Wir haben geschlafen wie die Steine nach unserer bemerkenswerten Zugfahrt von Hanoi nach Hue. Das Zimmer im Indochine Palace ist großzügig, aber der Innenarchitekt ist bei der Gestaltung ein wenig abgedreht. Der Waschtisch steht fast mitten im Raum und ist groß wie ein Schreibtisch, dahinter gibt es eine Nasszelle mit hervorragender Dusche und Wanne, links davon die Toilette. Will man letztere verschließen, nimmt man die Tür vom Bad. Alles übrigens in opaquem Glas. Nicht verwunderlich, dass man nächstens aus Versehen vorm hölzernen Einbaukleiderschrank steht. Wir sind aber froh über die Wanne: auch ein 5-Sterne-Hotel hält uns nicht von einem Waschtag ab. Und wir haben beide das Gefühl, dass unsere gesamten Klamotten von Zugtrip dringend in die Lauge müssen.
Da dümpeln sie auch, während wir das Frühstücksbüffet mit großen Augen unter die Lupe nehmen. Verteilt auf ca. 20 Meter finden sich verschiedene Brotsorten, Croissants etc. (so gut, dass jemand wie Brigittas Sohn die Mannschaft ausgebildet haben muss), acht, zehn Obstsorten, Sushi, vietnamesische Spezialitäten, chinesische Süppchen und Dumplings, natürlich Marmeladen und Jams, Aufschnitt, Käse – der Wahnsinn! Wir teilen uns das Ganze gegen halb zehn in einem riesigen Raum mit sechs, sieben anderen Gästen. Ach so: der Eier-Koch bereitet natürlich auch noch zu, wonach einem der Sinn steht: Eier, Omeletts, Pancakes, Waffeln… Es ist so viel, dass wir eher zurückhaltend bleiben und immer neuen Kaffee bestellen – natürlich schwirrt ständig jemand mit guten Englischkenntnissen um uns herum.
Im Zimmer lachen wir uns erstmal schlapp, während wir trotz des Rundumservices unsere Wäsche waschen. Natürlich könnte man das auch dem Hotel überlassen, aber die Preise dafür haben Weltstadtcharakter. Das Waschen und Bügeln eines einfachen Shirts kostet mehr, als der Neukauf hier auf irgendeinem Markt…
Wäsche fertig, Heikes Tipp, alles zwischen zwei Handtücher zu pressen (klappt super) beherzigt, ab in die Stadt. Der Concierge warnt vor Regen, wir lachen, drehen nach zehn Metern wieder um, nehmen einen Schirm, gehen wieder zehn Meter – und brechen den Ausflug ab. Stattdessen machen wir es uns am größten Pool von Hue gemütlich. Mutterseelenallein. Was für ein Luxus! Das 35-Meter-Becken gehört uns, unter einem Glasdach funktionieren die iPads wunderbar – uns geht es richtig gut!
Irgendwann raffen wir uns doch noch auf und werfen mal den ersten Blick auf die 300 000-Einwohnerstadt, die uns fast gemütlich vorkommt. Hier hat es während des Vietnamkriegs entsetzliche Haus-zu-Kämpfe gegeben, viele, viele Menschen sind ums Leben gekommen. Wie offenbar fast überall in Vietnam ist der „amerikanische Krieg“ aber kein Thema mehr. Der Blick richtet sich ins Hier und Jetzt – und wir folgen. Nachdem wir in Hanoi nicht viel vom Roten Fluss gesehen haben, ist in Hue der Parfum-Fluss allgegenwärtig. Wir schnuppern schon mal auf die andere Uferseite, auf der die Verbotene Stadt liegt, schlendern mit größer Freude über einen Markt und beschließen, die Weltkultur auf Morgen zu verschieben. Stattdessen gehen wir wieder zurück auf „unsere“ Flussseite, gucken hier einen Laden, da eine Gasse, weichen den Motorbikes aus und sind bei allen Ampeln misstrauisch. Mal zu Recht, mal nicht. Ein Restaurant, ganz, ganz einfach, zieht uns an. Der Sohn des Hauses spricht kaum englisch, was uns zu hervorragenden Frühlingsrollen (mit einem scharfen Knoblauch-Peperoni-Sösschen) verhilft, Juan isst gegrilltes Huhn mit gelbem Reis, ich habe scharfe Nudeln bestellt. Als erstes mal hebe ich einen Kleks dunkelroter Paste ab. Zum Glück! Die Schärfe kommt von einer Mischung aus Sojasauce, schärfsten Peperoni, Knoblauch und Szechuan-Pfeffer, der allein schon so scharf ist, dass ich in Hamburg im Überschwang eine ganze Kasserolle mit Sauce verwürzt habe. Zu unserem köstlichen Mahl trinken wir vier Dosen Bier. Weil es nicht ganz kalt ist, wird ein Eimerchen mit Eiswürfeln gefüllt – es klappt alles prima. Zum Schluss kommt die Rechnung: 119 000 Dong. Das sind nicht ganz fünf Euro für eines der besten Essen, die wir bisher in Vietnam hatten.
Diese Zeilen schreibe ich übrigens bei Dunkelheit im strömenden Monsunregen am Pool. Außer uns sind zwar ein paar Leutchen da, aber es ist alles sehr überschaubar. Und sehr schön. Wie toll, dass wir das alles erleben dürfen!
Caminando Hue