Es regnet und regnet, der Himmel ist bleiverhangen. Wir trödeln stundenlang im Hotel, holen uns das grab’n’go Frühstück aufs Zimmer und lesen ein bisschen. Den checkout-Termin konnten wir auf eins vorverlegen – viel, viel Zeit.
Mit der Hoteleismaschine bringen wir unseren Cooler wieder auf Vordermann, dann schnappen wir im liquor store noch eine kleine Flasche Grand Marnier und stehen schon am Fähranleger auf Platz eins der Lane 5. Und warten. Das Schiff, die M.V. Northern Adventure, legt an, wirft ein paar Autos an Land. Und dann kommen wir dran.
Im Bauch des Schiffes muss hin- und hermanövriert werden, Rosie kommt erst mal auf eine Warteposition. Von der aus beobachten wir staunend, wie auch die ganz grossen Wohnmobile rückwärts an Bord gefahren werden. Noch beängstigender sind die Gespanne. Wer sich nicht traut, die enge Tour selbst zu fahren, kann einen der zahlreichen Helfer einspannen. Irgendwann findet sich auch für Rosie ein Plätzchen und wir können endlich aussteigen. Das Rangieren dauert über eine Stunde.
Das Schiff, einst in Griechenland gebaut, ist winzig klein, zwei echte und ein paar Zwischendecks, 450 Passagiere und 85 Fahrzeuge maximal. Wir haben versucht, uns von der Warteliste an Bord zu beamen, indem wir uns auf die beste Kabine haben upgraden lassen. Hat geklappt. Von diesen Kabinen gibt es an Bord vier. Sie liegen am Bug auf siebter Ebene und haben ein grosses, grosses Bullauge, durch das wir voraus einen hervorragenden Blick auf den Ozean haben.
Wir fahren auf einer der schönsten Wasserstrassen der Welt. Das ist einer der Gründe, nun die Fähre nach Prince Rupert zu nehmen. Der andere: Wir sparen mindestens 1500 Kilometer Autofahrt. Denn von Vancouver Island zum Festland gibt es nur zwei Verbindungen – von Nanaimo und von Victoria aufs Festland. Von Port Hardy sind es rund 500 km zurück in den Süden, die wir auf dem Festland wieder nördlich fahren müssten – plus der Weg nach Prince Rupert. Das läppert sich.
Nur leider: die Kabine wurde offenbar nicht geputzt. Also spreche ich nach dem Burger-Dinner (es gibt kaum etwas anderes an Bord) bei der Purserette vor, die sich wortreich entschuldigt und umgehend Debbie schickt. Die sieht die Schlamperei natürlich auch auf den ersten Blick, schwingt Schrubber, Lappen und Staubsauger – nach einer halben Stunde, die wir im Panoramasalon verbringen, ist die Kabine hübsch. Thanks, Debbie. Sie stammt übrigens aus Prince Rupert und erzählt von ungewöhnlich vielen Bären und Elchen auf dem Highway nach Terrace. Wir sind sehr gespannt.
Der Purserette ist die dreckige Hütte immer noch furchtbar peinlich. Da wir schon zu Abend gegessen haben, werden wir zur Wiedergutmachung morgen zum Frühstück eingeladen. Dankend angenommen.
Wir sind überhaupt nicht böse, sondern können uns nicht sattsehen an der zerklüfteten Landschaft. Inzwischen hat sich das Wetter berappelt, es ist trocken, manchmal reisst der Himmel sogar auf. Wir sehen Leuchttürme und Hütten von Menschen, die wirklich mutterseelenallein auf ihrer Insel leben. Es dämmert langsam, Adler ziehen über uns ihre Kreise, und wir sind auch schon fast in die berühmte Inside Passage eingebogen. Wir tuckern mit 20 Knoten entlang spektakulärer Landschaften. Plötzlich eine Durchsage von der Brücke: „A whale on starboard.“ Alles stürzt auf die rechte Schiffsseite, zu sehen ist kurz eine mächtige Flosse, eine Wasserfontäne – und schon ist das Tier entschwunden. Langsam wird der Schiffchen ein bisschen ruhiger, um zehn werden wir wohl alle schon schlafen…