Muscheln und Moneten

31981DBF-BBB7-4E16-BE63-AABF75921BC3

Früh morgens hören wir in Baiona ein ganz ungewöhnliches Geräusch: Regen! Nach so langer Trockenzeit ein ausgesprochen schönes Plattern, was leider mit einem kleinen Temperatursturz einhergeht: 14 Grad. In Hamburg sind es 16. Aber das ist alles nicht so dramatisch, denn vor uns liegt ein Reisetag. Wir wollen uns die Rias mal ein bisschen genauer ansehen.

Abschiedsfrühstück in der Bar: Kaffee und Croissants, dann noch ein letzter Blick aus dem Fenster unseres tollen Zimmers – und los. Als Erstes fällt uns auf, wie bebaut die ganze Gegend ist. Kaum Lücken zwischen den Dörfern, alle haben Meerblick. Die Rias, die tiefen Einschnitte des Atlantiks, die Fjorde Galiziens, sind aber auch schön!

Vigo ist ein Hafenstadt, auf die wir nur einen halbherzigen Blick werfen – nichts wirklich Umwerfendes. Außerdem steht uns der Sinn auch nicht so sehr nach Stadt.

Über kurvenreiche, in der Karte fast ausnahmslos grün eingezeichnete Straßen schlängeln wir uns immer an der Küste entlang, klettern mal auf ein Kap, sind aber überwiegend im Auto unterwegs. An uns vorbei zieht die hügelige Landschaft mit viel Wein-, Land- und Holzwirtschaft. Es ist auch längst wieder trocken und zwischen 20 und 23 Grad warm. Ein Päuschen gönnen wir uns dann in O Grove, das wie das Ende der Welt zu sein scheint. Aber nur auf der Karte! Der Küstenort entpuppt sich als reines Touristenspektakel mit Bootstouren, Springburgen – und glücklicherweise einer Ausfahrt.

Weil wir ja nur noch 80, 90 Kilometer entfernt sind, starten wir in Richtung Santiago de Compostela, dem ersehnten Ziel all der Pilger, die uns über den Weg gelaufen sind.

Es ist halb fünf, als wir ankommen und noch im Kopf haben, das man in der Stadt ja auch irgendwo übernachten könnte. Tatsächlich findet sich in einer Gasse ein Parkplatz. Damit wir das Auto auch immer wiederfinden, haben wir uns angewöhnt, den jeweiligen Standort der Kiste auf google maps zu markieren.

Und los geht’s ins Getümmel. Wie jeden braven Pilger treibt es auch uns zunächst einmal zur Kathedrale. Bevor wir das sakrale Bauwerk überhaupt von vorn zu sehen bekommen, bietet sich ein ganz anderes Schauspiel: Quer über den Platz heizen ein paar schicke Cabrios: Lamborghini, Porsche, Ferrari aus Deutschland, England, Frankreich und der Schweiz. Wie diese offenbar private Rallye es geschafft hat, für diesen Abstecher vor die Kathedrale eine Genehmigung zu bekommen, bleibt ein Geheimnis. Gottes Lohn? Wir haben Zweifel…

Nach dem letzten Brummbrumm also die Kirche, vor der einzelne Menschen lagern, Grüppchen singen und fliegende Händler feilschen. Im Namen der Muschel, dem christlichen Erkennungszeichen der Pilger, wird hier ordentlich Kohle gemacht. Juweliere bieten Anhänger, es gibt Etiketten auf Weinflaschen, Käse und Schinken, Shirts und Schuhe – nichts geht ohne.

Einen Pilgerpass mit christlicher Anerkennung der Pilgerreise bekommt nur, wer mindestens 100 km gelaufen oder geritten ist, bzw. mindestens 200 km mit dem Fahrrad unterwegs nach Santiago de Compostela war und sich die einzelnen Etappen hat abstempeln lassen. So eine Pilgerreise hat mit Respekt vor der Kirche, mit Selbstreinigung und Klärung des Geistes zu tun. Sie ist – und soll es auch sein – eine anstrengende Angelegenheit, die man einigen auch ansieht. Wenn man dann meist vergeblich versucht, in die Kathedrale zu kommen, weil da gerade Umbauarbeiten stattfinden, ist man vielleicht ein bisschen enttäuscht. Aber den Pilgern werden Ausweichgottesdienste in anderen Kirchen  geboten. Und eines bleibt ihnen ebenfalls in der Kathedrale selbst: Die Krypta und der Zugang zur Statue des Heiligen Jakobus, sodass das Pilgerritual, die Figur rücklinks zu umarmen, weiterhin durchgeführt werden kann.

Von uns nicht, wir müssen einen Weg aus dem Trubel finden, denn eines ist sicher: Hier bleiben wir nicht! Die Mischung aus Rothenburg ob der Tauber, Hamburger Dom (ja, es gibt sogar ein Riesenrad) und Souvenirflut ist nichts für uns.

Unsere Heimat ist bekanntlich das Meer, 70 Kilometer sind es bis Muxia – das kriegen wir noch hin. Kurz vor der Küstenstadt fällt uns auf einer Anhöhe eine „Pension rustico“ nebst Restaurant auf und nach einer kurzen Fahrt durch Muxia auch wieder ein. Am Straßenrand buchen wir uns dort über booking.com ein Zimmerchen mit Frühstück für 45 Euro und kommen nur Minuten später um acht an.

Das Zimmer ist einfach und niedlich, das Essen des familiengeführten Betriebes gut: Sie bringt uns den Wein, er steht in der Küche. Juan isst Bacalao, also Fisch, ich in Rotwein geschmorte Kalbsbäckchen. Beides grossartig. Kurz nach zehn fallen wir todmüde ins Bett…

 

2 Kommentare zu „Muscheln und Moneten“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen