Las Cañitas

Wir haben in Buenos Aires die Gegend gewechselt und sind diesmal in Las Cañitas gelandet, einem feinen Eppendorf in groß, ganz in der Nähe des Poloplatzes. 16 Stunden Flug hängen uns in den Knochen, aber Sonne und Temperaturen um 22 Grad entschädigen. 

In Ezeiza erwartete und früh um sieben Marcella, die mit Soledad zusammenarbeitet und fröhlich von den Widrigkeiten des Lebens in einem Land mit einer Inflation von über 130 Prozent im Jahr berichtet. Auf der langen Fahrt in die Stadt erfahren wir viel Neues zum vertrauten Wahnsinn, vom Humor, ohne den das hier alles nicht möglich wäre. Marcella hatte Problem mit einem Auge, liess das Zucken vom Augenarzt und Psychologen begutachten. Am besten würde sie nach Cancun fahren und das Leben genießen war die empfohlene Therapie. Cancun – die Taxifahrerin lacht immer noch. Auch der Irrsinn rund um die Wahl vor wenigen Tagen erheitert sie. Alles wartete aufs Ergebnis. Hätte Milei gewonnen, wäre wohl der Dollar wohl explodiert. Mit dem eher unerwarteten Sieg von Massa blieb die Lage verhältnismäßig ruhig. Aber erst die Stichwahl am 19. November wird die Entscheidung bringen. 

Marcella bringt uns zu unserem Apartment auf der Ortega y Gasset. Die Besitzerin lebt in Miami, die Verwalterin kommt gegen halb elf. In einer wunderbaren Bar schräg gegenüber schlagen wir etwas Zeit bei Café und Medialunas tot. Die Köfferchen stehen beim Securityman in der Lobby unseres Hauses, also schlendern wir eben noch zu Western Union, um Geld abzuholen. Das gibt es aber morgens um zehn nicht. Keine Pesos, wir sollen es am Nachmittag noch einmal versuchen. Dank Soledad haben wir etwas Grundkapital in der Tasche.

Der Peso schleudert durch ein kaum überschaubares Paralleluniversum der Finanzpolitik. Offizieller Kurs ist 330 für einen Dollar. Zahlt man als Tourist mit Kreditkarte, tauscht man ca. zu 660 Peso. Verhandelt man mit den arbolitos, den illegalen Geldwechslern rund um die Avenida Florida, gibt es rund 1000 Pesos, von denen nicht alle zwingend echt sein müssen. Wir arbeiten mit Western Union, überweisen uns Geld an uns selbst, bekommen rund 1000 für den Dollar und zahlen knapp 6000 für vier Cafés und vier Medialunas, der argentinischen Entsprechung des französischen Croissants.

Es ist Zeit, unsere Wohnung für die nächsten drei Wochen zu übernehmen. Der Doorman lässt uns noch einen Moment auf unseren Koffern warten, da ist die Verwalterin kurz vor halb elf auch schon da. Wir wohnen in der 7c, zu der ein Fahrstuhl direkt führt. Die Wohnung ist groß und verwinkelt, schummelt sich mit gut nachgemachten Bauhausmöbeln auf Fotos jünger als in der Realität. Wifi funktioniert, die Fernbedienung für eine der drei oder vier Klimaanlagen nicht. Egal.

Wir sind erledigt von der Reise und legen uns – mit Wecker – zwei Stunden aufs Ohr. Eine Dusche macht wach und bereit für einen kleinen Rundgang durchs Viertel, das ein wenig an die französische Konzession in Shanghai erinnert. Unser erster Anlaufpunkt ist erfolgreich: Die Western Union-Jungs haben inzwischen Pesos und wir bekommen knapp 100 000 (100 Euro) in zwei dicken 500er-Bündeln. Größere Scheine haben sie gerade nicht.

Vorbei an einer bemerkenswert eleganten Poloboutique und einem ebenso bemerkenswerten Muralmaler suchen wir uns ein Restaurant. In dieser Gegend gibt es einfach alles: Bars, Restaurants, Exoten mit arabischer Küche, Bodenständiges wie das Las Cholas, eine schicke Parilla, für die wir uns entscheiden. Schöner Laden mit interessanter Karte, allerdings ohne Preise. Die holt man sich via QR Code aufs Handy, denn durch die Inflation ändert sich alles ständig. Zu später Mittagsstunde füllt sich das Restaurant, die Terrasse ist fast ausverkauft, im Inneren gibt es noch wenige Plätze. Das Personal flitzt mit überdimensionierten Tellern vorbei. Wir bestellen Matambre, gegrilltes Schweinefleisch, und pikantes Grillhuhn, dazu eine Flasche Malbec, hinterher Kaffee. Dafür zählen wir vom dicken Bündel 18000 Pesos ab. 18 Euro. Offiziell 60. Für den gut verdienenden Durchschnittsangestellten, der ca. 800 Dollar verdient, teuer.

Der einzige Wermutstropfen, den es zu berichten gibt, betrifft Ana. Juan Schwester liegt mit einer noch nicht richtig diagnostizierten Lungenentzündung im Krankenhaus. In sehr guten Händen, aber  unglücklich, dass sie ausgerechnet jetzt krank ist. Einerseits Besuch des einen Bruders, andererseits der 80. Geburtstag des anderen. Nur Ana und Soledad wissen, dass wir in der Stadt sind – am Sonntag findet ein großes Fest statt; wir sind die Überraschungsgäste. Fede hatte  Mittwoch, am 25. Geburtstag. Wir haben kurz vor dem  Abflug flunkernd gratuliert.

So. Nach dem beeindruckenden Essen im Las Cholas Kurzbesuch bei Dia im Supermarkt. Mit einer kleinen Grundausstattung für den Kühlschrank beschließen wir, ganz bewusst einen Fehler zu machen. Wir gehen um halb sechs ins Bett, versuchen, den Fünf-Stunden-Jetlag und die Reiseerschöpfung wegzuschlafen. Erwartungsgemäß sind wir jetzt, mitten in der Nacht putzmunter – so what?

 

 

 

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