlecht gelaunt und schwitzen. Je tiefer wir kommen – seit langer Zeit endlich mal wieder unter 1000 Meter – desto heisser wird es. Nach steiler Abfahrt landen wir in Hurricane, Utah. Es ist Freitag, vier Uhr nachmittags, Temperatur um 40 Grad. Der Freitag vor dem langen Wochenende, denn Dienstag, am 4. Juli, wird hier der Unabhängigkeitstag gefeiert. Wer kann, nimmt sich frei.

 

Mitten im Ort Hurricane nimmt Rosie plötzlich die Gänge nicht mehr an. Juan lässt das Auto auf den Seitenstreifen rollen, den es hier zum Glück gibt, macht aus, wieder an. Rosie rollt, aber kriegt die Automatik-Gänge nicht mehr zu fassen. Wir schaffen es gerade noch, in die Werkstatt ein paar Meter weiter einzurollen.

 

Shorkey, der Mechaniker, schnüffelt am Getriebeöl. Ihm ist sofort klar: Getriebeschaden. Er könne nun aber überhaupt nichts für uns tun, denn er sei quasi auf dem Weg in den Urlaub. Aber er telefoniert mit einem Kollegen bei Rare Automotive, zwei Meilen nordwärts.  Dort sollen wir nach Dustin fragen, der wisse Rat.

 

Aber wie kriegen wir Rosie dahin? Die schafft das, ist Shorkey zuversichtlich. Mit letzter Kraft bringt Juan das kaputte Auto über den vielbefahrenen Highway auf die Gegenseite, dann ist Schluss. Rosie rührt sich nicht mehr. Was tun?

 

Bei 39 Grad im Schatten ohne Schatten mache ich mich zu Fuss auf den Weg. Es ist heiss, es ist weit. Ich bin froh, im klimatisierten Office von Rare Automotives zu landen. Die Jungs dort sind extrem hilfsbereit. Da Shorkey ihnen das Problem schon geschildert hatte, wissen sie Bescheid und hängen sich wegen eines Austauschgetriebes ans Telrfon. Good news. Sie werden im tiefsten Süden Arizonis fündig. In einer Woche könnte das Getriebe hier sein. Eine Woche in Hurricane, Utah… Not so good news.

 

Erst einmal muss Juan her, der seit weit über einer Stunde bei der extremen Hitze im Auto sitzt und sich bestimmt auch Sorgen um mich macht. Auch hier sind die Jungs sofort hilfreich, schicken mich mit einem jungen Mechaniker los, um ihn abzuholen.

Rosie und Juan haben sich nicht von der Stelle gerührt. Es ist viertel nach fünf, als wir gemeinsam eine Entscheidung treffen müssen. Für heute abend und insgesamt acht Nächte haben wir ein Las Vegas ein Apartment zum Ausruhen gebucht. Das ist ungefähr 180 kilometer entfernt…

 

Wir haben eine adac pluskarte, die hilft auch via AAA in den USA. Also Abschleppen nach Vegas, dann weitersehen. Vegas hat viele Werkstätten, Parker von Rare Automotives kennt einen Ersatzteilladen, der wohl ein Getriebe hat. Um sechs schliesst die Werkstatt, der Abschlepper wird zwischen sieben und halb acht anrollen.

 

Wir gehen nebenan in einem Schweineladen Wasser trinken, dann kommt Eric mit seinem Abschleppwagen. Ein wirklicher netter Kerl, der Rosie zunächst auf den Abschlepper hievt, aber einen Fahrzeugwechsel auf Truck & Trailer ankündigt. Mit Rosie huckepack fahren wir zum Wohnhaus seines Chefs. Freitag abend….

 

Unsere ADAC Karte ist offenbar für 5 Meilen gut, die kanadische Versicherung, mit der wir auch telefonieren, faselt von 50 Dollar. Kanadische…Es nützt nichts, wir müssen eine Entscheidung treffen, die Kiste und wir müssen nach Las Vegas. 700 Dollar kostet der Spass. Auch egal. Kann man vielleicht später irgendwie regeln.

Eric manövriert olle Rosie auf den Trailer, der Ford-Truck zieht an, los geht’s. Eric hat uns schon mal mit Wasser für die Fahrt versorgt, dann machen wir einen Tankstopp bei Maverick. Dort wartet seine Frau mit seinen beiden jüngsten Kindern zum Gute-Nacht-Sagen, denn Dad wird heute spät nach Hause kommen.

 

Auf der Fahrt durch die Wüste erfahren wir, dass Dad oft spät nach Hause kommt, denn um seine acht Kinder durchzufüttern, hat der 46jährige drei Jobs: Tagsüber als Fahrer schwerer Geräte im Strassenbau bei der Stadt, dann bei den AAA-Leuten, am Wochenende fährt er einen 110-Fuss-Truck von St. George nach Las Vegas. Mit Milch. Die schwappt während der Fahrt mächtig, erzählt der fröhliche Eric.

 

Wenn wir nicht schnacken, telefoniert er, simst ein bisschen, singt einen Countrysong mit oder sucht Familienfotos, um stolz die Seinen zu zeigen. Inzwischen ist es stockdunkel in der Wüste. Zwar liegt Las Vegas eine Stunde hinter Hurricane, wir gewinnen also eine Stunde, aber als wir auf den Parkplatz des The Berkley rollen, ist es dunkle Nacht und knapp elf Uhr. Statt Rosie vor irgendeiner Werkstatt zu lassen, hatte Eric die Idee, sie vors Hotel zu stellen. Wir können sie dann via AAA ja in die Werkstatt ziehen lassen und hätten alle Klamotten dabei. Guter Plan.

 

Wir verabschieden uns bei immer noch fast 40 Grad, hieven das Gepäck in das tolle Apartment. Dem Mädchen an der Rezeption erkläre ich unseren späten check-in, sofort sucht es die Adresse ihres Automechanikers raus. Der sei gut und zuverlässig und würde wirklich nur das tun, was nötig sei. Als Juan ihr das Gepäckcart zurückbringt, gibt sie ihm eine ausgedruckte Liste mit Mechaniker-Alternativen.

Wir wanken in das nächstgelegene Casino, zu dem auch The Berkley gehört, um etwas zu essen. Es gibt etwas Chinesisches und ein Bier. Eric fährt zwei Stunden nach Hause und morgen ab sechs seine Milch wieder nach Las Vegas. Worüber beklagen wir uns eigentlich?

Wir sind trotzdem fix und alle, ein bisschen deprimiert. Aber irgendwie auch froh, denn es hätte ja alles noch viel schlimmer kommen können. Rosie hätte irgendwo in der Wüste aufgeben können, Oder es hätte jemand drauffahren können, als sie kaputtging. Oder, oder, oder. Uns ist nichts passiert. Das Auto ist kaputt. Darum werden wie uns morgen, Sonnabend vorm langen Wochenende kümmern. Und um einen Mietwagen, denn Vegas ist riesengross und ohne Auto bist du hier aufgeschmissen. Wir werden sehen. Nur mit der Erholung sehe ich ein bisschen schwarz.

1 Kommentar zu „Oh, Rosie!“

  1. auweia, das ist ja saublöde. Aber hauptsache Ihr seid gesund – da macht man sich ja schon seine Gedanken, wenn man einen Tag nix hört. Und besser in Las Vegas festhängen als in Hurrikan. Wird schon alles klappen und die Kohle holt Ihr einfach beim Black Jack wieder rein 😉 Fühlt Euch gaaaanz doll gedrückt von Eurem Schippi & Ming

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