Es ist ganz offenbar unser Schicksal, morgens früh aus der Kiste zu müssen. Wieder sind wir vor den Mönchen wach, kurz nach halb sieben holt uns der Van der Shompoo Cruises ab. Im Wagen sind bereits ein alleinreisender Deutscher aus der Nähe von Metzingen, Werner, 58, und ein belgisches Ehepaar. Der Morgen graut, während wir die steile Treppe hinunter zum Mekong klettern, um aufs Schiff zu kommen. Ich tu mich ein bisschen schwer, Werner nimmt mir den Trolley ab. Gentleman!
Das Schiff ist 45 Meter lang, wird von einer vierköpfigen Familie betrieben, außerdem ist Mr. Comme si – Comme ça unser englischsprachiger Tourguide. Laote, natürlich, und sicherlich schreibt er sich ganz anders. Aber isses nicht schön? Das Boot ist für 40 Gäste bequem ausgerichtet, es gibt Vierertische mit Bänken, dazu festeingebaute Diwane, auf denen man sich auch mal ausstrecken kann. Als das Boot ablegt, sind wir gerade mal 15 Passiere, haben also richtig viel Platz und sind sehr froh, die etwas teurere Variante gewählt zu haben. 130 Dollar kostet die Zweitagestour auf dem Mekong pro Nase, dazu kommt die Übernachtung in Pakbeng. Es ist deutliche kühler auf dem Wasser, als wir angenommen haben. Juan hat eine Regenjacke dabei, ich ein albernes Strickjäckchen, beides hilft. Mit an Bord sind außer Werner noch weitere Belgier, ein paar Engländer und zwei Deutsche, von denen ich den einen immer ansehen muss, weil er genauso furchtbar aussieht wie Maschmeyer und auch noch dessen alten Bart aufträgt.
Aber schon nach kurzer Zweit ist es völlig egal, wie die Mitreisenden aussehen. Es ist das Panorama, das großartig ist. Die Crew serviert Kaffee und Tee, dazu frische Croissants und Schokocroissants. Während des Frühstücks sammeln wir die ersten Eindrücke von dem, was Laos und den Mekong wohl ausmacht: Regenwald, Dschungel, relativ wenig Bevölkerung. Wenn dörfliche Ansiedlungen, sehen sie nach westlichen Maßstäben sehr, sehr ärmlich aus. Es ist schon viel los auf dem Fluss: slow boats wie das unsere, Fischerboote, mittelgroße Privatboote. Mit zunehmender Helligkeit wird auch klar, wie tückisch der Fluss ist: Strömungen, Stromschnellen, mitten im Lauf Felsbrocken, felsige Inselchen. Der Kapitän arbeitet konzentriert und gönnt sich keine Pause. Manchmal flitzen Speedboats an uns vorbei: in acht Stunden machen die die Fahrt, für die wir uns zwei Tage Zeit lassen. In Zweierreihen dicht aneinander sitzen sie in den Flitzern, tragen alle Helme, sind einem ohrenbetäubenden Lärm ausgesetzt. Leider kommt es zu Unfällen mit diesen Booten, oft sind sie tödlich.
Die Ufer sind meist dicht bewachsen, mal sieht man Bänke aus fast schneeweißem Sand, dann wieder bizarre Felsformationen. Vor allem aber ist es das Grün!
Wieviele Schattierungen von Grün gibt es? Es müssen hunderte sein, und alle präsentieren sich vor unseren Augen. Während der Fahrt wechselt das Bild der Landschaft kaum – und doch ist es immer anders. Auch als es wärmer wird, bekommen die Grüns noch wieder ganz neue Töne hinzu. Faszinierend.
Irgendwann legen wir an einem Felsen an, klettern in eine Höhle: Buddhastatuen. Überall, ein heiliger Platz für die Gläubigen. Zu meinem Glück klettern wir nicht in die Höhlen, sondern bleiben schön am Rand. Reicht mir völlig 🙂 Bin entsprechend froh, wieder auf „unserem“ Schiff zu sein. Das Leben an Bord ist faul und träge. Viele schlafen, einige lesen, wir gucken. Kaffee, Tee und Wasser bekommt man zu allen Zeiten gratis, kurz vor der Mittagszeit wird an den Tischen der Strom abgestellt, weil die Elektrizität in der Küche gebraucht wird. Aber wir haben sowieso alles bis zum Anschlag geladen.
Während wir hier und da ein paar Kühe und Ziegen und auch mal einen Wasserbüffel stehen, fällt uns auf, dass es keine Vögel gibt. Überhaupt keine! Weder sind sie zu sehen, noch zu hören. Auch sonst gibt es kein sichtbares Getier. Zwar fahren wir an einigen Elefantencamps vorbei, sehen aber keinen einzigen Dickhäuter. Von anderen Tieren mal gar nicht zu reden.
Inzwischen werden zwei Tische zusammengeschoben: das Mittagsbüffet. Es gibt Reis und Suppe, einen Kartoffel-, Kohl-, Schweineauflauf, Frühlingsrollen und in Bananenblättern gegarten Fisch. Schmeckt alles gut! Anschließend frische Melone und Papaya, Kaffee, Tee.
Die Fahrt auf den Mekong ist extrem erholsam. Man muss ja nichts tun, sondern einfach nur gucken. Und wenn man keine Lust mehr hat, rollt man sich auf seinem Bänkchen zusammen und schläft. Inzwischen ist es auch wärmer geworden – wirklich schön!
Nachmittags spreche ich Comme si – Comme ça an weil ich hoffe, unsere Unterkunft in Pakbeng noch upgraden zu können. Wir haben uns für die günstige Variante von 35 Dollar entschieden, für ein Guesthouse. Gestern Abend habe ich auf Tripadvisor eine frische Meldung gelesen, dass Leute genau in diesem Haus ausgeraubt wurden. Na prima! Wir wollen unsere Klamotten sowieso an Bord lassen und haben das Notwendigste in unsere Rucksäcke gepackt. Die werden wir also nicht aus den Augen lassen. Es gibt noch zwei weitere Kategorien, für 50 und für 120 Dollar. Luxus muss für die paar Stunden wirklich nicht sein, aber vielleicht die andere Hütte? Klappt nicht mehr. Wir nehmen uns aber fest vor, dass wir abhauen, wenn’s uns irgendwie gruselig vorkommt.
Pünktlich um fünf und damit gerade noch bei Tageslicht kommen wir in dem Dschungeldorf Pakbeng an. Hier leben ein paar hundert Leute, offenbar fast alle vom Tourismus, denn egal, ob man stromabwärts oder stromaufwärts fährt: hier ist der Stop für die Nacht. An der Rezeption unseres Guesthauses steht schon eine verwirrt wirkende ältere Amerikanerin mit einer Flasche Bier in der Hand. Das kann ja heiter werden… Uns wird ein Schlüssel in die Hand gedrückt, Zimmer 8, erster Stock. Das Zimmer ist – nun ja, sehr, sehr, sehr einfach. Ein Bett, ein Regal, ein Ventilator unter der Decke. Die Bettwäsche nahe an Weiß, die Überdecke eher igitt. Das Badezimmer wird von einer Tonne beherrscht, in der Juan chemische Substanzen vermutet. Die Dusche scheint jedenfalls nicht nutzbar zu sein. Einen Stuhl besorgen wir uns vomFlur, für die Klamotten. Egal, für eine Nacht…
Ich packe alles, was theoretisch überflüssig ist, aufs Bett, um den Rucksack leichter zu machen. Das fotografiere ich, um festzustellen, ob sich in unserer Abwesenheit jemand dafür interessiert hat. Dann stapfen wir ins Dorf. Lehmstrasse, Hütten links und rechts, aus denen heraus irgendwas verkauft wird. Im Sabadee Restaurant lassen wir uns nieder, haben sogar kurz wifi und sind ganz gerührt, dass sich einige Sorgen um unser Wohlbefinden machen, weil wir einen Tag nichts gepostet haben, bestellen Beer Lao und gebratenen Reis. Kurze Zeit später taucht Werner auf, setzt sich zu uns und erzählt von seinen zehn Reisen nach Argentinien. Wir bestellen noch einen Banana Pancake, neben uns lacht und grölt eine Gruppe junger Menschen aus Indien, Deutschland und UK und freut sich, dass der Lao Whisky nur 50 Cent kostet. Der Pancake kommt nicht, Juan ist sauer, wir hauen ab. In einer Bude kaufen wir noch unsere Notration: 1 Kitkat für Juan, 1 Snickers für mich. Ab in die gruselige Bude. Zumindest war offenbar niemand in unserer Abwesenheit an den paar Sachen… Es ist gerade mal acht, also lesen wir noch etwas, ich huste mich in den Schlaf.
De Luang Prabang hasta Pakbeng