Das Hotel de France ist wirklich erwähnenswert. Wir haben geschlafen wie die Babys und frühstücken dann in der Bar wie die Könige: Croissants, Baguette, Marmeladen, bisschen Schinken, frischer Obstsalat und prima Kaffee, alles völlig unaufgeregt. Dazu, man glaubt es nicht, scheint die Sonne. Das Meer hat sich ein bisschen beruhigt, ist aber immer noch mächtig aufgewühlt. Wir machen einen langen, langen Spaziergang am Strand und freuen uns, dass wir den Tag in Mimizan Plage drangehängt haben. Je länger wir an der Wasserkante entlanglaufen, desto mehr können die Gedanken trödeln. Das Meer hat für mich etwas ungeheuer Beruhigendes. Und Juan ist inzwischen auch der Meinung: Unsere Heimat ist das Meer. Und so trudelt der Pulsschlag sich bis zu einem normal niedrigen Mass hinunter. Wir geniessen den Wind, hören der Brandung zu, träumen und geniessen einfach nur. Dazu kriegen die Füsse ein 1-A-Peeling durch den feinen Sandstrand.
Gegen mittag kommen die Surfer, aber die vier, fünf Meter hohen Wellen laufen zu kurz, um gut surfen zu können, also wird eher rumgepaddelt. Der Atlantik ist hier nicht ohne. Strömungen und Unterströmungen machen ihn richtig gefährlich. An jedem offiziellen Strandzugang findet wir ein täglich erneuertes, handgezeichnetes Bild von den aktuellen Strömungsverhältnissen, Gefahren und Geboten. Meist ist sowieso die rote Flagge gehisst: Baden verboten. Und nur Doofe halten sich nicht dran. Die Tücken des Meeres fordern in dieser Gegend Jahr für Jahr ihre Opfer. Zudem ist das Wasser recht kalt, wir sehen niemanden ohne Neoprenanzug.
Der Strand ist unendlich. Insgesamt ist die Côte d’Argent 240 Kilometer lang. Nicht mal im höchsten Hochsommer wird es hier überall voll. Ausserdem haben die Franzosen etwas mit den Argentiniern gemein: Je enger man die Handtücher aneinander legt, umso schöner ist das Strandleben. Jenseits dieser Narrenzonen hat jeder seine Ruhe und die unendliche Weite. Aber im Moment ist das Thema Masse sowieso keines. Wir sind so wenige, dass wir uns am Strand alle gegenseitig mit „Bonjour“ begrüssen und sogar den Hunden zunicken.
Sehr froh bin ich, dass sich eine Geschichte nicht bewahrheitet hat, die ich im Focus gelesen habe (bei denen hat ja noch nie eine Geschichte gestimmt): Es ging darum, dass der Strand von Mimizan zwar unendlich weit und schön, aber gleichzeitig auch unerträglich sei. Der widerliche Geruch, den eine nahe Papierfabrik verströme, machen den Aufenthalt hier zu einer Katastrophe. Also: Mein feines Näschen nimmt davon nichts wahr. Hier riecht es, wie es soll: Nach salzigem Meer – das reine Vergnügen.
Die gute Luft macht bekanntlich müde, also halten wir eine Siesta, bevor wir wieder ans Meer gehen. Für heute abend haben wir uns schon ein Plätzchen ausgeguckt, das etwas entfernt vom Kern des Örtchens liegt. Sollte es eine klare Nacht geben, muss der Sternenhimmel hier grandios sein. Wir hatten gestern schon einen winzigen Vorgeschmack davon.
Davor allerdings werden wir die schwere tägliche Entscheidung treffen: Wo essen wir etwas? Wird Zeit, dass wir uns irgendwo ein Apartment oder so schnappen, damit wir selber kochen können. Diese täglichen Restaurantbesuche gehen nicht nur ins Geld und auf die Hüfte, sie nerven auch. Ja, ja, unterm Stuckfries des Niveaus gejammert…
Die Franzosen mögen es uns verzeihen: Heute gehen wir fremd. Zu einem Italiener, weil wir nicht schon wieder ein üppiges Dreigängemenü haben wollen, sondern einfach eine Pizza (Juan) und eine Nudel. Vorher sitzen wir gemütlich bei einem Apéro in einer Bar, in der es den feinsten Ausblick auf alles Vorbeiziehende hat. Ausgesprochen häufig fällt mir der Spruch meiner Tante Nanni (meines Grossvaters zweite Frau und damit meine Stiefgrossmutter) ein: Von hinten Lyzeum, von vorne Museum. Man kann offenbar gar nicht alt genug für viel zu kurze und zu enge Shorts sein. Und wenn die Wallemähne erst einmal schütter ist, kann man ja getrost auch noch einen Pott Blondierung drüberkippen. Dazu ist mir ein Augenmake-up aufgefallen, das womöglich einen christlichen Hintergrund hat, denn es erinnert an einen Fisch. Man nehme dazu einen möglichst glanzintensiven Farbstift in einem leuchtenden Ton – Blaumetallic geht hier gut – male mit oder ohne Gefühl einen dicken Lidstrich, lasse diesen nach oben hin schwungvoll auslaufen. Dann setze man am äusseren Augenwinkel noch einmal an, um einen weiteren Auslauf mit zittriger Hand nach unten zu fabrizieren. Gut, gut, es könnte sich auch um ein liegendes „V“ handeln, aber mir persönlich gefällt die Definition „toter Fisch“ einfach besser. So, Zeit für die Nudel, vor allem für den Wein. Und ja, unbesorgt: Ich habe ein Auge auf weitere Schönheitstipps!