Lissabon, Ausflug Teil 1


Der Wecker klingelt im 4:45 und das ist eine fürchterliche Zeit. Aber was tut man nicht alles für den guten Zweck: Wir machen einen Ausflug. Mit dem Zug nach Lissabon.

 

Möglicherweise nicht die schlaueste Idee zu Zeiten, in denen in Portugal gestreikt wird, aber was soll‘s? Natürlich sind wir sehr rechtzeitig am Maerklin-ähnlichen Bahnhof unseres Ortes, parken das Auto unter einer Lampe und warten noch einen Moment auf den Einstieg. Die Tickets – 50 Prozent gibt‘s hier für Olle – haben wir gestern Abend schon erstanden. Der Zug fährt pünktlich ab und ist noch nicht sonderlich voll. Wer fährt schon um 6:10 ausser ein paar rechtschaffenen Arbeitern und wenigen Verrückten. Die erste Klasse des putzigen Kurzzuges ist nicht im besten Zustand, dafür aber auch kaum geheizt.

Es ist noch frisch an diesem Morgen in stockdunkler Nacht. Der Schaffner will tatsächlich die ID sehen, im zu verifizieren, dass wir uns das Seniorenticket nicht einfach so unter den Nagel gerissen haben. Das zaubert ein müdes Lächeln.

In Tunes warten wir knapp 20 Minuten auf den Schnellzug nach Lissabon, der ebenfalls ganz pünktlich ist. Ernüchterung vor unseren  Sitzen: Da haben bereits zwei Amerikaner Platz genommen. Die Sitze sind alle reserviert. So geht’s ja nun nicht. Ein Bahnmensch eilt herbei und findet auf der Stelle den Fehler: Unser Ticket ist für morgen ausgestellt. Das geht ja prima los! Es ist uns nicht in den Kopf gekommen, die winzig gedruckten Daten zu checken. Doof, doof, doof.

Ein überaus freundlicher Kondukteur erkennt das Missverständnis und weist uns kostenneutral zwei andere Plätze – die letzten in der ersten Klasse – zu. Kaum sitzen wir, kommt das nächste Ding: Das Hotel findet meine Kreditkarte blöd. Es kostet geschlagenen 90 Minuten, bis endlich alles geklärt ist. Mundwinkel nach unten, aber sie heben sich bald wieder: Die Landschaft, die vorbeizieht, ist wunderschön!

Ganz kurz vor zehn und wieder pünktlich kommen wir in Lissabon an, beschließen, einer Horde Amis zu folgen und steigen schon im Bahnhof Entrelagos statt in Oriente aus. Das war schlau. Von dort schnappen wir eine Metro nach Rato. Das war doof, denn sie ist noch recht weit von unserer gemieteten Bude entfernt.

In die kommen wir allerdings sowieso erst um zwei, also: auf geht’s. Als Erstes besuchen wir ein wunderschönes altes Kloster, blicken dann von einem Aussichtspunkt über die ganze Stadt, klappern mit großer Begeisterung Kirchen, viele Kirchen ab und landen ermüdet im Bernao, einem uralten, klassischen Kaffeehaus, das uns ein bisschen wehmütig an Buenos Aires erinnert. Die Füße wissen schon: Das wird hart hier in Lissabon.

So ist es dann auch: Kurz eingecheckt im Apartment, das überaus zentral in der Rua da Madalena liegt, sind wir auch schon wieder auf der Strasse in unserem Stadtviertel Baixa, das am Fluss liegt und nicht ganz so krasse Höhenunterschiede hat wie andere Teile der Stadt. Dennoch kommen wir uns manchmal wie Gemsen vor… Erschöpft nehmen wir irgendwo eine kleine Auszeit bei einem eiskalten Bier, bevor die nächste Kirche, der nächste Hügel uns fasziniert. Vorm Dinner kurz Füße hoch im Apartment, dann wieder ab ins Leben. Wir besichtigen die Kathedrale von Lissabon, die ein wenig an Notre Dame erinnert. Gotisch, riesig, beeindruckend.

Weil wir ja nicht einmal vor uns selbst sicher sind, zieht es uns zum Essen ins Republica Italiana in unserer Ecke. Natürlich ist uns klar, dass das eine abenteuerliche Entscheidung ist. Aber so heftig… Der Wein aus dem Alentejo ist gut, das muss man sagen. Die Bruschetta? Versetzt mit vielen schwarzen Oliven, dafür ohne Öl oder einen  anderen Geschmacksträger. Juans Pasta mit Lachs lässt neben Geschmack auch Lachs vermissen, meine mit Ragu Bolognese mache ich mit Pfeffer und Salz ein bisschen essbarer. Die nette indische Kellnerin ist ordentlich bemüht, ihr brasilianischer Kollege hat sowieso längst mit der Welt abgeschlossen, ist aber ehrlich. Auf meine Frage, woher denn der Koch so käme: „Aus Bangladesch.“ Alles klärt sich…

Kichernd trotz vergeblicher Suche nach einer Bar für eine Absacker kommen wir im vierten Stock unseres Apartmenthauses an: Das war ja mal ein Tag! 14 Kilometer zu Fuss, viel gesehen, viel gelacht – und platt.

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