Das Apartment, das wir hier in Ushuaia gemietet haben, verführt zum Nichtstun. Stundenlang sitzen wir einfach nur am Panoramafenster und gucken, was sich in der Stadt und in der Bay so tut. E. Annie Proulx „Schiffsmeldungen“ kommen mir in den Sinn, zumal Juan eine Website aufgetan hat, über die er die Bewegungen der Kreuzfahrtschiffe feststellen kann. Die Saison beginnt gerade, aber schon ist bekannt, dass es 14 Prozent mehr Tourismus durch die Antarktisfahrer geben wird. (Eine 12-Tage-Last-Minute-Tour gibt es ab und bis Ushuaia übrigens schon zum Schnäppchenpreis von 5 000 Dollar pro Nase. Das ärgert vor allem alle, die ein Mehrfaches bezahlt haben). Demzufolge vermehrt sich das touristische Angebot rasant. Ausfahrten in den Beagle-Kanal, Flüge mit Helikopter oder Kleinflugzeugen, Ausflüge mit dem Bus.Irgendwann am späten Vormittag raffen wir uns auch auf und fahren die 20 Kilometer bis zum Nationalpark. Natürlich geht es bald wieder über ripio, also über Schotterpisten. Wir zahlen 170 Pesos Eintritt für mich, Juan geht als argentinischer Rentner durch und zahlt darum nichts. Aber wir ärgern uns bald. Grund dafür sind all die Touristenbusse, die trotz der 40 km/h-Beschränkung mit einem Affenzahn über die Piste brettern und dabei so viel Staub aufwirbeln, dass wir manchmal die Hand vor Augen nicht sehen.
Dass wir uns den südlichsten Zug der Welt, den Tren Fin del Mundo, schenken würden, hatten wir schon vorher beschlossen. Auf einer nur 50 Zentimeter breiten Spur fährt das rein touristische Züglein exakt 7 Kilometer durch den Nationalpark. Zu dritt sitzt man in einer Reihe, guckt links, guckt rechts und zahlt dafür 50 Dollar pro Person. Hätten wir gemacht, wenn etwas so Schönes wie der Glaciar Express in der Schweiz im Angebot gewesen wäre, aber so? Och, nö.
Stattdessen sind wir begeistert von den Bildern, die sich uns bieten. Schneebedeckte Berge, grüne Seen, dichte Wälder – es ist traumhaft schön hier. Wir suchen die dicken Jacken aus dem Gepäck, denn es weht ein eiskalter Wind, der uns die Wanderungen ein bisschen vermiest. Wieder einmal haben wir Glück mit unserem Timings. Kaum haben wir das, was wie sehen wollten, hinter uns, rauschen die Busse heran. Aus der ganze Welt kommen die Touristen hierher, um dieses Zipfelchen Feuerlands, das an Chile grenzt, zu bewundern. Wir sind hier 40 Kilometer vom Pazifik, 160 Kilometer vom Atlantik entfernt.
Und weil wir schon so viele tausend Kilometer auf der Ruta 3 gefahren sind, bringen wir diese Straße auch zuende. Über 3000 Kilometer bis Buenos Aires und etwas über 17000 bis Alaska. Genauso viele Kilometer sind wir auch bisher gefahren. Hätten wir einfach Kurs nach Norden gehalten, wären wir jetzt in Anchorage 🙂
So aber genießen wir noch ein bisschen den Park, bevor wir wieder in unser schönes Krähennest fahren. Ein paar Overlander sind da, ein Toyota Land Cruiser aus Hannover, mehrere Zelte. Nach dem Verlassen des Parks stoppen wir noch im Hafen, gucken wir ein paar Yachten an, die hier liegen. Belgier, Amerikaner, Franzosen auf wirklich großen Segelschiffen, offenbar alle auf ganz großer Fahrt. Mir fällt eine rote Yacht auf, die Sarah W. Vorwerk heißt. Ein Charterschiff, dass um Kap Hoorn oder in die Antarktis segelt, Heimathafen Ushuaia. Wie schön, dass wir da nicht mitmüssen. Es ist jetzt schon richtig, richtig kalt. Hier wird auch nie gebadet. Selbst im höchsten Hochsommer sind 10 Grad Wassertemperatur im Meer, in den Seen und Flüssen das höchste der Gefühle… Wir befinden u s noch im frühen Frühling…
Eigentlich wollen wir in unserem schönen Interimszuhause nur einen Kaffee trinken, aber wir bleiben einfach hängen, lümmelt auf Sofas herum und gucken immer wieder auf die sich verändernde Situation im Hafen. Ein, zwei große Schiffe kommen und gehen, die Hanse Explorer liegt nach immer in der Bucht. Für 180 000 Dollar plus Nebenkosten kann man den Dampfer für eine 12tägige Antarktisexpedition chartern. Zwölf Passagiere haben auf dem Pott Platz. Allein die Auslaufkosten aus Ushuaia Kosten 8000 Dollar. Alles wirklich happig 🙂
Aber: Es ist richtig schön hier oben in unsere Bude. Dann gehen wir eben morgen ins Museum, bummeln durch die Stadt und besorgen ein paar Kleinigkeiten. Heute Abend gibt es hier gekochte Nudeln mit einer Tomatensauce, in der die Reste des Huhns von gestern landen, einen schönen Malbec. Und vor allem den Blick. Schippi schickt ein Bild mit ihrer Weihnachtsdekoration, da kommt ein kleines bisschen Heimweh auf. Aber der Blick aus dem Fenster und ein tiefes Durchatmen lässt einen darüber hinwegkommen. Nachher gratuliere ich Sabine noch zum Geburtstag. Das habe ich zwar heute auch schon getan, aber eben 24 Stunden zu früh. Man wird auf Reisen leicht tüdelig 🙂