Ach, wie lustig ist das Camperleben! Hier in Boltenhagen liegen zwei Plätze nebeneinander. Auf beiden wird unter Gejohle und Gesaufe bis morgens um fünf gefeiert. Wer hat die tieferen Bässe? Wer kann „Atemlos“ lauter singen? Ach, da gibt es so schöne Dinge, die man lautstark durch die Nacht probieren kann! Ist Serienkiller eigentlich ein Ausbildungsberuf? Ich persönlich bin bedient, wie Juan beieinander ist, weiß ich nicht: Er redet nicht, sieht seltsam verkniffen aus. Erstmal duschen, das versengt die Erinnerung…
Dazu ist es noch gruselig grau, Regen liegt in der Luft. Wie isses nur schön, würde Walter Kempowski hierzu geschrieben haben (Tadellöser und Wolff). Wir frühstücken mit Spiegeleiern und Kaffee, dazu Ciabatta von gestern, weil niemand von uns Lust hat, bei Edeka in der Camper-Brötchen-Schlange zu stehen.
Erstmal ans Meer und ein bisschen laufen, damit der Kopf klar und fröhlich wird. Es ist zwar relativ viel los trotz des Nieselregens, aber schön ist es allemal: Die Ostsee liegt in seltsamem Nebel, die Strandbrücke ist fast leer. Zurück über den Ort Boltenhagen, der gesichtslos aussieht wie alle Badeorte an der Ostsee, allerdings mit vereinzelten, sehr schönen Jugendstilvillen. Der Rest ist modern und zweckmässig, teilweise schöne Architektur, teilweise grottige.
Einige Kilometer später sind wir wieder bei unserem Mobil und entscheiden, zurück zu fahren. Nach Klütz, zum Schloss Bothmer. Im 18. Jahrhundert hat sich hier ein am englischen Hof ansässiger Welfen-Diplomat ein grossartiges Denkmal gesetzt – ohne es jemals gesehen zu haben. Die ganze, spannende Geschichte ist unter Schloss Bothmer bei wikipedia nachzulesen, aber sollte jemals jemand in diese Gegend kommen: unbedingt besuchen! Und den Audioguide mitnehmen, der wie ein Handy ans Ohr gehalten wird. Sehr gut gemacht, sehr eindrucksvoll. Und das Schloss, das zu DDR-Zeiten ein Altenheim war (wie Sisis Gödöllö in Ungarn und Klitzings Damerthin in Brandenburg) ist einen strahlendes Beispiel barocker Schlossarchitektur. Richtig toll! Wir werden sicher mal wieder vorbeifahren, wenn alles rundherum erblüht ist, denn auch die Parkanlage ist sensationell.
Von da bei Regen in den tiefsten Osten: Wir haben von einem Flohmarkt in Gägelow bei Wismar gelesen. Der ist so traurig, dass man mit dem Regen um die Wette weinen könnte.
Nach kürzester Zeit hauen wir ab und fahren in die alte Hansestadt. Ganz in der Nähe des Hafens haben wir einen Wohnmobilstellplatz ausgeguckt, den wir auch sofort unter Beschlag nehmen. Nun ist mal Schluss mit der Fahrerei, nun gucken wir uns die Stadt an, in der wir seltsamerweise noch nie gewesen sind. Schön doof.
Es ist halbwegs trocken, als wir am Hafen entlangspazieren, die Fischer beobachten, die direkt vom Kutter verkaufen und die Leute, die herumschlendern. Wir trinken ein Käffchen und essen ein Eis, bevor wir die gesamte Altstadt erlaufen. Schönes Fachwerk in dieser Stadt, die zum UNESCO Welterbe gehört, mit St. Nikolai eine grossartige gotische Kirche, ein Welt-Erbe-Museum – sehenswert!
Wieder einmal glühen die Füsse, als wir endlich und nach knapp 15 Kilometern Tagesleistung wieder auf unserem Stellplatz ankommen. Ein Päuschen, aber wir wollen noch einmal los: Heute gibt es Fisch. Jedenfalls voraussichtlich. In einem der zahlreichen Fischrestaurants rund um die Häfen von Wismar.
Aber nun trinken wir erst einmal eine Apérol Spritz im Mobil und hoffen, nicht zu blau für den Ausflug ins Restaurant zu werden. Juan pfeift „Atemlos durch die Nacht“ und bereitet gerade die Bildergalerie für heute vor. Noch einen Ton…
Reisen ist ja eine anstrengende Angelegenheit!