Im Bahnhof von Da Nang sitzen wir dem leibhaftigen Grund dafür, dass wir für unsere 12-Stunden-Reise nach Nha Trang zwei Kojen im Soft Sleeper gebucht haben, gegenüber. Zunächst sind sie zu dritt: zwei Männer, eine Frau, alle so um die 60. Man sieht ihnen an, dass sie ihr Leben lang schwer körperlich gearbeitet haben. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass die Frau den Karren mit hoch getürmtem Gepäck in den Wartesaal schiebt, während der eine Kerl Löcher in die Luft guckt, der andere sich ausgiebig der Fußpflege widmet. Bald schon gibt es Ärger mit dem Bahnhofspersonal, denn aus einem Gepäckstück des Trios, aus einem Sack, tropft es… Sofort beginnt die Frau zunächst sämtliche Taschen, Tüten und Kartons vom Karren zu zerren, bis sie zur Übeltätertüte gelangt. Die wird mal gleich ausgepackt: Teller, Gläser, Schraubdosen… Dann kommt alles wieder in den Sack, Mann 1 besorgt eine große Plastiktüte, die Frau einen Mopp zum Aufwischen der Bescherung. Mittlerweile haben sich noch zehn, zwölf Menschen um die drei mit ihrem Karren gescharrt. Helfer? Gaffer? Mitnichten. Teil einer Großfamilie, zu der per Taxi noch ein Ömchen im Rollstuhl mit drei, vier weiteren Personen kommt. Da hat man sich natürlich viel zu erzählen. Es wird laut, es wird lauter… Die Gruppe ist viel zu groß für einen Soft Sleeper Wagen, stellen wir beruhigt fest.
Doch was erwartet uns stattdessen? Der Zug fährt ein, wir klettern in Wagen 11 und suchen unser Abteil mit den Kojen 21 und 22. Und sind allein! Zumindest fast: Begleitet werden wir von kreischender Musik und ich bin schon sehr froh, dass die Ohropax in Greifweite sind. Nun kommt mein Held zum Einsatz: Juan sieht sich im Gang um , findet einen Schalter – und es herrscht Ruhe. Er hat nicht nur unser Abteil, sondern den ganzen Waggon von der fiesen Lalla befreit. Entweder kennt außer Juan niemand den Knopf – oder die anderen sind auch froh, dass das Geschrei ein Ende hat.
Wir machen es uns in unserem Abteil gemütlich, ziehen die Schuhe aus und legen die Füße hoch. Ganz entspannt! Wenn ich an unsere Tour von Hanoi nach Hue zurückdenke… Das hier ist der pure Luxus. Drei Stunden später, ein paar Kilometer von My Lai entfernt, klettert noch eine junge Frau in eine der beiden oberen Kojen. Sie spricht keinen Piep Englisch, röchelt aber schwer erkältet vor sich hin, weshalb wir die Kabinentür schön offen lassen, damit uns die Klimaanlage nicht ständig mit den Bakterien bestäubt…
Um 11:41 ist der SE1 – klar, einer der vielen Wiedervereiniger – pünktlich in Da Nang losgezuckelt, um 21:14 soll er in Nha Trang sein, bevor es über Nacht für die anderen nach hcmc, also Saigon, weitergeht. Dazwischen liegt eine für uns hochinteressant Fahrt über Land nach Süden. Reisfelder bis zum Horizont, Dschungel, in denen kleine Dörfer liegen, Zebus, Wasserbüffel, Kraniche – eine großartige Landschaft. Während wir darüber nachsinnen, wie schwer das Leben der freundlichen Menschen mit ihren putzigen Reishütchen hier auf dem Land ist, schaukeln die Verkaufswagen durch den Zug. Es gibt warme Mahlzeiten – Schwein mit Gemüse und Reis -, Maiskoben, Sandwiches, Snacks, Getränke… Wir winken ab, haben vier Flaschen Wasser, ein paar Mandarinen, geschmacksneutrale Cracker und Erdnüsse in der Schale dabei. Dinner gibt es, wenn es das denn noch gibt, später in Nha Trang.
Sogar mit dem letzten Büchsenlicht hört man übrigens dumpf aus anderen Waggons die vietnamesischen Großfamilien schwatzen, schnarchen, essen, lachen. Wir haben es wirklich gut in unserem komfortablen Abteil!
Da spielt es auch keine Rolle, dass sich plötzlich ein Schaffner wortlos auf meine Koje setzt, die Tür schließt, um dann in aller Seelenruhe mit irgendwem zu telefonieren. Ist, wie es ist 🙂
Die 25 Minuten Verspätung haben leider zur Folge, dass in Nha Trang im Havana Hotel schon alles dicht ist. Also Roomservice, dazu im Fernsehen die Partie Barcelona – Madrid, seit Hongkong mal wieder auf englisch. Außerdem müssen wir noch mit Buenos Aires telefonieren: Federico hat Geburtstag!
Erster Eindruck Nha Trang: huch! Ein Mittelding zwischen Ballermann und South Street in Miami Beach. Auf jeden Fall laut, sehr laut. Auch in unserem Zimmer im 34. Stock sind die Discos noch zu hören. Wir sind eine Sekunde vors Hotel gedreht, um nach einem Restaurant zu gucken, aber dafür reicht es heute nicht mehr: laut, bunt, die gesamte Werbung auf Vietnamesisch und Russisch. Manchmal im Kleingedruckten Englisch. Da sind wir nun aber mal mächtig gespannt!
En tren desde Da Nang hasta Nha Trang