Der Tag in Grande Cache beginnt insoweit sehr kreativ, als ich Juan die Haare geschnitten habe. Er redet noch mit mir!
Etwas trödelig brechen wir in Richtung Hinton auf. Die viele Fahrerei der vergangenen Tage sitzt einem doch in den Knochen. Das ist aber schnell vergessen, denn die Strecke bis zum Eingang des Jasper National Parks, ungefähr 180 km, ist hinreissend schön. Wir können uns noch immer nicht an den Wäldern sattsehen, freuen uns über Wasserfälle und Bäche, die in diesem unverwechselbar matten Türkis der Gletscher strahlen. Keine Viecher, aber das macht ja nichts. 17, 18 Grad und Sonne mit Wolken – was wollen wir mehr?
Eigentlich nur, dass es so bleibt. Und genau das klappt nicht. Schon kurz nach der Einfahrt in den Park – auf der ersten Strecke übrigens mit jeder Menge Schwerverkehr, der erst kurz vor Jasper nach Westen abbiegt – fängt es an zu regnen. Noch haben wir einen ganz guten Blick auf die Rockies. Noch…
In Jasper, einen Ort, der ähnlich wie – sagen wir mal: Andorra nur auf Tourismus abgestellt ist, machen wir ein Pause. Das Schild „Heute Markt“ macht uns an, eine nette Lady bei der tourist info erklärt, wie wir zum Museum kommen, hinter dem der Markt stattfindet. Und was sehen wir? Genau einen Wagen mit Brot, daneben einen mickrigen Stand mit Gemüse. Markt? Na gut… Wir sind da eher verwöhnt.
Wären wir bloss im grau-tristen Jaaper geblieben, aber nein: wieder auf die Piste. Es ist schon zu spät zum Umdrehen, als es anfängt zu regnen. Innerhalb kürzester Zeit verschwindet der Blick auf die Rockies vollständig, es ist alles grau in grau. Und es regnet. Und regnet. Intensiv wie ein Monsun, aber konstant über Stunden. Leichter Frust schleicht sich ein.
Auf 2300 Meter Höhe und bei einem Grad Celsius stehen wir genau gegenüber vom Columbia Gletscher. Wir sehen ihn kaum…
Und so setzt sich der Weg durch einen der schönsten Nationalparks der Welt fort…
Wegen der absurd hohen Hotelkosten sowohl im Jasper als auch im Banff Nationalpark – Zimmer ab 300 Euro, 500 Euro sind noch keineswegs top – war klar, dass wir mit Rosie in ein Camp gehen würden. Das ist aber wegen der Wassermassen gar nicht möglich. Alles, was nicht asphaltiert ist, verwandelt sich in Schlamm. Und damit alle Zufahrten.
Wir sind auf über 2400 Meter Höhe, da kommen zum Regen noch Blitz und Donner, dann ändert sich die Konsistenz des Regens zu Schnee. Meine Güte!
Beim Sakatchewan crossing versuchen wir einen Ausbruch aus dem Park – zehn Kilometer scheinen besser zu gehen, dann sind wir wieder mitten im Regen und drehen um. Lieber unter Menschen im Park bleiben.
Apropos Menschen: Davon gibt es hier viele. Und die meisten sind mit ihren RVs, also Wohnmobilen unterwegs. Wenn es plötzlich irgendwo an der Strasse zu einem Verlehrsstau kommt, kann man sicher sein, dass einer aus der Kolonne ein Tier gesehen hat. Das machen wir einmal bei einem Schwarzbären mit, aber es ist fürchterlich… Stossstange an Stossstange wird im langen Trek gehalten, um ein armes Tierchen zu erschrecken. Einige springen fürs bessere Bild aus dem Auto, andere schleichen eher auf Zehenspitzen an, die Bestie Bär könnte ja durchdrehen. Die Bestie ist hier eindeutig der Mensch. Dazu eben der Regen.
In einer Lodge – Vorsicht, genauso überteuert wie fast alles, wo Spa draufsteht – machen wir Halt. Unser Kalkül: Wir essen hier etwas, suchen uns dann einen Campground – und morgen ist alles schön.
Geht nicht auf. Denn der Regen nimmt noch zu. Das Essen ist teuer und bestenfalls mittelmässig, das Wetter saumässig. Der Weg zurück zum Auto wird schon fast zur Schwimmstunde.
Eine 500er-Übernachtung kommt trotzdem unter keinen Umständen infrage, also müssen wir raus aus dem Nationalpark und da etwas finden. Knapp 150 Kilometer entfernt liegt der unbedeutende Ort Golden am bedeutenden TransCanada Highway. Da gibt es Motels. Es schüttet unverdrossen weiter, wir fahren mal auf 2200 Meter Höhe, mal auf 1400, dann wieder hoch – irrsinnig. Zumal man von den atemberaubenden Landschaften drumherum eher etwas ahnt als sieht!
Gegen halb zehn klart es auf, wir sehen sogar ein bisschen Sonne – und Golden. Die ersten beiden Buden – wie so oft von Indern geführt – sind natürlich überteuert, im dritten oder vierten Etablissement sind wir für etwas über 60 Euro warm und trocken untergebracht. Das Ponderosa Motel wird von keinem Cartwright geführt, dafür von einer zahnlosen Frau mit nur einem Arm. Ja, ja, auf Reisen kann man was erleben…
Wir öffnen eine feine Flasche Malbec und widmen uns im Trocknen endlich unseren technischen Devices: Juan kümmert sich um die Fotos, ich tippe vor mich hin.
Bevor wir das Licht ausmachen, werden wir noch mal im Fernsehen checken, wie sich die Feuerkatastrophe in Portugal entwickelt. Und dann schnuppern wir noch eine Sekunde Weltpolitik (…), bevor wir von besserem Wetter morgen träumen.